Sizilianischer Geflügelsalat

Sizilianischer Geflügelsalat

16. April 2019

Die ambitionierteste Ansichtskarte kapituliert vor der bezaubernden Landschaft um mich herum. Apfelbäume stehen pittoresk anmutend wie knorzige Skulpturen in Reih und Glied, winzig noch die Blättchen. Unterhalb der sanften Hügel glitzert Wasser graublau. Über dem Ufer auf der anderen Seite leuchten schneebedeckt die Alpen. Frühblüher stehen in üppiger Pracht und Blütenduft liegt in der Luft. Übermütig singen die Vögel aus voller Kehle. Pelzige Hummeln taumeln drall und brummend durch die Luft. Es ist Frühling am Bodensee.

Der erste Morgen am See weckt mich mit einem unbekannten leisen Geräusch. Ich lausche dem gemütlichen, schläfrigen „Goooh … Goooh …“. Das verhaltene Geräusch wird im Chor produziert, soviel ist klar. Langsam steigert es sich, klingt erwartungsfroh, beinahe ein wenig drängend. Es hält mich nicht mehr im Bett, und ich spähe neugierig in den noch nicht ganz hellen Garten unter unserem Schlafzimmer. Wie aus dem Nichts rennt plötzlich eine Gruppe gackernder Hühner im Laufschritt von links nach rechts durchs Gelände, dann zügig zurück. Kurzer Stopp. Die Köpfe drehen sich in alle Himmelsrichtungen und checken offensichtlich, was so los ist. Einige Hühner heben dabei grazil einen Fuß an, als ließe es sich auf diese Weise konzentrierter lauschen. Mensch, das mach mal nach! Ich zähle sechs Hühner, drei weiße und drei schwarze mit grau gesprenkelter Mitte. Die weißen halte ich für Hennen, die schwarzen besetzen in meiner Fantasie die Rolle der Hähne. Warum die Dunklen spontan zu Gockeln werden, weiß möglicherweise mein Unterbewusstsein. 😉

Der Bodensee

So ein Hühnerleben

Die Nächte verbringen die Hühner in ihrem putzigen roten Schlafhaus. Hier sind sie beschützt und haben es miteinander geborgen und warm. Hühner wissen das zu schätzen, denn sie sind äußerst soziale Wesen. Wenn es abends zu dämmern beginnt, tippeln sie von allein über eine trittsichere Leiter in ihr Nachtquartier. Das Türchen hat eine Zeitschaltung und schließt sich automatisch. Morgens würden sie gerne mit der Dämmerung hinaus, doch mit Rücksicht auf die Feriengäste optimiert der Hausherr die Aktivierung des „Sesam-Öffne-Dich". Die Tiere bemerken das sehr wohl. Daher das oben beschriebene mahnende Gurren, dass nun höchste Zeit für den Freigang sei. Hühner sind sehr klug und können sich allen möglichen Lebenssituationen anpassen. Sie nehmen solch kleinere Einschränkungen gelassen hin. Schließlich haben sie ein Bilderbuchleben und scheinen das durchaus zu schätzen. Ich werde nach und nach weitere allzu menschliche Züge entdecken, denn ich bin angefixt, das Wesen dieses Federviehs näher kennen zu wollen. Ich fange an, es zu beobachten. Bald stelle ich mir einen bequemen Stuhl auf meinen Beobachtungsposten, den Laptop auf den Knien. Immer wieder lese ich nach, wie sie so ticken, warum sie tun, was sie tun. Der Liebste ermahnt mich besorgt, beobachtet er doch, dass ernstzunehmendes Stalking Besitz von mir ergreift.

Zwei frische Eier

Ei – da haben wir ein Ei

Von Zeit zu Zeit stolziert das eine oder andere Huhn laut gackernd durchs Gelände. Die weit unterschätzten Tiere verfügen über eine differenzierte Kommunikation. Forscher unterscheiden über dreißig Laute, die gezielt eingesetzt werden. Antäuschen und Vertuschen sind auch im Repertoire! Rivalen müssen sich warm anziehen, potenzielle Partnerinnen werden aufs Galanteste umgarnt. Das laute Gackern „Gook, gagaga gook!“ wird voller Inbrunst zelebriert. Dazwischen kurze Pausen, ein neuer Standort, erneut den Kopf in den Nacken geworfen, und wieder und wieder – jetzt haben wir es – verkünden die Tiere, dass sie ein Ei produziert haben! Die von mir vermutete Aufregung ist in Wahrheit freudige Erregung über ein gelungenes Werk. Treffend beschrieb dies einst Wilhelm Busch:

Frau Grete hatt' ein braves Huhn,
das wusste seine Pflicht zu tun.
Es kratzte hinten, pickte vorn,
fand hier ein Würmchen, da ein Korn.
Erhaschte Käfer, schnappte Fliegen
und eilte dann mit viel Vergnügen
zum stillen Nest, um hier geduldig
zu entrichten, was es schuldig.
Fast täglich tönte sein Geschrei:
»Viktoria, ein Ei, ein Ei!«

Die Hühner spazieren stundenlang im Garten herum, scharren zwischen Obststräuchern, Büschen und Stauden. Picken gerne auf der Rasenfläche hier und dort ein nahrhaftes Körnchen oder ein saftiges Lärvchen. Sie laufen mit weit ausholenden Schritten. Kraftvoll schnellt das Köpfchen nach vorne, als wolle es den Weg bereiten und den Rest vom Körper mit sich ziehen. Man sieht, dass diese Vögel nicht fürs Sitzen auf wenigen Quadratzentimetern sondern zum Bewegen konstruiert wurden. Die Füße und Krallen sind kräftig und wollen etwas zu arbeiten haben. Ich bin im Bestimmen von Hühnerrassen nicht kundig und begnüge mich damit, die Vögel „Holstein-Hühner“ zu nennen. Nach unseren Gastgebern, die auf die glorreiche Idee kamen, den Tieren im Garten ihres hochmodernen, gediegenen Apartmenthauses ein Zuhause zu schenken. Die Gäste wissen es, wie man hört, zu schätzen. Nur auf den Hahn hat man bislang verzichtet, denn dessen markerschütterndes „Kikeriki“ zur Unzeit würde möglicherweise dann doch stören.

Hühner im Freien

Gedanken zum Hühnerleben

Während ich so meinen Betrachtungen anstelle und meinen Gedanken nachhänge, beginne ich zu zweifeln, ob ich je wieder ein Huhn verspeisen kann! Eines von den Holstein-Hühnern nie und nimmer! Das käme auch nicht in Betracht, denn sie sind nicht dazu bestimmt, einst im Bräter zu landen. Haben sie ihr letztes Ei gelegt, verbringen sie ihren Lebensabend mit Müßiggang. Eines Tages ziehen sie sich unter einen Busch zurück, und das war es dann! Ich nehme die Kurve zum Rezept nun rasant, man tut „es“, oder man lässt es sein. Ein Huhn kann im Topf enden. Ohne dieses letzte Kapitel allerdings, hätten die Hühner das zwar vorzeitig beendete jedoch bis dahin schöne Leben erst gar nicht gehabt, denn es hätte sie überhaupt nicht gegeben. Zum Anschauen werden sie in den seltensten Fällen gehalten! Ich verfahre wie folgt: Ich lasse „es“ immer öfter sein, was bedeutet, dass wir seltener Fleisch essen. Wenn, dann solches von bestens gehaltenen Tieren, diesmal vom Bioland-Hof. Und vor allen Dingen wird das „ganze“ Tier verwertet. Nein: Die Füße, Kämme und Mägen nicht, ich arbeite daran. 😇

Wir steuern auf Ostern zu, und zu Ehren des Feiertages tue ich „es“! Zu meinem Brunch passt ein saftig-fruchtiger Geflügelsalat mit Orangen, Fenchel, Oliven, und Miso-Mayonnaise. In diesen außergewöhnlichen Salat, der ursprünglich aus Sizilien stammt, kommt die Brust vom stattlichen Bio-Hahn aus der Bliesgau-Biosphäre. Knackiger Fenchel, Stangensellerie und leicht bitterer Friséesalat stammen auch vom Hof. Die Orangen für meine halbgetrockneten süß-sauren Orangenfilets und die faltigen Korinthen stammen vom Vesuv. Stimmt nur aus der Sichtweise des sich ergehenden Erzählers – tatsächlich kommen sie aus Marokko und Griechenland – passt aber doch wunderbar zum Plot 😳. Die nussigen Taggiasca-Oliven stammen vom Stiefel, allerdings eher aus der „Over-Knee“-Region und die goldenen Pinienkerne kommen zumindest aus dem Mittelmeerraum. Der Salat ist eine Kombination vielfältiger Aromen und Konsistenzen. Sehr frisch, leicht und fruchtig. Das berühmte „i-Tüpfelchen“ ist die vor „Umami“ strotzende Mayonnaise. Misopaste aus dem Schwarzwald veredelt sie gnadenlos. Man erlebt sein cremiges Wunder und kommt herum auf der Welt, mit diesem gewandten Teller!

  1. Hähnchenbrust sanft garen. Abkühlen lassen und in feine Scheiben schneiden.
  2. Mayonnaise kaufen oder selbst herstellen:
    1. Ein rohes und ein gekochtes Eigelb mit Dijon-Senf, Knoblauch, Salz, Pfeffer und Zucker in einen Rührbecher geben.
    2. Pastös aufmixen.
    3. Nach und nach Sonnenblumenöl dazu geben.
    4. Schmand und Zitronensaft hinzu geben.
  3. Mit Knoblauch, Zitronenabrieb und Misopaste würzen.
  4. Hähnchenbrust mit mazerierten Zwiebeln, abgetropften Korinthen, Sellerie, Fenchel, Fenchelsamen, Zitronenabrieb, Zitronensaft, der Hälfte der Mayonnaise, Joghurt, Chilisalz, Zucker und Pfeffer vermengen und ziehen lassen.
  5. Vor dem Servieren Salatblättchen, Sellerieblätter, Schnittlauch und Pinienkerne unterheben.

Die Hähnchenbrust entweder in leise siedender Brühe pochieren oder Sous-Vide bei 58 °C ca. 1:45 Stunde sanft garen. Abkühlen lassen und in feine Scheiben schneiden.

Die Mayonnaise kauft man sich entweder von guter Qualität (z. B. „Maille“) und veredelt sie noch mit Knoblauch, Zitronenabrieb und Misopaste. Oder man stellt sie selbst her. Dazu gibt man ein rohes und ein gekochtes Eigelb, 1 TL Dijon-Senf, Knoblauch, Salz, Pfeffer und etwas Zucker in einen Rührbecher. Mixt das Ganze pastös auf und lässt nach und nach ca. 1 Tasse Sonnenblumenöl dazu laufen, bis die Mayonnaise von der Konsistenz so dick ist, wie man sie haben möchte. Nun kommen noch 1 oder 2 EL Schmand hinzu, und man würzt mit der Miso-Paste, Zitronenschale und gegebenenfalls etwas Zitronensaft ab. Schnell hergestellt und so köstlich!

Die Hähnchenbrust mit den mazerierten Zwiebeln (sie sind besonders mild), abgetropften Korinthen, Sellerie, Fenchel, Fenchelsamen, Zitronenabrieb, Zitronensaft, der Hälfte der Mayonnaise, dem Joghurt, Chilisalz, Zucker und Pfeffer vermengen und mindestens 30 Minuten ziehen lassen. Die restliche Mayonnaise in einen kleinen Spritzbeutel oder eine Gefriertüte füllen und kalt stellen. Vor dem Servieren die Salatblättchen, die Sellerieblätter, den Schnittlauch und die Pinienkerne unterheben. Anrichten und die Mayonnaise in kleinen Tupfen aufspritzen. Dazu passt Baguette oder lauwarmes Brioche.

(Zutaten für 6 Portionen)

Menge Zutat

2 bis 3 (ca. 600 g)

Hähnchenbrüste (sanft gegart, durchgekühlt, in feine Scheiben geschnitten)

1 Hand voll

Korinthen (in heißem Wasser eingeweicht)

2

Schalotten (fein gehackt, 15 Minuten in Essig eingelegt, s. u.)

4 EL

milder Weißweinessig (z. B. Condimento bianco)

200 g

Mayonnaise (beste Qualität oder selbst gemacht)

2 EL

Joghurt

1 bis 2 TL

helle Misopaste (z. B. von „Schwarzwaldmiso“ oder „Arche“)

1 Zehe

junger Knoblauch (grob gehackt)

1

Bio-Zitrone

1 Bund

Schnittlauch (in feinen Röllchen)

1 Hand voll

Pinienkerne (geröstet)

2 Stangen

Staudensellerie (entfädelt, fein gewürfelt)

1 Hand voll

helle Blättchen vom Sellerie

½ mittelgroße

Fenchelknolle (geviertelt, sehr fein gehobelt)

1 bis 2 TL

Fenchelsamen (leicht angeröstet, gemörsert)

1 Hand voll

Blättchen Friséesalat (fein gezupft)

 

Chilisalz, Zucker, Pfeffer

Diese Seite wurde zuletzt am 19.11.2019 um 20:38 Uhr aktualisiert.

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