Karree vom Landschwein mit Schneebällchen und Französischen Erbsen

Karree vom Landschwein mit Schneebällchen und französischen Erbsen

7. Oktober 2019

Wir waren essen. Ein Reinfall. Das Essen war enttäuschend, der Service unaufmerksam. Und das in einem ambitioniert gestarteten Vier-Sterne-Hotel, das verspricht, es werde mit „Liebe und Hingabe“ gekocht, „Alles regional und frisch.“ In niveauvollem Ambiente dürfe sich der Gast sich als König fühlen. Mit „traumhaften Speisen“ und „herausragendem Service“ werde er verwöhnt. Ein Versprechen der Superlative, von dessen Einlösung Küche und Service Lichtjahre entfernt sind!

Das neue Wellness-Hotel ist optisch ansprechend und liegt idyllisch im Wald an einem kleinen Weiher. Ein Konzept, das aufgehen könnte, wenn auch die Kulinarik stimmte. Die Bezeichnung „Seehotel“ zeigt allerdings ein übermäßiges Streben nach Höherem, das an Übertreibung grenzt. Und genau diese Übertreibung, die sich durch das Konzept zieht, wie ein roter Faden, ist die Krux! Küche und Service mögen zwar streben, aber nach oben kommen sie in der derzeitigen Form sicherlich nicht. „Hingabe“ am Herd benötigt als Fundament zunächst einmal gutes Handwerk. Die in schwindelnde Höhe gelegte Latte wirkt in Relation zur abgelieferten Leistung, als wollten Fußlahme den Mount Everest bezwingen! Der Restaurantbesuch war ein einziges Desaster.

Uferböschung

„Ich bin gleich bei Ihnen“

Nach einer gefühlten Ewigkeit hielten wir endlich die Speisekarte in Händen. Dann dauerte es nochmal eine ganze Weile, bis die Getränke kamen. „Ich bin gleich bei Ihnen“ war das Wort der Stunde, wenn denn mal ein Kellner am Tisch vorbei segelte! Grauburgunder und Primitivo waren von rechtschaffener Qualität, allerdings gnadenlos überteuert. Ebenso das Wasser. Obwohl sich das Haus der Regionalität verschrieben hat, kommt das aus dem Schwarzwald! Wie lange würden wir nun auf die Bestellaufnahme warten? Lange! Der Liebste orderte das Rumpsteak, das nicht heimisch, sondern argentinisch war. Ich wählte das Schnitzel Wiener Art mit lauwarmen Kartoffelsalat. Die mentale Lage zu diesem Zeitpunkt: Vorfreude noch vorhanden, Laune noch gut. Doch wir ahnten bereits, dass es mit dem Essen dauern könnte. Längst nicht alle Tische waren besetzt und ich dachte: „Was machen die denn, wenn der Laden voll ist?“ Wir hatten inzwischen einen Mordshunger, und ich war derweil vom Wein leicht trullig. An anderen Tischen wurden Brotkörbchen mit Dip aufgetragen, bei uns nicht. Vergessen! Ich bat am Tresen um Nachlieferung. Schließlich kam’s, und wir waren fürs Erste besänftigt. Das Beobachten des unorganisierten Treibens hatte durchaus einen gewissen, wenn auch traurigen, Unterhaltungswert. Fahriges Personal, dazwischen irrlichternde Gäste, die nach allem Möglichen, das nicht an den Tisch kam, fragten.

Cognitive Dissonanz

Nach fast einer Stunde tippte ich darauf, dass man unser Essen vergessen hätte. Dem Vierertisch nebenan servierte man soeben zwei Gerichte. Nach ungeduldigem Kopfwenden und der Frage, wo der Rest der Bestellung bleibe, die obligatorische Antwort: Vergessen! Wir bekamen endlich unser Essen. Mein Schnitzel wäre als Kinderportion durchgegangen. Die Panierung nicht wellig, nicht knusprig, das extrem dünn plattierte Fleisch trocken. Das Schwein war zweimal gestorben! Und in der Tat, keinen Kalauer ließ man hier aus: Selbst der Trick zweifelhafter Köche, die angekokelte Seite vom Schnitzel nach unten zu drehen, wurde prompt praktiziert! Der Kartoffelsalat war fade und kalt, statt lauwarm. Das Steak war nicht medium, sondern durchgebraten, aber immerhin noch gut essbar. Die Bratkartoffeln samt Speckwürfelchen waren blass und ohne erkennbare Bratspuren. Der Beilagensalat: vergessen! Das merkten wir jedoch erst, als wir die Misere zuhause Revue passieren ließen und nochmals in die Karte geschaut hatten. Egal, wahrscheinlich hätten wir ohnehin nicht mehr die Kraft für eine weitere Wartezeit aufgebracht! Wie auch nicht fürs Dessert. Das Vertrauen in die Küche war dahin.

Wasserspiegelung

„Ich bin gleich bei Ihnen“

Ein Espresso, „da kann man nicht viel falsch machen“, dachten wir. Inzwischen war nur noch eine der beiden Servicekräfte zu sehen. Ich bestellte den Kaffee bei einer scheuen, jedoch beflissenen Azubine: „Ich gebe es weiter.“ Sie entschwand Richtung Küche. Nach gefühlten weiteren zehn Minuten kam sie in anderer Mission am Tisch vorbei, hielt kurz inne und fragte: „War schon jemand bei Ihnen?“ „Nein, noch nicht.“ „Ich geh mal schauen!“. Unsere Serviererin von vorher sah ich hinter der Theke am Ende des Gastraums mit einem weißen Plastikeimer und einem blauen Putztuch hantieren. „Die putzt doch jetzt nicht etwa die Kaffeemaschine!?“ Doch genau das tat sie. Die Kleine kam zurück: „Die Kaffeemaschine ist ausgefallen.“ Also keinen Kaffee! Bis zu dieser Information hatte es wieder eine Ewigkeit gedauert. „Bitte zahlen!“ Die Rechnung kam prompt. Allerdings niemand zum Abkassieren. Nochmal zehn Minuten. Wir hatten die Faxen dick! Also zahlten wir tollkühn auf „französisch“ und legten das Geld einfach auf den Tisch. Mittlerweile war mein Blutdruck auch ohne Koffein auf Touren! Ich war zu diesem Zeitpunkt über den Zustand der Verärgerung hinaus und stellte mir Fragen über Fragen. „Was soll das?“, „Was denken die sich?“, „Wo ist der Chef?“. Mein Optimierungsfimmel war in vollem Gange: „Mann, ist hier der Wurm drin!“

Im Ranking-Keller

Auf Bewertungsforen fanden wir Erschütterndes, auch über Hotel und Spa-Bereich. Zahlreiche Gäste waren gnadenlos enttäuscht und vergaben mangelhafte Noten. Ein Gast schrieb, lediglich aus Höflichkeit habe er kein „Ungenügend“ vergeben. Statt Empfehlung: „Lebt wohl, uns seht ihr nicht mehr wieder.“ Solche Enttäuschungen verzeihen Gäste nicht. Und sie behalten die Erfahrung nicht für sich. Das kann für eine noch neue Gastronomie ruinös sein. Mit ehrlichem Bedauern und ratlosem Staunen las ich auf der Home-Page, der Hausherr habe sich mit dem Hotel seinen Lebenstraum erfüllt. Setzt man da nicht alles dran, dass der Laden läuft? Hat zu Anfang etwa Selbstüberschätzung oder Unerfahrenheit in die Bredouille geführt, kamen offensichtlich Uneinsichtigkeit und Unfähigkeit zur Selbsthilfe hinzu. Eine fatale Gemengelage! Lieber Gott, lass ein Wunder geschehen, sonst ist das Schicksal des Hauses besiegelt. Aus der Traum!

Schweine-Karree

Mein wunderbares Sonntagsessen

Ich lebe meinen Traum und verspreche ein traumhaftes Sonntagsessen. Es erscheint mir sinnvoller, meine Zeit in meiner Küche zu verbringen, als sie in einem schlechten Lokal zu vertrödeln. Außerdem liegt der Preis für beste Zutaten deutlich unter dem Betrag, den wir kopfschüttelnd in dem unglückseligen Etablissement bezahlt haben. Und das Wichtigste: Das schwäbisch-hällische Schwein, das mir zwei seiner wunderbaren Rippen geschenkt hat, ist nicht umsonst gestorben. Ich habe mich verneigt und die Karrees mit Respekt behandelt. Sous-vide sanft gegart und dann kurz gegrillt wurden sie saftig und zart. Der Schalottenjus gibt dem aromatischen Fleisch noch mehr Tiefgang. Die cremigen Französischen Erbsen mit Kopfsalat bringen Frische und die Schneebällchen mit dem schmelzigen Käse im Inneren sind samtige Gaumenschmeichler. Die Morcheln bringen Wumms. Eine Sinfonie auf dem Teller! Was ist schöner, als ein eingelöstes Versprechen, das einen selber und andere Menschen glücklich macht?

Das Karree 

  1. Koteletts am Knochen lassen, salzen, ziehen lassen, vakuumieren und Sous vide garen. Ruhen lassen.
  2. Vor dem Grillen den Stiel abschneiden. Fleisch trocken tupfen. Mit Puderzucker bestäuben.
  3. Direkt auf dem Grill oder in einer Grillpfanne kurz und heiß von beiden Seiten braten. Pfeffern.

Schalotten und Jus 

  1. Schalotten in kaltem Wasser einweichen, dann schälen. Schalotten und Knoblauchzehen fein würfeln.
  2. Restliche Schalotten vierteln. Beiseitestellen.
  3. Schalotten- und Knobi-Würfelchen in Butter glasig schwitzen, mit Tomatenmark und Zucker karamellisieren.
  4. Mit Portwein ablöschen, kurz einreduzieren. Fond angießen, Balsamico dazugeben und einreduzieren. Hitze herunterstellen.
  5. Geviertelte Schalotten dazugeben und simmern lassen, bis sie weich sind. Mit Schaumkelle entnehmen.
  6. Sauce nochmals reduzieren. Durch ein Sieb geben, binden, kalte Butter untermontieren und Schalotten wieder einlegen. Abschmecken. Warm stellen.

Die Schneebällchen

  1. Kartoffeln in Schale garen, ausdampfen lassen. Pellen und zweimal durchdrücken.
  2. Mit Kartoffelmehl, Semmelbrösel, Muskat, Salz und Pfeffer vermengen.
  3. Teigportionen flachdrücken und mit Käse befüllen. Kanten zusammendrücken und Kugeln rollen.
  4. In köchelndes Wasser geben. Nach dem Aufsteigen ziehen lassen, damit der Käse im Inneren cremig zerläuft. Im Backofen warm halten.
  5. Semmelbrösel in Butter rösten. Vor dem Servieren etwas über die Klößchen träufeln.

Die Französischen Erbsen 

  1. Erbsen blanchieren und kalt abschrecken.
  2. Schalotten fein schneiden, Knoblauch fein hacken.
  3. Butter aufschäumen, Schalotten und Knoblauch ohne Farbe anschwitzen.
  4. Mehl hineinstäuben, mit Schneebesen verrühren und warten, bis es golden wird.
  5. Mit Brühe und Wermut ablöschen, glatt rühren, kurz einkochen lassen.
  6. Milch und Lorbeerblätter dazugeben, köcheln lassen, bis die Sauce dicklich wird. Beiseite ziehen, Lorbeerblätter herausfischen, mit Zitronensaft, Chilisalz, Zucker und Pfeffer abschmecken.
  7. Vor dem Servieren Erbsen dazugeben und warmhalten.
  8. Kopfsalatblätter in grobe Streifen schneiden. Kerbelblättchen abzupfen. Unmittelbar vor dem Servieren Salat und Kerbel unter die Erbsen heben. Mit Kerbelblättchen garnieren.

Die Morcheln 

  1. Morcheln halbieren und säubern, trocken tupfen und in Butter anschwitzen. Salzen, pfeffern.

Das Karree 

Die Koteletts am Knochen lassen, salzen, 30 Minuten ziehen lassen, vakuumieren und bei 62 °C 50 Minuten Sous vide garen. Aus dem Wasserbad nehmen und mindestens zehn Minuten ruhen lassen. Vor dem Grillen den Stiel abschneiden. Fleisch trocken tupfen. Mit etwas Puderzucker bestäuben. Direkt auf dem Grill oder in einer Grillpfanne kurz und heiß von beiden Seiten braten, damit schöne Röstaromen entstehen können. Pfeffern.

Tipp: Wer keinen Sous-vide-Stab besitzt, gart die Koteletts im Backofen bei 80 °C, bis sie eine Kerntemperatur von 57 °C erreicht haben. Das braucht seine Zeit! Man spricht von „Rückwärtsgaren“. Der Fleischsaft kann sich sammeln, und das Kotelett wird wunderbar saftig. Anschließend kurz grillen.

Schalotten und Jus 

Zwei Hand voll Schalotten 1 Stunde in kaltem Wasser einweichen, so lassen sie sich besser schälen. 3 Schalotten und die Knoblauchzehen fein würfeln. Restliche Schalotten vierteln, dabei darauf achten, dass der Ansatz dran bleibt, damit sie nicht komplett auseinanderfallen. Beiseitestellen. Die Schalotten- und Knobi-Würfelchen in 1 EL Butter glasig schwitzen, mit Tomatenmark und Zucker karamellisieren. Mit dem Portwein ablöschen, kurz einreduzieren. Fond angießen, Balsamico dazugeben und um ein Drittel einreduzieren. Hitze herunterstellen. Geviertelte Schalotten dazugeben und simmern lassen, bis sie schön weich sind. Mit Schaumkelle entnehmen und die Sauce nochmals mindestens um die Hälfte reduzieren. Durch ein Sieb geben, mit Stärke binden, kalte Butter unter montieren und die Schalotten wieder einlegen. Abschmecken. Warm stellen.

Die Schneebällchen

Kartoffeln in der Schale garen, danach gut ausdampfen lassen. Pellen und noch warm zweimal durch die Kartoffelpresse drücken. Mit Kartoffelmehl, 2 EL Semmelbrösel, Muskat, Salz und Pfeffer zügig und locker vermengen. Nicht zu fest und zu lange kneten, sonst wird der Teig klebrig. Damit die Bällchen gleichmäßig groß werden, Teig in Portionen zu 70 g abwiegen. Teig auf der Hand flachdrücken und mit Käse befüllen. Kanten zusammendrücken und mit nassen Händen makellose Kugeln rollen. In gut gesalzenes, köchelndes Wasser geben, das Wasser darf nun nur noch sieden. Nach dem Aufsteigen die Klößchen noch 5 bis 10 Minuten ziehen lassen, damit der Käse im Inneren cremig zerläuft. Auf einen Teller geben und bei 80 °C im Backofen warm halten. 2 EL Semmelbrösel in der Butter golden rösten und vor dem Servieren jeweils etwas davon über die Klößchen träufeln.

Die Französischen Erbsen 

Erbsen blanchieren und kalt abschrecken. Schalotten fein schneiden, Knoblauch fein hacken. Butter in einer Kasserolle aufschäumen, Schalotten und Knoblauch ohne Farbe anschwitzen, Mehl hineinstäuben, mit einem Schneebesen verrühren und warten, bis es golden wird und zu duften beginnt. Beiseite ziehen, mit Brühe und Wermut ablöschen, mit dem Schneebesen glatt rühren, kurz einkochen lassen. Milch und Lorbeerblätter dazugeben, köcheln lassen, bis die Sauce dicklich wird. Beiseite ziehen, Lorbeerblätter herausfischen, mit Zitronensaft, Chilisalz, einer Prise Zucker und Pfeffer abschmecken. Zehn Minuten vor dem Servieren die Erbsen dazugeben und warmhalten. Eine Hand voll Kopfsalatblätter in grobe Streifen schneiden. Kerbelblättchen abzupfen. Unmittelbar vor dem Servieren Salat und Kerbel unter die cremigen Erbsen heben. Mit Kerbelblättchen garnieren.

Die Morcheln 

Die frischen Morcheln halbieren und säubern, trocken tupfen und in Butter anschwitzen. Sie dürfen ruhig Röstaromen bekommen, und die Butter darf leicht bräunen. Salzen, pfeffern.

(Zutaten für 2 Personen)

Das Karree

Menge Zutat

2 kleine

Koteletts vom Landschwein (mit Knochen)

2

Knoblauchzehen

Einige Stiele

Kräuter (z. B. Rosmarin und Thymian)

 

Salz, Pfeffer

Etwas

Butterschmalz (für die Grillpfanne)

Die Schalotten und der Jus

Menge Zutat

2 Hand voll

Schalotten

2 Zehen

Knoblauch

1 EL

Butter

1 TL

Zucker

1 TL

Tomatenmark

60 cl

roter Portwein

200 ml

Rinderfond (ersatzweise Pilzfond)

Einige

Kräuterzweige (z. B. Thymian und Rosmarin)

2

frische Lorbeerblätter

4 cl

Aceto Balsamico

1 TL

Stärke (in Wasser aufgelöst)

2 bis 3 EL

kalte Butter

 

Salz, Pfeffer

Die Schneebällchen

Menge Zutat

4 mittelgroße

Kartoffeln (mehlig kochend)

1 bis 2 EL

Kartoffelstärke

4 EL

feinste Semmelbrösel

 

Salz, Pfeffer, Muskat

1 Hand voll

Käsestückchen (z. B. Affiné Trüffel oder Comté)

2 EL

Butter

Die Französischen Erbsen

Menge Zutat

2 Hand voll

Erbsen (vorzugsweise frisch gepult)

1 kleiner

grüner Kopfsalat

2

Schalotten

1

Knoblauchzehe

2 EL

Butter

1 EL

Mehl

½ Tasse

Geflügelfond (oder Gemüsebrühe)

6 bis 8 cl

Noilly Prat

½ Tasse

Milch

2

frische Lorbeerblätter

1 EL

Crème fraîche

1

Bio-Zitrone

Einige Stiele

Kerbel

 

Chilisalz, Pfeffer, Zucker

Die Morcheln

Menge Zutat

1 Hand voll

frische Morcheln (ersatzweise getrocknete Morcheln oder andere frische Waldpilze)

2 EL

Butter

 

Salz, Pfeffer

Diese Seite wurde zuletzt am 19.11.2019 um 14:21 Uhr aktualisiert.

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