Hirsepuffer

Hirsepuffer

2. Februar 2019

„Vom Unbehagen an der Gegenwart ausgelöste, von unbestimmter Sehnsucht erfüllte Gestimmtheit, die sich in der Rückwendung zu einer vergangenen, in der Vorstellung verklärten Zeit äußert, die man wiederbelebt.“ So in etwa erklärt der Duden „Nostalgie“. Ich krame heute tief in meiner Erinnerung und mache einen Einkaufsbummel im Dorf meiner Kindheit. In einer Zeit, als es noch keine Discounterschwemme gab, und man seine Besorgungen fußläufig machte. So von Nostalgie durchdrungen treibt es mich in die Küche, wo ich riesige Stapel von Hirsepuffern zubereite. Das wärmt die Seele und gibt Power in der dunklen Jahreszeit!

Einschub: „Wie‘s mal war, kann‘s nicht mehr werden. Aber anders gut: Ein Dorf kämpft sich zurück ins Leben.“

Geschäftig eilen sie mit Körben und Netztaschen die Dorfstraße entlang. In Lädchen mit kunterbunten Auslagen kaufen sie ein. Ein launiges Schwätzchen über die Theke, kleine Plaudereien unterwegs, beschwingtes Winken nach gegenüber. Zuerst geht’s zum Bäcker, denn sind die knusprigen Milchbrötchen vergriffen, ist der Start in den Tag verpatzt. Der Metzger wurstet in vierter Generation noch selber und bietet vom Saftschinken bis zur zart geräucherten Leberwurst Meisterliches an. Wegen der „Hausmacher“ kommen sie von weit her. Der Gemischtwarenladen hält vor, was man sonst noch so braucht. Von Waschpulver und Zahnpasta bis zu Orangen und Kopfsalat und von Hansaplast bis Toilettenpapier. Bis hierhin ein Dorfbild, über das sich schwerlich klagen ließe, redeten wir über die Gegenwart.

Vielfalt im Kleinen

Diese Beschreibung ist nicht frei erfunden, vielmehr ist sie aus der Erinnerung einiger Bewohner des Dörfchens Nussbach auferstanden. Jetzt, wo Aufbruchstimmung herrscht und sich die Dinge zu wenden scheinen. Die 80-jährige Ladenbesitzerin Lisbeth Tetzler, Witwe des famosen Milchbrötchenbäckers Arnold Tetzler, kann sich ein Leben ohne ihre Kunden nicht vorstellen. „Das hätte ich mir nicht träumen lassen, dass es einmal so kommt mit dem Dorf! Was wir alles hatten!“ Da war die Poststelle vom Roth Karl. Dort gab man ein Päckchen auf und kaufte Briefmarken. Oder holte sich am Monatsersten die Rente ab. Nebenan führten Frau und Tochter Roth einen Frisörsalon für Damen und Herren. Letztere wurden vom Roth Karl frisiert und rasiert, wenn in der Post das Türglöckchen still war. Herren mit sauberem Messerschnitt und Damen mit aufgebauschten Locken verließen den Frisör in der Gewissheit, nicht nur gepflegt sondern auch bestens informiert zu sein. Es gab zwei Reinigungen, zwei Schuster, einer davon mit Schlüsseldienst, und zwei Schreinereien. Die Ehebetten, die sich Hochzeiter dort geordert hatten, waren fürs Leben. Beim Maier Schorsch konnte man einen Ölofen oder ein Tafelservice bekommen. Aber auch einen Dosenöffner oder eine abwaschbare Tischdecke aus Wachstuch. Nebenan betrieb er die Gesenkschmiede vom Vater und die Geräusche des unbarmherzig niedersausenden Dampfhammers waren im ganzen Dorf zu hören. Zuerst eine Art Zischen „schü“ dann ein lautes „gong“. Zum Schluss ein „pff“. „Schügongpff“, „Schügongpff“ von morgens bis abends. Zwischen halb eins und drei Uhr mittags war Ruhe.

Die Tanke für Leib und Maschine

Im Laden vom Krompler Bert kauften sich die Raucher ihre Zigaretten oder lose, dicke Stumpen, Fehlfarben, und gaben ihren Tippschein ab. Geselliges Treiben herrschte im Kassenhäuschen der Tankstelle nebenan. Die gehörte auch dem Bert und der war einem Schlückchen nicht abgeneigt. Stets trug er ein Lächeln auf dem purpurroten Gesicht und lud die Kunden zum Verweilen ein. Das eine oder andere Bierchen verzischten sie miteinander, der Weg nach Hause war ja nicht weit. Und der Dorfpolizist zischte gerne mit. Es gab eine Volksbank und eine Sparkasse, wo die Kinder am Weltspartag stolz ihre Schweinchen zum Zerdeppern hintrugen und umgehend neue Schweinchen geschenkt bekamen. In zehn Wirtschaften tobte das Leben und an den Stammtischen löste man die Probleme der Welt unerschrocken mit geballter Weisheit. Im feinen Restaurant von Rudi Quirin kamen sie fast jeden Samstag von überall her um Hochzeit zu feiern und man sah Kinder stehen, die unbedingt die Braut in weiß sehen wollten.

Die Wege vom einen zum anderen Lädchen waren wahrscheinlich unterm Strich nicht länger, als die mäandernden Gänge im neuen Supermarkt. Dennoch haben es mit den Jahren immer weniger der Einwohner geschätzt, im Ort einzukaufen. Als der erste „Albrecht“ und ein „Asko“ im nahen Städtchen eröffneten, nahm die Abwärtsspirale ihren Lauf: keine Kunden, keine Läden. Die nächste Generation sah keine Perspektive und machte nicht mehr mit im Familienbetrieb. Nun musste man zum Einkaufen fahren. Und weil die Leute nicht mehr regelmäßig in die „Wirtschaft“ gingen, begann es auch dort zu schwächeln, und die Pforten wurden nach und nach geschlossen. Im Dorf ließ es sich zwar noch immer gut wohnen, die Lebensqualität allerdings hatte gelitten.

Eine zweite Chance

Posthum nun bekommt das einstige Dorfleben die Chance, vielleicht noch einmal aufzublühen. Dass sich fast alles verändert hat, wissen nur noch wenige Eingesessene und Alte. Lisbeth Tetzler ist traurig darüber, dass auch ihre zwei Schaufenster bald zugemauert werden. Zur Ruhe setzt sie sich nicht. Die Bewohner haben sich zu einer Interessengemeinschaft zusammengetan und beschlossen, einen Dorfladen zu stemmen. Da wird die „Lissi“ gebraucht. Auch Selbstgemachtes wollen sie anbieten. Und gegenseitig tauschen, was noch gut ist und nicht in den Müll gehört. Gemeinsamkeit nur beim Einkaufen zu leben, reicht ihnen aber nicht. Feiern wollen sie miteinander, reden, wissen, was die anderen so umtreibt, sich austauschen. Also planen sie eine Kneipe am Sportplatz, nicht nur für die Fußballer, und geben ihrem Dorf auch damit die Seele zurück. Sie wollen hier wohnen und leben!

Auf Vorrat

Kommen wir auf das Kochen zu sprechen, denn auch hier ist beinahe nichts unmöglich. Wenn man etwas Zeit hat, sollte man sich Vorräte anlegen. Zum Beispiel wie folgt: Man kocht sich einen riesigen Topf Goldhirse und formt sie mit gehacktem Gemüse und Emmentaler in kleine Küchlein. Dann wandern sie auf ein Backblech und verwandeln sich in duftende, goldbraune Puffer. Die friert man ein und kann sie später ohne jeden Qualitätsverlust aufbacken. Dazu gibt es einen Kräuterquark oder einen Salat und flugs steht ein anständiges Essen auf dem Tisch. Gesundes für kleines Geld, also bestens familientauglich. Und den Kleinen macht es einen Heidenspaß mitzuhelfen, mit dem Eisportionierer das Material für die Küchlein aus der Schüssel abzugreifen und es mit angefeuchteten Händen zu Bällchen zu rollen, die abschließend mit einem liebevollen Klaps plattiert werden. Dann schmecken die goldenen Taler später noch besser. In der Zwergen-Liga gehört natürlich Apfelmus dazu. Ich habe mich am Tag der Produktion für knackiges Gemüse und einen scharfen Dip entschieden.

Die Hirsepuffer

  1. Karotten und Zwiebeln  fein hacken.
  2. Halbierte Lauchstange in schmale Streifen schneiden.
  3. Hirse mit Wasser, dem Gemüse und Lorbeerblättern aufkochen. Köcheln. Salz hinzugeben.
  4. Bei kleiner Hitze quellen lassen.
  5. Hirse abkühlen.
  6. Mit Eiern, geriebenem Käse, gehackter Petersilie und Knoblauch gut vermengen.
  7. Bällchen formen, mit der Palette flach drücken und auf ein Backblech geben.
  8. Backen.

 

Die Hirsepuffer

Karotten und Zwiebeln fein hacken. Halbierte Lauchstange in schmale Streifen schneiden. Die Hirse mit der doppelten Menge Wasser, dem Gemüse und den Lorbeerblättern aufkochen und 5 Minuten köcheln. Salz hinzugeben. Bei kleiner Hitze 30 Minuten quellen lassen. Hirse abkühlen. Mit den Eiern, dem geriebenen Käse, der gehackten Petersilie und dem Knoblauch mit dem Handrührer gut vermengen. Mit dem Eisportionierer Bällchen formen, mit der Palette flach drücken und auf ein mit Backpapier ausgelegtes Backblech geben. Bei 200 °C Umluft ca. 25 Minuten backen.

Tipp: Jeweils 10 Puffer in kleine Gefriertüten geben und mit Tesa zukleben. Dann die kleinen Tüten in 2 große Gefriertüten mit Zipper geben. so kann man die Portionen ganz easy entnehmen. Die Puffer nach dem Auftauen in etwas Butter knusprig braten.

Die Hirsepuffer

(Ergibt ca. 120 Stück)

Menge Zutat

1 kg

Hirse

300 g

Karotten

1 Stange

Lauch

2

Zwiebeln

5 Zehen

Knoblauch

7 TL

Salz

3

frische Lorbeerblätter

600 g

geriebener Emmentaler

100 g

geriebener Parmesan

6

Eier

1 Bund

Petersilie

 

Würz-Variante

1 EL

Garam Masala

½ TL

Zimt

Ein walnussgroßes Stück

Ingwer

Diese Seite wurde zuletzt am 02.02.2019 um 16:39 Uhr aktualisiert.

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