Geräuchertes Kartoffel-Champignon-Gröstl
19. September 2020
In der Erinnerung eilen durchs Dorf meiner Kindheit geschäftig Menschen mit Körben und Einkaufsnetzen. Entlang der Dorfstraße sind allerlei Lädchen mit bunten Auslagen aufgereiht. Die Menschen kaufen, was sie täglich so brauchen. Nicht mehr und nicht weniger. Essen in der Mülltonne fand man damals nicht. Ein Schwätzchen über die Theke, kleine Plaudereien unterwegs. Man kennt sich, man winkt sich zu. Rasch zum Bäcker, denn sind die knusprigen Milchbrötchen vergriffen, ist der Start in den Tag verpatzt. Weil auf die Brötchen ein leckerer Belag soll, geht’s danach zum Metzger. Der wurstet in vierter Generation und bietet vom obligaten Lyoner (ja, im Saarland „der“) bis zur geräucherten „Hausmacher“ Blut- und Leberwurst Meisterliches an. Der Gemischtwarenladen hält seinerseits allerlei Nützliches vor: Waschpulver, Zahnpasta, Bohnerwachs und Hansaplast außerdem Orangen, Bananen und Kopfsalat. Den besonderen Geruch in dem winzigen Geschäftchen drei Häuser weiter, das Käse und passend für die Dimension des Henkelmanns portionierte Milch anbot, werde ich nie vergessen.
Von Ölöfen und Dosenöffnern
Der Schley Schorsch betrieb eine Gesenkschmiede und nebenan verkaufte seine Frau Ölöfen, Tafelservices oder Dosenöffner. Im Holz getäfelten Laden vom Zimmer Fred kauften sich die Raucher bei seiner Frau Mathilde ihre Zigaretten oder lose, dicke Stumpen, Fehlfarben, und gaben ihren Tippschein ab. Er wiederum betrieb eine Tankstelle, dessen Mittelpunkt das halbrunde Kassenhäuschen war, in dem stets geselliges Treiben herrschte. Der Fred war einem Schlückchen nicht abgeneigt. Weil er nicht gerne allein trank, lud er die Kunden zum Verweilen ein und „gab einen aus“. Das eine oder andere Bierchen und Stärkeres verzischten sie miteinander, denn der Weg nachhause war ja nicht weit. Und der Dorfpolizist zischte gerne mit! Überhaupt wurde in geselliger Runde gerne getrunken. In zehn Wirtschaften tobte das Leben und an den Stammtischen löste man die Probleme der Welt mit geballter Binsenweisheit. Im feinen Restaurant von Rudi Lauster kamen sie fast jeden Samstag von überall, um Hochzeit zu feiern, und man sah Kinder mit roten Wangen stehen, die auf die Braut gewartet haben.
Zum Haarlack Dorftratsch gratis
Selbst Kleidung, Kurzwaren und Schuhe gab es im Dorf. Heizöl und Kohle konnte man ordern. Zwei Gärtnereien boten Blumen und Setzlinge feil. In der Volksbank und der Sparkasse zerdepperten wir Kinder am Weltspartag unsere Schweinchen und bekamen kleine Präsente, die uns Pläsier machten. Auf der Poststelle des alten Karl gaben die Leute Päckchen auf, kauften Briefmarken, oder holten sich am Monatsersten die Rente ab. Und weil der Karl eigentlich Frisör war, schnitt er nebenan den männlichen Dorfbewohnern von jung bis alt die Haare und verpasste verlässlich allen den gleichen Fasson-Schnitt. Frau und Tochter vom Karl legten Dauerwellen, toupierten unermüdlich Türme auf die Köpfe der Damen und versprühten literweise Haarlack. Die Kundschaft verließ den Laden nicht nur gestylt, sondern bestens informiert, denn Dorftratsch gab es gratis. Wir hatten zwei Reinigungen, zwei Schuster, und zwei Schreinereien. Die Ehebetten, die sich Hochzeiter hier geordert haben, waren fürs Leben und wenn das dann zu Ende war, konnte man die Kiste für die letzte Ruhe zimmern lassen. Mit den Jahren haben immer weniger Menschen, im Ort eingekauft und nutzten die ersten Supermärkte im benachbarten Städtchen. Die Abwärtsspirale nahm ihren Lauf: keine Kunden, keine Läden. Läden und Gasthäuser schlossen. Die beiden Schaufenster von Lissi Wagner haben sie als letzte zugemauert.
Die Renaissance von „Tante Emma“
Neuerdings findet man, vor allem in abgelegenen Orten, wieder den Dorfladen. Unterschiedliche Modelle der „Läden“ sind am Start, einige bieten sogar Lieferservice an. Bei uns zum Beispiel haben wir das „Hofländle“ in dem man 24 Stunden einkaufen kann, alle Produkte regional, viele bio. Nun startet also „Emmas Enkel“ seine ersten Gehversuche und hat es sich zum Ziel gemacht, das „Tante-Emma-Konzept“ in die Städte zu tragen. Wissend, dass junge Menschen, gerade dort, oft keinen Führerschein mehr machen und dem Auto abgeschworen haben. Der erste Laden entstand in Stuttgart. Holzböden und Ziegelwände sollen einladend wirken. In den Auslagen finden sich, appetitlich drapiert Obst, Gemüse oder Backwaren. Vieles ist auch hier „regional“ und „bio“, manches stammt sogar unmittelbar aus dem Stadtviertel. Was mehr Platz benötigt und optisch nicht so attraktiv aussieht, wie Konserven oder Verpacktes, steht im angrenzenden Lager. Die Einkaufsliste schickt der Kunde entweder über eine App oder ordert die Sachen vor Ort an Terminals. Im Handumdrehen suchen Roboter alle Artikel zusammen, rasch ist mit der Karte bezahlt. Kein Hin und Her zwischen Supermarktregalen, kein Anstehen an der Kasse. Wenn der Kunde nun doch noch Lust auf einen Schwatz hat, geht er ins angeschlossene Kaffee. Während er Kaffee und Kuchen zu sich nimmt, registriert er – womöglich nur unterschwellig – die Anwesenheit von Menschen. Wenn das Konzept Recht hat, fühlt man sich in den modular angelegten Räumen wohl und kommt gerne wieder. Individualität und Unterscheidbarkeit sind Teil des Konzepts. Aber auch die Möglichkeit, in der Fläche breit gestreut Kunden einzusammeln. Bleibt zu hoffen, dass sich die prosperierenden Dorfläden und die „Enkel“ in den Städten nicht ins Gehege kommen. Sonst träte David gegen Goliath an!
Ein Edel-Gröstl mit Salat
Klingt alles in allem nicht ganz nach dem, was ich als Kind erlebte, wenn mich die Mutter zum Einkaufen schickte. Meist ging es in mehrere Lädchen und es hat gedauert. Echte Verkäuferinnen bedienten der Reihe nach und in aller Ruhe. Den Wenigsten war es damals wie heute möglich, gleichzeitig zu sprechen und zu arbeiten. Entschädigt für die Fadheit der Besorgungen hat mich jedoch, was die Mutter aus den Dingen gekocht hat. Handfestes Essen konnte mich von jeher begeistern. Ein Gericht, das unbedingt in Mutters Küche gehörte, war „Geröschdes“, Geröstetes, im Alpenraum „Gröstl“ genannt. Resteverwertung, bei der meist Kartoffeln, Zwiebeln und Gemüse in die Pfanne wanderten. Gelegentlich auch übrig gebliebener Sonntagsbraten. Für sehr Hungrige gab es obendrauf ein Spiegelei. In meinem Edel-Gröstl nimmt unter knusprigen Kartoffeln und geschmorten Pilzen Münsterkäse Platz, der dort in wohliger Wärme cremig schmilzt. Dazu gibt es gebratenen Salat und herrlich fluffigen Paprika-Espuma. Ein wenig Nebel aus dem Räucherpfeifchen hat dem Gericht den letzten Schliff verliehen. Tante Emma hätte wohl nicht schlecht gestaunt!
Der Espuma
- Paprika grillen, bis er Blasen bekommt. Mit feuchtem Tuch bedecken. Haut abziehen.
- Kartoffel und Knoblauch pellen, grob zerkleinern.
- Paprika, Kartoffel, Sahne, Zitronenabrieb, Salz, Pfeffer, Honig, Rauchpaprika und Tabasco fein mixen. Eventuell durch ein Sieb streichen.
- In den Espuma-Behälter füllen, aufschäumen, kalt stellen.
Das Gröstl
- Zwiebel pellen, in Segmente oder Würfel schneiden.
- Champignons in Segmente oder Scheiben schneiden.
- Kartoffeln pellen, in Spalten schneiden.
- Alles nacheinander im Butterschmalz anrösten, bis es Farbe nimmt.
- Salatherzen anbraten.
- Zutaten zurück in die Pfanne geben.
- Salatdressing rühren, Salatblättchen verlesen.
- Münster zerzupfen.
- Anrichten und mit Dressing beträufeln.
Der Espuma
Für den Espuma die Paprika in Segmente schneiden und unter den Grill legen, bis die Haut schwarze Blasen wirft. Herausnehmen, mit einem feuchten Küchentuch bedecken, abkühlen lassen. Haut abziehen. Kartoffel und Knoblauch pellen, grob zerkleinern. Paprika und Kartoffel mit der Sahne in einen Mixbecher füllen, mit Zitronenabrieb, Salz Pfeffer, Honig, Rauchpaprika und einem Schuss Tabasco fein mixen. Wenn es besonders edel werden soll, durch ein Sieb passieren. In die Espuma-Flasche füllen. Je nach der gewünschten Konsistenz mit ein oder zwei Sahnekapseln aufschäumen, kalt stellen. Zum Servieren auf Zimmertemperatur temperieren und vor dem Sprühen den Behälter kräftig schütteln, dabei die Spritztülle nach unten halten.
Das Gröstl
Die Kartoffeln pellen und in Spalten schneiden. Champignons putzen, in Scheiben oder Spalten schneiden. Zwiebel in Segmente, halbe Ringe oder Würfel schneiden. Zuerst Zwiebeln in Butterschmalz anbraten, bis schöne Röstspuren entstanden sind, aus der Pfanne nehmen. Ebenso mit Pilzen und danach mit Kartoffeln verfahren. Römersalat in Segmente schneiden und anbraten. Alles zurück in die Pfanne geben. Den Käse zerzupfen. Restlichen Salat verlesen, aus Essig, Öl, Senf, Honig, Salz und Pfeffer ein Dressing rühren. Den Käse auf vorgewärmten Tellern verteilen und das Gröstl darauf anrichten, mit Kräuterblättchen ausgarnieren, einige Kleckse Paprikaschaum aufsprühen.
(Zutaten für 2 Portionen)
Menge | Zutat |
---|---|
|
Das Gröstl |
6 mitteldicke |
Kartoffeln (am Vortag in der Schale gekocht) |
2 Hand voll |
Champignons (eventuell zusätzlich Buchenpilze) |
2 mittelgroße |
weiße Zwiebeln |
2 EL |
Butterschmalz |
100 g |
Münsterkäse (oder anderer würziger Weichkäse) |
1 |
Römersalat-Herz |
Einige Blättchen |
Frisée-Salat (ersatzweise Endivien) |
Einige |
Kräuterblättchen (z. B. Kerbel) |
2 EL |
milder Fruchtessig |
2 EL |
Sonnenblumenöl |
2 TL |
Dijonsenf |
|
Salz, Pfeffer, Honig |
|
Der Espuma |
2 |
rote Paprika |
1 mittelgroße |
Kartoffel (in der Schale gekocht, vom Vortag) |
½ Zehe |
Knoblauch |
1 |
Bio-Zitrone |
1 kleiner Becher |
Sahne |
|
Tabasco, Salz, Pfeffer, Honig, Rauchpaprika |