Fleischbällchen mit Tomaten-Zwetschgen-Sugo und Taboulé

Fleischbällchen mit Tomaten-Zwetschgen-Sugo und Taboulé

26. September 2019

In Berlin heißen sie „Buletten“, in Frankreich „Boulettes“. Griechen lieben ihre „Keftedakia“, Schweden „Kötbullar“, die Russen „Kotlety“ und in der Türkei schätzt man „Köfte“. Hackfleischbällchen, größer oder kleiner, kugelrund, plattiert oder länglich geformt. Ich behaupte aus dem Bauch heraus, dass es keinen Fleck auf der Erdkarte gibt, in den man nicht ein Hackbällchen-Fähnchen spießen könnte. Tomatensauce steht dieser Omnipräsenz in nichts nach! Ich platziere mein Fähnchen heute in „Bella Italia“ und erschaffe „Polpetti con sugo di pomodoro“, die ein laut klatschendes „Il cinque!“ verdient haben.

Über Hackbällchen ist längst nicht alles gesagt. Denn bis heute geistert ein weit verbreiteter Irrglaube durch die Küchen. Je weniger Brot man in die Hackmasse einarbeite, desto wertiger würden die Frikadellchen. Das kann eine Haltung von „Pattie-Puristen“ sein. Oder ein überfälliges Ressentiment aus schlechten Zeiten, wo man mit Brot „strecken“ musste. Heute müssen wir nicht mehr strecken, sparen jedoch mit zwanghaftem Eifer Kohlehydrate. Und genau das ist möglicherweise der Grund, dass wir an Brot in der Boulette sparen. Was jedoch aus kulinarischer Sicht verkehrt ist, denn das Brot macht die Klopse fluffig und anschmiegsam. Von Alexander Herrmann habe ich vor Jahren gelernt: Die Beigabe von mindestens einem drittel Brot, eher mehr, ist der Sache förderlich! Ich habe das nicht glauben wollen, aber es stimmt. Meister Herrmann empfiehlt sogar, statt Weißbrot einmal ein kräftiges, dunkles Brot herzunehmen. Ich bin erneut vertrauensvoll seinem Rat gefolgt und das Ergebnis war köstlich!

Ungleichung: Sugo ist nicht gleich Sugo

Nun könnte man denken, über Sugo sei alles gesagt. Ich behaupte: Sugo ist nicht gleich Sugo! Die einfachen Speisen müssen gut gekocht sein und das Ergebnis hängt von der Qualität der Grundprodukte ab. Für den Sugo bedeutet das: Es kommt auf die Tomaten an! Wenn eine Tomate in der richtigen Erde unter blauem Himmel mit viel Sonne aufwächst und zum richtigen Zeitpunkt reif geerntet wird, ist sie ein Gedicht. In den letzten Jahren hat sich in puncto aromatische Tomaten viel zum Positiven gewendet. Im Sommer also braucht man nicht notgedrungen in die Ferne zu schweifen. Und der gewiefte Kleingärtner hat für die dunkle Jahreszeit vorgesorgt und sich sein Sugo eingeweckt. Wir anderen müssen auf Konserven zurückgreifen. Und der rote Qualitätsfaden zieht sich durch: Konserve ist nicht gleich Konserve!

San Marzano Tomaten

Eine Dosis Tomaten

Einzigartige Tomaten wachsen von Juni bis Oktober in Kampanien am Fuß des Vesuvs. Frisch geerntet wandern sie in die Dose und der aromatische, fruchtige Geschmack von „Tomate pur“ wird konserviert. Die Herkunft dieser dunkelroten „San-Marzano-Tomaten“ ist geschützt. Sie werden vorsichtig von Hand geerntet, ein Aufwand, den Produzenten zunehmend gescheut hatten. Sie wären, in Zeiten, in denen alles schnell gehen muss und wirtschaftlich sein soll, beinahe ausgestorben. Gewissermaßen wegrationalisiert. Gottlob hat „Slow-Food“ das Ruder herumgerissen und inzwischen sind die roten Wonneproppen kulinarische Stars! Die heiß begehrten „Pomodoros“ haben allerdings ihren Preis. Man zahlt mindestens zwei Euro für die Vierhundert-Gramm-Dose, hat dann aber ein sensationelles Produkt in den Händen!

Sugo „Delizioso“

Die Steigerung eines guten Tomaten-Sugo ist mein Sugo „Delizioso“ mit halbgetrockneten Romatomaten und Zwetschgen. Der Entzug eines Teils des Wassers durch sanftes Trocknen bei niedriger Temperatur steigert das Aroma diverser Früchte um ein Vielfaches und macht sie zu Aromen-Boostern. Logisch ist die zugrunde liegende Erkenntnis, dass das Fruchtfleisch durch den Entzug von Wasser intensiver schmeckt. Jedoch auch die leicht veränderte Konsistenz ist bestechend. Die Früchte sind immer noch saftig, und obwohl sie nicht „gegart“ wurden, schmecken sie nicht mehr roh, sondern irgendwie samtig. Der virtuose Effekt ist nicht wirklich gut zu beschreiben, deshalb empfehle ich den dringenden Vollzug dieser meisterhaften Veredelung! Halbgetrocknete Tomaten verleihen zum Beispiel auch einer Gazpacho besondere Tiefe. Sie sind wahre Zauberkünstler. Treffen sie in dem kalten Süppchen auf Himbeeren, ist die Begeisterung garantiert.

Tomaten und Zwetschgen

Ob halbgetrocknet oder frisch, sind Tomaten und Obst füreinander geschaffen, weil beide von Haus aus eine gewisse Süße und Säure mitbringen, die sich perfekt vereinen. Zu Tomaten kann man je nach Jahreszeit auch Erdbeeren, Aprikosen oder Pfirsiche kombinieren. Dazu empfehle ich mein Rezept für einen extravaganten Tomatensalat mit Miso-Dressing. Das „sanfte Trocknen“ funktioniert bei Früchten, die viel, aber nicht zu viel Feuchtigkeit mitbringen. So veredelt es perfekt Orangen- oder Grapefruitfilets für Salate oder Desserts. Mit Melonen dagegen klappt es nicht, denn die bestehen zu über 95 Prozent aus Wasser. Wenn Zwetschgen ins Spiel kommen, müssen es die echten, gelbfleischigen Zwetschgen sein, weil sie deutlich trockener sind als die kleineren, rotfleischigen Pflaumen.

Tomaten

Mio Sugo fantastico!

Meinen Sugo toppe ich mit Taggiasca-Oliven aus Ligurien. Auch wieder so ein Hammerprodukt aus Italien. Für mich sind sie die besten Oliven, die ich je gegessen habe. Und dazu kommen noch ein paar goldene Pinienkerne, von denen ich mir sehr gerne vorstelle, dass es waschechte „Pinoli“ sind, die auch aus „Bella Italia“ kommen. Vom Schaft bis zur Spitze steckt dieser überdimensionale Stiefel („sovradimensionato“) voller rassiger („focoso“) Köstlichkeiten! Beinahe hätte ich den „Pesto Genovese“ unterschlagen, der meine „Polpette“ mit „Salsa di pomodoro con prugna“ zu einem unfassbar beglückenden Vergnügen („piacere“) machen. Während man sie genießt und schwelgt, macht man die Augen zu und träumt sich in den Urlaub nach Italien. Träumt „un sogno magnifico“, einen großartigen Traum und erlebt einen großen Spaß „Una grande divertimento“. Ich verneige mich und danke voller Zuneigung „Con affezione!“ Erraten: Ich laboriere gerade etwas an meinem bescheidenen Italienisch herum. Für „la prossima Vacanza“! „Sono contenta, sono felice“, ich freue mich!

Die Fleischbällchen

  1. Brötchen von Rinde befreien, zerkleinern und in Milch einweichen. Dann gut ausdrücken.
  2. Alle Zutaten miteinander vermengen. Ausgiebig kneten.
  3. Kleine Bällchen formen. In Olivenöl goldbraun anbraten. Rosmarin- und Thymianzweige, einige Scheiben Ingwer und Knoblauch dazu geben.
  4. Gegen Ende der Bratzeit Bällchen mit Butter überglänzen.

Der Taboulé

Hier ein Grundrezept für den Bulgursalat.

Der Sugo

  1. Zwiebel und Knoblauchzehen fein würfeln. In Olivenöl glasig anschwitzen, mit Tomatenmark und Zucker leicht karamellisieren.
  2. Mit Wein ablöschen, kurz einreduzieren. Brühe und alle anderen Zutaten hinzugeben und würzen.
  3. Zitronenschale, Lorbeerblätter und Ingwerscheiben auf einen Zahnstocher spießen.
  4. Sauce dicklich und glänzend einkochen lassen.
  5. Tomaten überbrühen, häuten, vierteln und entkernen.
  6. In einer flachen Auflaufform Olivenöl und durchgepresste Knoblauchzehe vermengen, Tomatenviertel darin wenden.
  7. Viertel nebeneinander legen und mit Salz und Zucker bestreuen.
  8. Zwetschgen entkernen, vierteln und in eine zweite Auflaufform geben.
  9. Tomaten und Zwetschgen im Backofen leicht trocknen lassen.
  10. Kräutersträußchen und Würzspießchen aus dem Sugo fischen.
  11. Sugo mixen, nach Belieben durchpassieren. Abschmecken.
  12. Kurz vorm Servieren geschnittene Basilikumblättchen und Oliven dazugeben. Mit den Pinienkernen bestreuen.

Der Pesto

  1. Basilikum und Petersilie mit Stielen grob hacken.
  2. Knoblauchzehe in Scheiben schneiden.
  3. Mit Zitronensaft- und Abrieb sowie allen anderen Zutaten mixen.

Die Fleischbällchen

Die Brötchen von der Rinde befreien, zerkleinern und in der Milch einweichen. Dann gut ausdrücken. Alle Zutaten in einer Schüssel miteinander vermengen. Dabei ist es wichtig, dass die Masse ausgiebig geknetet wird. Man bemerkt nach ca. 10 Minuten, dass sie geschmeidiger wird und sich nun alles schön verbunden hat. Kleine Bällchen von ca. 45 Gramm formen. Es soll gerade ein Mundhappen sein. Die Bällchen im Olivenöl langsam goldbraun anbraten. Ein paar Zweige Rosmarin und Thymian und einige Scheiben Ingwer und Knoblauch dazu geben Aroma. Gegen Ende die Bällchen mit der Butter überglänzen. Das gibt nochmal etwas mehr Schmackes.

Der Taboulé

Hier ein Grundrezept für den Bulgursalat.

Der Sugo

Für den Sugo die Zwiebel und zwei Knoblauchzehen fein würfeln. In 3 EL Olivenöl glasig anschwitzen und unter Hinzugabe von dem Tomatenmark und einer Prise Zucker leicht karamellisieren. Mit dem Wein ablöschen, kurz einreduzieren. Die Brühe und alle anderen Zutaten hinzugeben und würzen. Dabei die Zitronenschale, die Lorbeerblätter und die Ingwerscheiben auf einen Zahnstocher spießen. So kann man sie hinterher besser entnehmen. Die Sauce langsam dicklich und glänzend einkochen lassen.

Die Tomaten überbrühen, häuten, vierteln und entkernen. In einer flachen Auflaufform 1 EL Olivenöl mit einer durchgepressten Knoblauchzehe vermengen und die Tomatenviertel darin wenden. Die Viertel nebeneinander (!) legen und mit Salz und Zucker bestreuen. Die Pflaumen entkernen, vierteln und in eine zweite Auflaufform geben. Die Pflaumen sollten nicht zu reif sein und sind ca. 15 Minuten früher fertig als die Tomaten. Beide im Backofen bei 80 °C maximal 45 Minuten leicht trocknen lassen. Sie sollen ca. ein Drittel der Feuchtigkeit verlieren. Immer mal wieder eine Probe machen. Ein Küchenhandtuch in die Tür klemmen, damit der Dampf entweichen kann. Der Ofen darf nicht heißer als 80 °C sein, weil die Früchte ansonsten köcheln und matschig würden.

Kräutersträußchen und Würzspießchen aus dem Sugo fischen. Den Sugo mixen, damit er sämig wird. Wer ihn besonders fein möchte, passiert ihn durch ein Sieb. Nochmals abschmecken. Kurz vor dem Servieren geschnittene Basilikumblättchen und Oliven dazugeben. Mit den Pinienkernen bestreuen.

Der Pesto

Basilikum und Petersilie mit den Stielen grob hacken. Knoblauchzehe in Scheiben schneiden. In den Mixbecher geben, kräftig mit Zitronensaft- und Abrieb sowie allen anderen Zutaten mixen. Der Pesto sollte beim Servieren Zimmertemperatur haben.

Die Fleischbällchen

(ergibt ca. 16 Bällchen)

Menge Zutat

400 g

gemischtes Hackfleisch

2

Brötchen vom Vortag

1 Tasse

Milch

2 Schalotten

glasig geschwitzt

1

Ei

8 Stiele

Blattpetersilie (fein gehackt)

1 bis 2 TL

geröstete Fenchelsamen

1 bis 2 TL

gerebelter Majoran

4 EL

Semmelbrösel

2 TL

Dijon-Senf

2 EL

Ketchup

Einige Spritzer

Tabasco (nach Geschmack)

1

Bio-Zitrone (Abrieb von der Schale)

2 EL

Olivenöl

Einige

Kräuterzweige

2

Knoblauchzehen

1 daumengroßes Stück

Ingwer

2 EL

Butter

 

Salz

 

Pfeffer

Der Taboulé

Hier ein Grundrezept für den Bulgursalat.

Der Sugo

Menge Zutat

1 Dose (400 ml)

Tomaten (z. B. San Marzano-Tomaten)

6

Romatomaten

1

Zwiebel

3 Zehen

Knoblauch

2 EL

Tomatenmark

2 Stangen

Sellerie (fein gewürfelt)

2 mittelgroße

Möhren (fein gewürfelt)

Knollensellerie (fein gewürfelt)

4 EL

Olivenöl

100 ml

trockener Riesling

1 Tasse

Rinderbrühe

2 bis 3

frische Lorbeerblätter

1

Kräutersträußchen
(z. B. Rosmarin, Oregano und weitere Kräuter)

1 daumengroßes Stück

Ingwer

1

Bio-Zitrone

6 bis 8 Stiele

Basilikum

2 EL

geröstete Pinienkörner

2 EL

feinste Oliven (z. B. ligurische Taggiasca-Oliven)

 

Zucker

 

Salz

 

Pfeffer

Der Pesto

Menge Zutat

½ Bund

Basilikum

½ Bund

glatte Petersilie

80 g

Pecorino (frisch gerieben)

¼ Tasse

Sonnenblumen- oder Rapsöl

¼ Tasse

mildes Olivenöl

½ Tasse

Hühnerbrühe (oder Gemüsebrühe)

1

Bio-Zitrone

1

Knoblauchzehe

1 Hand voll

Geröstete Pinienkerne

 

Pfeffer, Salz

Diese Seite wurde zuletzt am 19.11.2019 um 14:21 Uhr aktualisiert.

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