Zander auf Rahmkraut mit Topinambur
30. Januar 2022
Im gut frequentierten „Stadtgasthaus“ musste man sich beizeiten um Tisch und gegebenenfalls im dazu gehörenden Hotel um ein Bett kümmern, sonst hatte man das Nachsehen. Bregenzer, Tagesgäste und Touristen gaben sich ein Stelldichein, und man erlebte ein gehobenes, jedoch nicht überspanntes oder gar überkandideltes Publikum. Gutgelaunte und Genussmenschen waren unter der einnehmend besänftigenden Holzvertäfelung versammelt und durften auf hohem Niveau genießen. Alltag und Stadtleben blieben draußen. Es war, als stehe die Zeit still und nichts könne einem in diesen traditionsreichen „heiligen Stuben“ stören. Einkaufstüten bekannter Marken an einigen der Tische erinnerten an die Gegenwart.
Trost und Hoffnung mit Grammatik
Wir hatten wunderschöne, besinnliche Aufenthalte. Das Präteritum leitet auf die richtige Fährte in die Vergangenheit und treibt Tränen in meine Augen: „Es gefiel mir, es hat uns gefallen, es hatte Pläsier gemacht.“ Doch schreiten wir weiter – dann auf der Zielgeraden in Präsens und Futur bzw. Futur 2: „Es ist gerade nicht mehr, vielleicht wird es bald wieder werden. Dann wird es wieder wundervoll gewesen sein!“ Ich hoffe, wir befreien uns demnächst wieder aus weinerlicher Laune, Bestürzung und dem kürzlich Erlebten heraus und orientieren uns an Entwicklung und Neuanfang. Allen, die trotz großer Bemühungen Teilziele oder gar Ziele aufgeben mussten, wünsche ich eine Kehrtwende und die Kraft zum Weitermachen.
Halbwertszeit von Touristen
Dass solch imposante Restaurationsräume wie die des „Stadtgasthaus“ in Bregenz ungenutzt bleiben werden, ist für mich undenkbar, denn man hat es mit einem kostbaren Gut zu tun. Dass den Betreibern nicht der lange Atem ausgeht, hoffe und wünsche ich ihnen und wenn Gäste sich kümmern und nachfragen, könnte das ein wenig Stütze und Stab sein. Ich habe das mehrfach getan, und im Gespräch verständliche Ernüchterung wahrgenommen. Von einigen Gästen wie „uns“, die ein paar Mal im Jahr am See seien und auch den Besuchern der Festspiele oder weiterer einzelner Kultur-Events könne man auf Dauer nicht leben, sagte man mir. Ich verstehe, doch mag ich nicht darüber nachdenken, dass ein solches Kleinod vielleicht bis zur Unkenntlichkeit „umgekrempelt“ werden muss. Bitte nicht! Ich wünsche gute Geschäfte, Nerven und Kraft aus dem Universum!
Menü-Splitter
Ich möchte noch einmal in kulinarischer Erinnerung zu schwelgen, um sodann ein im „Stadtgasthaus“ verspeistes Gericht nach meiner Fasson nachzukochen: Wir saßen an Tischen mit stramm gestärkten Decken, unter blitzblanken Lüstern und zwischen edler Holzvertäfelung und aßen Wundervolles: „Tom Kha Gai mit Garnelen und Rinderfiletstreifen“, „Bodenseezander mit Spitzkraut“, „Spinat-Ziegenkäse-Quiche mit Rotweinfeigen“, „Pfifferlingsravioli mit Petersilienpesto und geschmortem Kürbis“. Als Dessert „Crème brulée mit exotischem Fruchtsorbet“
Einmal kamen wir nach einem Riesenstau viel zu spät an. Man begrüßte uns dennoch freundlich, und wir kamen auch diesmal auf unsere Kosten. Zwar konnten wir das avisierte „Supermenü“ nicht mehr bestellen, wurden jedoch keineswegs enttäuscht. Nochmal orderten wir die fluffige Ziegenkäsetarte, danach Rindssuppe mit Butternockerln, den Lammrücken mit Süßkartoffelpüree (der Liebste) und ich erneut „Zander mit Rahmkraut“, ultimativ knusprig der auf der Hautseite gebratener Fisch, zum Eintauchen das Rahm-Spitzkraut. Dazu in Butter gebratene Spätzle. Wir waren wieder einmal hin und weg.
Das Restaurantleuchten verblasst
Gerade dieser Tage teilte uns ein weiteres der besten Restaurants am See mit, dass sich das Team habe verkleinern müssen und man nun nur noch zwei Tage die Woche, beziehungsweise für Gesellschaften fallweise würde öffnen können. Das ist sehr, sehr schade 😢. Ich könnte allein aus meinem letzten Aufenthalt am See weitere Fälle von Gastronomen schildern, die es hart gebeutelt hat, jedoch möchte ich meine Leserschaft nicht ermüden oder herunterziehen. Wir stehen im neuen Jahr, und ich will mich weiter darin üben, optimistisch zu bleiben. Auf dass die stachelig bewehrte Kugel, so schnell, wie sie über uns gekommen ist, endlich nur noch zu einer endemischen Belästigung wird, und wir bald zurück in die Normalität zurückkehren. Vielleicht in eine neue Normalität, denn mir scheint die alte ein Stück weit abhandengekommen zu sein. Falls wir es nicht schaffen sollten, uns zu schütteln und neu aufzustellen, könnte auch ein Wunder helfen: Verantwortung, Mitmenschlichkeit und Einsicht würden sich in der Wundertüte finden lassen. Und schlicht: Impfung!
Ich wende mich der schönen Erinnerung wegen dem Zander zu. Knusprig auf der Hautseite gebraten, auf Rahmkraut serviert. Mein Rahmkraut ist herrlich saftig und besteht aus fein geschnittenem Spitzkohl, Möhren und einer sehr kleinen Portion Sauerkraut, direkt aus dem Fass. Das verleiht ihm Frische. Keine Spätzle und auch kein Kartoffelpüree begleiten den Fisch, obwohl ich gerade Letzteres liebe. Ich wollte mehr an Finesse und habe ein cremiges Püree aus Topinambur mit viel Schnittlauch – auch wieder der Frische wegen – beigesteuert. Getoppt habe ich es mit super-knusprigen Topinambur-Chips. Der zarte Zander, knusprig auf der Haut gebraten, schmeckt, bestreut mit selbstgemachter „Dukkah“ – eine ursprünglich aus Ostafrika stammende Gewürzmischung mit vielerlei Zutaten. Unter anderem enthält sie geröstete Nüsse, Sesam, Kreuzkümmel und Koriander. Bei mir bringt Abrieb von Zitrone und Orange zusätzlichen Kick. Das mag nicht dem Original entsprechen, jedoch setze ich mich aus Geschmacksgründen darüber hinweg.
Das Rahmkraut
- Spitzkohl und Karotten fein schneiden.
- Sauerkraut locker zerzupfen.
- Mit Butter, Mehl und Milch Béchamel herstellen.
- Gemüse einlegen.
- Vor dem Servieren mit den weiteren Zutaten vermengen.
Das Topinambur-Püree
- Topinambur und Kartoffeln garen. Topinambur glatt mixen, Kartoffeln durchpressen.
- Beide Massen zu einem Püree vermengen. Mit Milch und Brühe glattrühren.
- Mit brauner Butter, Zitrone und Muskat würzen. Warmstellen.
- Restliche Topinambur fein hobeln und in Öl knusprig frittieren.
Der Zander
- Zander portionieren und auf der Hautseite mehlieren.
- Sanft anbraten bis die Haut knusprig ist. Kurz umdrehen.
- Mit Dukkah bestreuen, servieren.
- Wer möchte, serviert eine würzige rote Buttersauce dazu.
Das Rahmkraut
Den Spitzkohl großzügig vom unteren Drittel und vom Strunk befreien. Quer mit einem scharfen Messer in feinste Streifen schneiden (je feiner, desto besser). Karotten mit der Mandoline in feine Längsstreifen hobeln, dann diagonal in feine Streifen schneiden (dünne und möglichst längliche Streifen). Das Sauerkraut locker zerzupfen und möglicherweise ein- oder zweimal in der Länge kürzen.
Für die Béchamel die Butter schmelzen, Mehl hineinstäuben und hell Farbe nehmen lassen, bis es duftet. Beiseiteziehen. Mit Milch und Brühe angießen, mit dem Schneebesen verquirlen, Lorbeerblätter hinzufügen und auf kleiner Flamme unter Rühren aufkochen. Sauce reduzieren, bis sie die gewünschte Konsistenz hat (leicht angedickt, nicht breiartig). Gemüsestreifen und Kraut einlegen, behutsam zuckern und eventuell nachsalzen, leise köcheln lassen. Gegebenenfalls mit Brühe etwas verdünnen. Vor dem Servieren mit Crème fraîche, Sahne, Meerrettich und einem kleinen Schuss Crèmant verrühren. Falls erforderlich noch etwas salzen, pfeffern.
Das Topinambur-Püree
Drei der Topinambur schonend in der Schale garen. Entweder dämpfen oder in Alufolie wickeln und im Backofen garen. Etwas abkühlen, pellen und in der angewärmten Milch pürieren. Die Kartoffeln ebenfalls dämpfen, ausdampfen lassen, schälen und durch die Presse drücken. Beide Pürees mit dem Schneebesen verrühren, mittels weiterer Milch oder Brühe sowie Senf und brauner Butter die gewünschte Konsistenz herstellen. Mit Zitronensaft und -abrieb, Salz, Pfeffer und Muskat würzen. Warmhalten. Aus einer der Topinambur feine Scheiben hobeln, und in ca. 170 °C heißen Öl in einem Topf mit kleinem Durchschnitt ausfrittieren. Auf Küchenkrepp geben.
Das Püree entweder mit einem Löffel auf den Teller geben, oder in einen Dressiersack füllen und länglich, wie eine Welle auf den Teller aufbringen. Wer einen Espuma-Behälter besitzt, hat es bequemer, denn er kann im Behälter die Masse auf im Wasserbad auf Temperatur halten und dann auf die Teller sprühen und mit den Chips bestücken.
Der Zander
Zander in gefällige Stücke zerteilen. Abwaschen, abtupfen, die Bauchseite leicht salzen und pfeffern. Die Hautseite mehlieren. Fisch auf der Haut gemütlich in der Butter anbraten, bis die Haut golden ist. Wenden, auf der Hautseite jenseits der Flamme kurz nachziehen lassen, sofort servieren. Dabei die knusprige Haut mit der Dukkah bestreuen. Restliche Dukkah separat dazu servieren.
Zutaten für 2 Portionen
Das Rahmkraut
Menge | Zutat |
---|---|
¼ kleiner |
Spitzkohl |
2 mittelgroße |
Karotten |
1 Hand voll |
frisches Sauerkraut |
1 EL |
Mehl |
2 EL |
Butter |
Ein guter Schluck |
Milch |
Ein guter Schluck |
Brühe |
2 frische |
Lorbeerblätter |
4 |
angedrückte Wacholderbeeren |
2 EL |
Crème fraîche |
4 bis 6 EL |
Sahne |
1 Schuss |
Crèmant |
1 EL |
Meerrettich (Glas oder frisch gerieben) |
|
Zucker, Salz, Pfeffer |
Das Topinambur-Püree
Menge | Zutat |
---|---|
3 bis 4 mittelgroße |
Topinambur |
2 mittelgroße |
mehlig kochende Kartoffeln |
1 Tasse |
Milch |
1 Tasse |
Brühe |
2 EL |
braune Butter (Nussbutter) |
1 TL |
Dijonsenf |
1 |
Bio-Zitrone |
½ Bund |
Schnittlauch |
|
Salz, Pfeffer, Muskat |
2 Tassen |
Frittieröl (für die Topinambur-Chips) |
Der Zander
Menge | Zutat |
---|---|
2 Stück (ca. 150 g) |
Zanderfilets (mit Haut) |
2 EL |
Mehl |
2 EL |
Nussbutter |
2 EL |
Butterschmalz |
3 bis 4 EL |
Dukkah (Gewürzmischung mit Nüssen und Saaten, z. B. von Ingo Holland) |