Veggie-Worscht im Wecksche

Veggie-Worscht im Wecksche

17. März 2019

Unser hausgemachter Tofu ist hochköstlich und mit den in Folie geschweißten gräulichen Quadern aus dem Kühlregal nachweislich nicht artverwandt. Gepimpt als Würstchen ist er eine Sensation. „Drei im Weckla“ heißt der allgegenwärtige Imbiss mit Nürnberger Würstchen im Frankenland, „Weck, Worscht un Woi“ in der uns benachbarten Pfalz wo sich allerdings Fleischwurst im Weck versteckt. Im Saarland ist das „Weckla“ ein „Wecksche“. So also erklärt sich der etwas ungewöhnliche Titel. Ich packe meine pikanten Würstchen auf mayonnaisiges Kartoffelhäckerle und setze obendrauf ein Büschel feurig-süßes Kimchi. Mehr Multikulti geht nicht!

Tofu klingt zugegebenermaßen irgendwie „Öko“ und fade. Setzt man sich jedoch mit seinem Wesen auseinander, kann man ihn kulinarisch beflügeln. Weil es einfach geht und die Qualität deutlich besser ist, als bei gekauften Produkten, machen wir unseren Tofu meist selber. Mit „wir“ meine ich den Liebsten, der langsam aber sicher ein ausgefuchster Tofu-Teufel wird, der Tofu mit viel Charakter und Persönlichkeit schafft. 😍 Seit wir uns mit einem kleinen eigens dafür konstruierten Holzkistchen und einem Nussmilchsäckchen ausgestattet haben, legen wir regelmäßig Tofublöcke trocken, die alles andere als fade sind. Naturbelassen schmeckt unser Tofu schön nussig und ganz leicht süßlich nach Sojabohnen. Seine Struktur ist stabil und doch feinporig, was ihn zart und samtig macht. Mit diesem feinen Bohnenquark lässt sich allerlei anstellen. Wir denken uns raffinierte Marinaden aus, denn er liebt es, in Aromen zu baden, und lassen ihn im Vakuumbeutel Fahrt aufnehmen. Man könnte sagen, wir sind Tofu-Affineure mit viel Fingerspitzengefühl und Gespür für den richtigen Augenblick! 😳

Marinierter Tofu

Bekenntnis ohne Alibi

Um es schnörkellos klarzustellen: Ich bin kein Vegetarier und für mich ist Tofu ausdrücklich kein Fleischersatz. Generell sollte man Produkten, die vorgaukeln, etwas anderes zu sein als sie sind, kritisch begegnen. Geschmackliches Substituieren kann schief gehen, denn es schafft durch die menschliche Erwartungshaltung und in Folge dessen intuitiven Vergleichens eine hohe Hürde. Einfach ausgedrückt: Wenn ich ein Schnitzel essen möchte, esse ich ein Schnitzel. Wenn ich ein Bratwürstchen möchte, esse ich eins. Wenn mir nach Tofu ist, brate ich mir Tofu. Ich wünsche mir, dass der Tofu aus seiner Alibiecke herauskommt und gehe so weit zu behaupten, man tut ihm sonst unrecht. Er soll auch in unseren europäischen Gefilden Ansehen und Respekt bekommen, ähnlich, wie es in ganz Asien der Fall ist. Dort fehlt er bei keiner Mahlzeit, ob Frühstück, Mittag- oder Abendessen. Auch ich schätze ihn um seiner selbst willen. Bei mir darf er ins Licht treten, bekommt eine Bühne, seinen Auftritt und: Applaus!

Wurstworkshop

Am Haken

Ein veritabler Auftritt ganz anderer Art: Eine halbe Sau, ein gewaltiges Rinderhinterteil und ein Lamm schweben lautlos, mit Fleischerhaken aufgehängt über eine Laufkatze in einen großen, bis unter die Decke weiß gekachelten Raum. Es ist Samstagnachmittag und ich habe mich in einer traditionsbewussten Metzgerei im Nachbarort zum Wurstworkshop angemeldet. Lange hatte ich mit mir gerungen, ob ich mich dieser harten Challenge stellen sollte. Gehöre ich doch diesbezüglich eher zu den Weicheiern, die es rein emotional nur in homöopathischen Dosen verkraften, sich damit auseinanderzusetzen, dass die Tiere einmal lebendig waren. Ich gebe zu, dass ich kräftig durchatmen musste – ein, aus, ein, aus – und wich beinahe automatisch zwei Schritt nach hinten zurück, um mich an den mannshohen Cutter anzulehnen. Vom Näschen bis zum Schwänzchen: Da hatte ich es nun! Das Schwänzchen war an dieser Hälfte noch dran, allerdings durchs Abtrennen von der anderen Hälfte sichtlich geschwächt und baumelte traurig am Ende der mit mehreren Stempeln übersäten Sau. Bizarre Tattoos, auf die Schwein sicherlich gerne verzichtet hätte.

Vom Groben zum Feinen

Der Metzgermeister machte sich, mit einem gewaltigen Kettenhandschuh bewehrt unter Einsatz diverser martialischer Geräte und einem Ausbeinmesser gekonnt daran, das Tier in seine Einzelteile zu zerlegen.

Das Messer hatte wohl schon der ersten von vier Generationen gedient. Ungezählte Male gewetzt, war die Klinge etwa so schmal wie ein Brieföffner. Dem geschickten Hantieren zuzuschauen, war einerseits sehr spannend. Jedoch wollte sich meine Beklommenheit über so viel nacktes Fleisch nicht legen. Ein handtellergroßes Stückchen, das netzartig marmoriert war, stellte sich als „Kachelfleisch“ heraus. Das hatte kaum einer im Raum schon mal gehört oder gesehen. Der Metzger trocken: „Wie denn auch? Das ist das beste Stück von der Sau. Das essen wir selbst! Ha, Ha!“ Schließlich haben wir diverse Würste hergestellt und daran herumlaboriert, die Masse nun möglichst akkurat in die langen Därme zu befördern. An diesem Posten glänzte ich nicht! Meine Würstchen waren krumm und schief, unterschiedlich lang, einige hatten Blasen im Inneren, andere platzten mir schlicht. Was ich geahnt hatte, manifestierte sich unumstößlich: Das Metzgern an sich wäre nichts für mich. Alleine die cleane, unterkühlte Atmosphäre der Metzgerwerkstatt, die von der Decke baumelnden Sägen und sonstigen Gerätschaften und schließlich der allgegenwärtige Tod würden mir auf Dauer die Laune zermürben. Das Wursten jedoch scheint mir verlockend und geeignet, meine Kreativität voll auszuleben. Dann aber entspannt in meiner gediegenen Hochglanzküche!

Smokepipe - Späne anzünden

Beherzt verwursten

Nun hatte ich wohl eine Überdosis tierische Wurst abbekommen, denn wie aus dem Nichts kam die Überlegung, eine tierlose Variante herzustellen. Warum nicht aus Tofu, da wir doch gerade wieder eine Ladung produziert hatten? Die Einlage für die Wurst war unter anderem geräucherter Tofu, in feine Würfelchen geschnitten und knusprig frittiert. Und was soll ich sagen, auch den Räuchertofu stellt der Liebste inzwischen behände her, hat er sich doch kürzlich ein Pfeifchen samt einigen Schmauch-Kartuschen zum Einnebeln geordert. Die Würste habe ich in Gedenken an meine gescheiterten Versuche während besagtem Workshop nicht in Därme gefüllt, sondern in Folie eingewickelt über Dampf gegart. Anschließend bekamen sie in der Grillpfanne den letzten Schliff. Die endgültige Komposition setzte sich aus ausgeklügelten, kontrastierenden Elementen zusammen: Knuspriges Brötchen, cremiges Kartoffelhäckerle, die herzhaften Würstchen, leicht feuriges, süßsaures Blitz-Kimchi und als Abschluss noch mal eine krosse Brötchenhälfte. Tradition in recht weltläufigem Gewand, nicht ganz elegant zu verspeisen, aber köstlich!

Die Würstchen

  1. Tofu zerbröseln und mit Eigelben, Sahne und Xanthan-Mix kräftig mixen.
  2. Eiklar (nicht ganz) steif schlagen. Kräuter, Gewürze, Pinienkerne, Räuchertofu, Essig und Agavendicksaft hinzugeben, mit Salz, Pfeffer und Zitronenabrieb würzen.
  3. Eischnee hinzugeben. Nicht mehr mixen sondern gründlich vermischen.
  4. Masse in einen Spritzbeutel füllen.
  5. Stränge auf Klarsichtfolie spritzen. Mit Hilfe einer Palette aufrollen und an den Enden zu zwirbeln.
  6. Auf den Siebeinsatz eines Dampfgarers setzen.
  7. Röllchen dämpfen. Sie sind gar, wenn sie auf Fingerdruck federnd reagieren.
  8. Im Kühlschrank auskühlen lassen.
  9. Folie entfernen, und Würstchen in einer Grillpfanne kross braten.

Das Kartoffelhäckerle

  1. Kartoffeln pellen und in Würfel schneiden.
  2. Mayonnaise mit Senf vermengen. Abrieb von Knoblauch und Ingwer hinzugeben, mit Zitronensaft, Chilisalz und Zucker abschmecken.
  3. Eier und Gürkchen hinzufügen. Ziehen lassen.
  4. Schnittlauch in feine Röllchen schneiden und unterheben.

Das Kimchi

  1. Chinakohl in feinste Streifen schneiden. Mit Salz vermengen und kräftig kneten.
  2. Auf ein Sieb geben, ziehen lassen, dann abspülen.
  3. Möhren in feine Stifte schneiden, in Salzwasser blanchieren, abschrecken, auf Küchenkrepp abtropfen lassen.
  4. Paprika schälen, in feine Streifen schneiden und in Öl andünsten, salzen.
  5. Chilischoten entkernen und in Streifchen schneiden.
  6. Korianderstiele fein schneiden. Blätter als Dekoration zurückbehalten.
  7. Ein Dressing rühren, Korianderstiele dazugeben.
  8. Chinakohl auspressen und mit Möhren, Chilis und Paprikaschoten mit dem Dressing vermengen. Ziehen lassen.

Hinweis vorab: Die Kräuter und Gewürze sind ein Vorschlag von mir. Man sollte hier herumexperimentieren und herausfinden, was einem persönlich am besten schmeckt. Das gilt auch für die richtige Dosis. Deswegen zunächst zurückhaltend würzen, ein Probeklößchen braten und sich auf diese Weise an die richtige Mischung herantasten. Falsch machen kann man nichts, denn entscheidend ist da letztlich der Geschmack!

Die Würstchen

Den Tofu zerbröseln und mit den Eigelben, der Sahne und 1 EL Xanthan-Mix in einen Blender geben. Einige Minuten kräftig mixen, bis eine glänzende, homogene Masse entstanden ist. Wer sie noch feinporiger haben möchte, streicht sie durch ein Haarsieb. Währenddessen Eiklar (nicht ganz) steif schlagen. Kräuter, Gewürze, Pinienkerne, Räuchertofu, Essig und Agavendicksaft hinzugeben, mit Salz, Pfeffer und kräftig Zitronenabrieb würzen. Den Eischnee hinzugeben. Nicht mehr mixen sondern mit einem Silikon-Teigschaber gründlich aber nicht wild miteinander vermischen. Die Masse in einen großen Spritzbeutel füllen. Eine Öffnung im gewünschten Durchmesser abschneiden und jeweils einen Strang von ca. 20 cm auf Klarsichtfolie spritzen. Mit Hilfe einer Palette, so fest es geht, aufrollen und an den Enden zu zwirbeln. Die Enden unter die Röllchen biegen und auf den Siebeinsatz eines Dampfgarers setzen. Nach und nach so verfahren. und die Röllchen bei 85 °C 25 bis 30 Minuten dämpfen. Sie sind gar, wenn sie auf Fingerdruck federnd reagieren. Im Kühlschrank über Nacht auskühlen lassen. Folie entfernen, und die Würstchen in einer Grillpfanne oder normalen Bratpfanne kross braten.

Tipp: Wer keinen Dampfgartopf besitzt, wickelt die Würstchen zusätzlich in Alufolie, damit kein Wasser eindringen kann, zwirbelt auch diese gut zu und gart sie in siedendem Wasser.

Das Kartoffelhäckerle

Das Häckerle ist die Basis für die Würstchen und eine Mischung aus Mayonnaise und Kartoffelsalat. Es schmeckt erfrischend und gibt Halt und Struktur.

Die Kartoffeln pellen und in feine Würfel schneiden. Mayonnaise mit Senf vermengen. Abrieb von Knoblauch und Ingwer nach Geschmack hinzugeben, mit Zitronensaft, Chilisalz und Zucker herzhaft abschmecken. Eier und Gürkchen hinzufügen. Mindestens 1 Stunde ziehen lassen. Kurz vor dem Servieren Schnittlauch in feine Röllchen schneiden und unterheben.

Das Kimchi

Dieses Kimchi ist nicht fermentiert, sondern ein schnell hergestelltes „Blitz-Kimchi“. Es hat zwar nicht die gesunden Milchsäurebakterien, schmeckt aber sehr lecker.

Den Chinakohl in feinste Streifen schneiden. Mit 2 gestrichenen TL Salz vermengen und eine Weile kräftig kneten, bis er seine Struktur verliert und mürbe wird. Auf ein Sieb geben, eine halbe Stunde ziehen lassen, dann abspülen, damit das überschüssige Salz ausgewaschen wird. Die Möhren in feine Stifte schneiden, kurz in Salzwasser blanchieren, abschrecken, auf Küchenkrepp abtropfen lassen. Die Paprika schälen, in feine Streifen schneiden und kurz in ganz wenig Öl andünsten, salzen. Die Chilischoten entkernen und in Streifchen schneiden. Korianderstiele fein schneiden. Blätter als Dekoration zurückbehalten. Aus Öl, Sojasauce, Teriyaki-Sauce, Fischsauce, Reisessig, Limettensaft, Salz und Pfeffer ein Dressing rühren, die Korianderstiele dazugeben. Den Chinakohl fest auspressen und zusammen mit den Möhren, Chilis und den Paprikaschoten mit dem Dressing vermengen. 2 Stunden oder mehr ziehen lassen. Vor dem Servieren die Samen und die Korianderblätter hinzufügen.

Die Würstchen

(Zutaten für 8 mittelgroße Würstchen)

Menge Zutat

400 g

Bio-Tofu (Natur)

150 g

Räuchertofu (fein gewürfelt)

2

Eier

200 ml

Sahne

3 bis 4 EL

Mehl

1 EL

Xanthan-Mix (pflanzliches Verdickungsmittel, 1 g Pulver mit 100 ml Wasser gemixt)

4 bis 6 EL

gehackte Kräuter (z.B. Petersilie und Oregano)

1

Bio-Zitrone

6 bis 8 EL

Pinienkerne (geröstet)

2 EL

Pistazien (gehackt)

1 bis 2 TL

Chiliflocken

4 EL

Sojasauce

1 TL

Geräuchertes Paprikapulver

1 bis 2 TL

Fenchelsamen (gemörsert)

2

Nelken (gemörsert)

½ TL

Zimt (gemahlen)

½ TL

Knoblauchpulver

1 TL

Zwiebelpulver

2 EL

fruchtiger Essig

1 EL

Agavendicksaft (ersatzweise Apfelsüße)

 

Pfeffer, Salz

Das Kartoffelhäckerle

Menge Zutat

4 mittelgroße

festkochende Kartoffeln (am Vortag gegart)

Einige

Essiggürkchen (süß-sauer, fein gehackt)

2

Hartgekochte Eier (fein gehackt)

4 EL

Mayonnaise (von bester Qualität oder selbst gemacht)

1 EL

süßer Senf

1 TL

Dijon-Senf

1

Bio-Zitrone

1

Knoblauchzehe

1 walnuss­großes Stück

Ingwer

1 Bund

Schnittlauch

 

Chilisalz, Zucker

Das Kimchi

Menge Zutat

¼ kleiner

Chinakohl

2 mittelgroße

Möhren

1

rote Paprika

1

gelbe Chilischote

1

rote Chilischote

1 Hand voll

geröstete Pinienkerne

1 EL

geröstete Sesamsamen

1/2 EL

schwarzer Sesam (ersatzweise Schwarzkümmel)

2 EL

Sonnenblumenöl

2 TL

geröstetes Sesamöl

4 EL

Sojasauce

2 EL

Teriyaki-Sauce

1 bis 2 TL

Fischsauce

1 bis 2 EL

Reisessig (ersatzweise milder Fruchtessig)

1

Bio-Limette

½ Bund

Koriander

 

Salz, Pfeffer

Diese Seite wurde zuletzt am 19.11.2019 um 21:48 Uhr aktualisiert.

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