Tarte Pomme-Pomme

Tarte Pomme-Pomme

10. Oktober 2021

Eine französische Tarte bei der „Pommes de Terre“ in besonderer Mission zum Einsatz kommen. Einmal als cremiges Kartoffelpüree mit Knoblauch und Käse, darauf nehmen geräucherte Kartoffel- und halbgetrocknete Apfelkugeln Platz. Milder Alpen-Käse schenkt einen Hauch Gratin. Den Namen „Tarte Pomme-Pomme“ habe ich erfunden, weil er so niedlich klingt. Niedlich hin oder her, das Ensemble rüstet sich zu einem kräftigen Auftritt und die stehenden Ovationen möchten nicht enden!

Als ich der Rezeptur erstmals begegne, heißt sie „Tarte Savoyarde“, und sie ist eines von vielen Kleinoden, die in meinem neuen Kochbuch von Tim Raue vorgestellt werden. Wie man es von Raue nicht anders erwartet, handelt es sich auch bei diesem „Brasserie-Kochbuch“ um etwas ganz Besonderes. Anschaulich erklärt er, warum ihn die herzhaft-deftige Brasserie-Küche von Paris schon früh beeindruckt hat. In seinen Brasserien „Colettes“ kocht sein Küchenchef, ein ehemaliger Sternekoch, Gerichte, die – wie Raue sagt – mit Bravour erlebbar machen, was ihn selbst zeitlebens an dieser Küche begeistert hat. Raues Vorwort bringt es auf den Punkt:

Das „Colette“ ist ein Wohlfühlort. Es ist das Restaurant, in das man jeden Tag gehen kann und das man zufrieden sein Bäuchlein streichelnd wieder verlässt. Dieses Gefühl möchte ich mit meinem Buch vermitteln und Sie zu meiner persönlichen Reise in mein kulinarisches Frankreich mitnehmen.

Ich gehe dabei davon aus, dass er ein jedes der drei „Colettes“ in Berlin, München und Konstanz meint 😉.

Madame Colette – zupackend zart

Madame Colette, von stämmiger Statur, in geblümter Kittelschürze, war mit ihren zarten Crêpes mit Caramel, Salzbutter, Banane und Vanille an einem Strand nahe Bordeaux eine frühe kulinarische Offenbarung für Raue. Er sagt, diese Erinnerung habe ihn stets begleitet und ihm allein gedanklich Wonne beschert. Der Gegensatz der damaligen Präsentation habe ihn letztlich beflügelt: die zarten fluffigen Pfannküchlein und die gestandene Colette, eher kernig anmutend. Er wollte die herrlichen Crêpes in eine Welt übersetzen, in der sich der Gast von heute wohl fühlt.

Eiffelturm

Einmal Paris – und zurück

Wohl fühle ich mich bereits, wenn ich den mit nachtblauen Blütenranken beflockten Einband des Buchs in Händen halte. Die Fotos sind fantastische Impressionen von Paris, altehrwürdigen Brasserien und viel einladendem, holzgetäfeltem Ambiente. Vorzügliche Speisen sind vorzüglich abgelichtet und ziehen mich in ihren Bann. Auch, wer nicht die Absicht hat, die Rezepturen nachzukochen, wird auf eine Art und Weise inspiriert, der man sich gern hingibt. Ich denke, einen jeden leidenschaftlichen Gourmet, nein, auch den mit Genießereigenschaft gesegneten „Normalesser“, zieht es nun endgültig an den Ticketschalter, der ihm ohne Umstände ein TGV-Billett in die Stadt der kulinarischen Verzückung offeriert!

Anregungen aus der Brasserieküche

In Tim Raues Buch treffe ich auf viel Neuland, aber auch für mich Bekanntes. Die Tomaten-Tarte-Tatin kenne ich, das Beträufeln mit Passionsfrucht-Dressing war für mich neu. Ich aromatisierte sie bislang mit einem Dressing aus reifen Aprikosen oder Feigen mit Miso. Dabei war auch Basilikum häufig mein Kraut der Wahl. Und Portulak (säuerlich) oder Rucola (pfeffrig). Die Tomaten-Tarte-Tatin, also eine gestürzte, meist karamellisierte Tarte, kann man gut aus den Teigresten in kleinen Förmchen herstellen. Sie eignen sich hervorragend als Vorspeise. Mehr dazu im Rezeptteil. Die kalte Kartoffel-Lauch-Suppe „Vichyssoise“ mit viel Sauerrahm, Sahne und Oivenöl, die ich im Buch finde, war auch bei mir „très, très velouté“, wie mir „Madame“, eine entzückende französische Nachbarin, einmal bestätigte. Allerdings habe ich bisher für die Samtigkeit ohne Olivenöl gearbeitet.

Tomaten-Tarte-Tatin

Speisekammer in den Bergen

Nun möchte ich jedoch nicht wie eine Besserwisserin wirken, die es mit Können und Wissen von Raue und seinem Team aufnehmen möchte. Ich habe mich also neugierig an die im Buch vorgestellte savoyische Kartoffel-Apfel-Tarte gemacht. Sie entpuppte sich trotz einfachster Zutaten als ein kleines kulinarisches Wunder. Hoch in den Bergen im französischen Savoyen war man mit Lebensmitteln nicht so ausufernd gesegnet. Was man in bäuerlichen Gegenden wie auch bei uns immer hatte, waren Kartoffeln und Äpfel. Dazu, was die Hofhaltung hergab, wie Eier, Zwiebeln, Käse, Milch, Rahm oder Butter. Schlachtete man selbst, hatte man neben Fleisch und Wurst feinsten Speck und Geräuchertes. Damit kam man schon sehr weit. Geht man von einigen zugekauften Grundlebensmitteln wie Mehl, Zucker, Hülsenfrüchten und Nudeln aus, eben einer gut bestückten Vorratskammer, konnte man sich – wenn man „es“ konnte – aufs Feinste und Gesündeste nicht nur über die dunkle Jahreszeit retten.

Apfel am Baum

Augen auf beim Blätterkauf

Eine Tarte besteht für mich klassisch aus Blätterteig, den ich der langen Arbeitsprozedur wegen immer fertig kaufe. Es gibt einige wenige Produkte, bei denen ich sage, der Aufwand lohnt sich kaum. Vorausgesetzt, dass der Teig aus besten Grundzutaten – und nur denen – besteht: Wasser, Mehl, Butter. Also beim Kaufen immer genau die Zutatenliste studieren, da findet sich bislang oft erschreckend Unzuträgliches! Hat man keinen Blätterteig zur Hand, fertigt man sich im wahren Sinne des Wortes „Eins-Zwei-Drei“ einen soliden Mürbeteig. Dieser schmeckt ebenfalls buttrig, ist anstelle von blättrig-fluffig eher kross-knusprig und, was das Beste ist, er behält seine Stabilität und schmeckt auch am nächsten Tag noch kalt. Blätterteig am nächsten Tag ist hingegen eher kein Vergnügen.

Diese savoyische Tarte ist so besonders, weil auf den vorgebackenen Teigboden eine Crème gestrichen wird, die bei Raue im Wesentlichen aus „Bleu de Termignon“, einem Blauschimmelkäse aus Schafsmilch, besteht. Da wir es mit dem Blauschimmel und der Schafsmilch nicht so haben, nehme ich mir eine kleine Menge sehr milden Blauschimmelkäse und mische ihn mit Schmand und Frischkäse. Außerdem füge ich reichlich Zitronenabrieb für mehr Frische hinzu. Beim Ausstechen der Kartoffelkugeln bleiben Reste stehen, die ich zu einem Püree verarbeite. Einige Löffel davon vermische ich mit der Käsecrème. Den Rest löffele ich😉. Die Äpfel werden im Backofen angetrocknet, damit sie mehr Aroma erhalten. Während dieser Zeit gebe ich einige junge Knoblauchzehen mit aufs Blech, die ich später unter Käsecrème und Kartoffelpüree mische. Ich erhalte ein „Aligot“. Die Kartoffelkugeln koche ich nach Rezept mit Rauchsalz, räuchere sie jedoch im erkalteten Zustand nochmals mit meinem „Pfeifchen“, so bekommt die Oberfläche der Kugeln noch mehr Pepp. Obenauf kommt ein Käse, der gut schmilzt, z. B. im Raue-Rezept „Comté“, ein Bergkäse, der dem Gruyère ähnelt, aber milder und fruchtiger ist. Reichlich Zitronenthymian toppt die Tarte auf das Raffinierteste.

Die Käsecrème

  1. Schalotte würfeln und in Butter anschwitzen.
  2. Mit Apfelsaft ablöschen.
  3. Käse, Frischkäse und Schmand und Knoblauch in der Zwiebelmischung zergehen lassen.
  4. Kartoffelbrei unterheben.
  5. Eventuell mit weiterem Apfelsaft glattrühren.
  6. Geriebenen Ingwer und Zitronenabrieb hinzufügen.
  7. Mit Salz und Pfeffer abschmecken.

Der Boden und der Belag

  1. Von Kartoffeln und Äpfeln Kugeln ausstechen.
  2. Kartoffeln in Salzwasser mit Rauchsalz garen.
  3. Später zusätzlich leicht räuchern.
  4. Äpfel ebenfalls zu Kugeln ausstechen. Anschwitzen und ablöschen.
  5. Im Backofen leicht trocknen lassen.
  6. Tarteform mit Blätterteig auslegen. Vorbacken. Mit Aligot bestreichen.
  7. Kartoffel- und Apfelkugeln darauf verteilen.
  8. Mit Comté belegen und unter dem Grill überbacken.
Diese Tarte besticht durch ihren fluffigen Belag aus cremigem „Aligot“ (einem göttlichen Kartoffelpüree) auf knusprigem Boden. Darauf punkten räucherige Kartoffel- und aromatische, halbgetrocknete Apfelkugeln. Über allem schmilzt zum Schluss feinster „Comté“, ein blumiger Käse aus den französischen Alpen.

Die Käsecrème

Die Schalotte fein würfeln und in der Butter farblos anschwitzen. Mit einem guten Schuss Apfelsaft ablöschen und kurz einreduzieren. Sollten sehr große Schimmelnester im Käse sein, diese am besten etwas herauspulen, damit die Crème geschmeidiger wird. Käse, Frischkäse und Schmand in der Zwiebelmischung zergehen lassen. Weichen Knoblauch zerdrücken und hinzufügen. So viel Apfelsaft unter die Masse rühren, dass sie nicht zu fest, aber auch nicht zu flüssig ist. Die Reste der zuvor kugelförmig ausgestochenen Kartoffeln in wenig Salzwasser garen, ausdampfen lassen und durch die Presse drücken. Die Käsecrème mit geriebenem Ingwer, Zitronenabrieb Salz, Pfeffer und zwei Löffeln von dem Püree verrühren. Abkühlen lassen. Später auf dem vorgebackenen, leicht ausgekühlten Boden großzügig verteilen.

Der Boden und der Belag

Kartoffeln und Äpfel mit einem größeren Kugelausstecher (Ø 3 cm) ausstechen. Die Kartoffeln in mit Kümmel, Lorbeerblättern und Rauchsalz gewürztem Wasser garen. Ausdampfen lassen. Mittels einer Räucherpfeife im geschlossenen Topf mit Holzchips der Wahl räuchern. Die Äpfel in der Butter farblos anschwitzen, mit Apfelsaft, Saft von ½ Zitrone und Calvados ablöschen, 6 Minuten köcheln. Danach 2 bis 3 Stunden bei ca. 80 °C Umluft im Backofen leicht trocknen. Tür etwas geöffnet lassen und Konsistenz ab der zweiten Stunde überprüfen, die Äpfel sollen ca. ein Drittel ihres Saftes verlieren, jedoch nicht einschrumpeln. Für die Tomaten gilt das Gleiche, der Knobi soll in der Schale weich werden.

Die Blätterteigplatten auftauen und leicht überlappend auslegen. Etwas ausrollen und die entsprechende Größe für Tarteboden plus Rand ausschneiden. Teig mit passend großem Backpapier belegen, mit getrockneten Hülsenfrüchten auslegen und im auf 220 °C vorgeheizten Backofen ca. 10 bis 15 Minuten vorbacken. Hülsenfrüchte entfernen, Boden mit der zerlassenen Butter bestreichen und nochmals 5 Minuten lang backen, bis er aufgeplustert und golden gebräunt ist. Kurz auskühlen lassen.

Teigboden mit der Kartoffel-Käse-Crème bestreichen. Kartoffel- und Apfelkugeln dicht an dicht darauf verteilen. Mit Comté-Scheiben ebenfalls dicht an dicht belegen und unter dem Grill überbacken, bis der Käse geschmolzen ist und oben auf den Kugeln leicht braune Kruste entsteht. Mit reichlich Zitronenthymian-Blättchen (oder frischen Rosmarinnadeln) dekorieren. Dazu passt ein grüner Salat, gerne mit leicht säuerlicher Note, wie z. B. von Portulak oder Blutampfer. Auch Schärfe von Kresse und Rucola passen gut. Ich hatte mich für einen Salat aus Stangensellerie und Trauben entschieden. Der passt in diesem Fall zur Jahreszeit und ist sehr erfrischend.

 Die Tomaten-Tarte-Tatin

Für die Tomaten-Tarte-Tatins gleiche Menge Zucker und Butter mit etwas Wasser langsam karamellisieren. Karamell noch flüssig in die Förmchen gießen, Tomaten dicht darauf verteilen. Salzen, pfeffern. Sobald der Karamell fest wird, die Förmchen mit Blätterteig verschließen. Im noch heißen Backofen ca. 20 bis 25 Minuten goldbraun backen, dabei beobachten. Herausnehmen und abkühlen lassen, bis man sie einigermaßen gut anfassen kann. Rand mit einem Messer lösen. Auf eine Platte stürzen. Mit Kräutern bestreut lauwarm servieren. Der Hammer: Die Tarte Tatins mit einem üppigen Klecks gekühltem Kräuter-Espuma servieren!

Zutaten für eine mittelgroße Tarteform (Ø 28 cm)

Der Rest vom Blätterteig reicht für 4 kleine Tarteformen (Ø 10 cm)

Die Käsecrème

Menge Zutat

1 große

Schalotte

30 g

Butter

Ca. 60 ml

Apfelsaft

2 EL

milder Blauschimmelkäse (z. B. Montagnolo)

2 EL

Schmand

2 EL

Frischkäse

2 EL

Kartoffelbrei (von den Kartoffelresten)

1

Bio-Zitrone

1 daumen­gro­ßes Stück

Ingwer

2

junge Knoblauchzehen (weich gegart, s. u.)

 

Salz, Pfeffer

Der Boden und der Belag

Menge Zutat

1 Packung

Butter-Blätterteig (TK)

2 EL

flüssige Butter

3 mittelgroße

Kartoffeln

3 mittelgroße

Äpfel

1 EL

Kümmel

1 EL

Räuchersalz

2

frische Lorbeerblätter

1 EL

Butter

40 ml

Apfelsaft

1

Bio-Zitrone

4 cl

Calvados

150 g

Comté

Reichlich

Blättchen vom Zitronen-Thymian (ersatzweise: frischer Rosmarin)

 

Außerdem:

4 Hand voll

Kirschtomaten (mit Äpfeln und Knoblauch zusammen im Ofen leicht getrocknet)

Literatur

Titel: Tim Raue – Rezepte aus der Brasserie
Autor: Tim Raue
Erscheinungsjahr: 2020
Verlag: Callwey, München

Diese Seite wurde zuletzt am 10.10.2021 um 11:52 Uhr aktualisiert.

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