Ragout à la Bolognese
01. Januar 2017
Gelegentlich wurde mir die Aufgabe übertragen, für die Geschwister und mich das Mittagessen zuzubereiten, weil unsere Mutter wegen nicht verschiebbarer Erledigungen außer Haus musste. So kamen „Mirácoli“ in meine Welt. Bevor die Mutter sich aufmachte, gab es eindringlichste Ermahnungen, vorsichtig, sehr vorsichtig, mit dem kochenden Wasser zu hantieren, aber ich war ja schon „groß“ und überaus vernünftig! „Mirácoli“ und die dazugehörende Fernsehwerbung mit dem geträllerten Audiologo wurden fester Bestandteil des Lebens. Reihum haben wir uns die Spaghetti mit Tomatensauce eingefordert. Dazu gab es Apfelmus, das mag schrill anmuten, ist jedoch eine famose Komposition! Dieses Nudelgericht war das erste, was ich selbstständig kochen konnte. Mir lief schon das Wasser im Munde zusammen, wenn ich die kleinen Tütchen aus der Schachtel der Reihe nach öffnete, und parat stellte.
Geplatzte Träume
Sicherlich habe ich mir mit meiner jahrzehntelangen Kocherei den Gaumen verwöhnt, denn als ich uns in einem Anfall von Nostalgie kürzlich noch einmal „Mirácoli“ zubereitete, erlebte ich eine Enttäuschung. Die Sauce wirkte künstlich und „übertomatisiert“, die Konsistenz fühlte sich irgendwie pappig an. Die Qualität der Nudeln war grenzwertig und zum Reibekäse ist schon alles gesagt, denn der ist immer noch der alte. Von den somit entzauberten „Mirácoli“ werde ich mich künftig fernhalten! Tröste mich jedoch mit der inzwischen für mich perfekten Bolognese-Sauce, genauer gesagt, mit der Königsklasse einer Bolo, nämlich dem „Ragout à la Bolognese“, im Original „Ragù alla bolognese“.
Fragen zum Feintuning einer Sauce
Jahrelang habe ich hartnäckig an der für mich optimalen Bolognese-Rezeptur herumlaboriert und sie stetig verbessert. Was wurde nicht alles über die Zubereitung einer perfekten „Bolo“ diskutiert. Als ich anfing zu experimentieren, gab es noch kein Internet. Aber Kochbücher und Kochzeitschriften. Man gab Empfehlungen und stritt sich über die Details. Wichtige Fragen wurden ohne endgültiges Ergebnis ventiliert. Nimmt man Rinderhack oder Gemischtes, Rotwein oder Weißwein, Zwiebeln und Knoblauch, oder keinen Knoblauch? Braucht es Knollen- und Staudensellerie, damit sie rund wird? Gehören Karotten hinein und wie viel Gemüse verträgt sie überhaupt? Wird sie besser, wenn sie lange köchelt, und braucht sie zum Schluss ein Schlückchen Sahne oder einen Klecks Crème fraîche, damit sie geschmeidiger wird?
Zubereitung im Summary
Hier meine Vorgehensweise im Kurzdurchlauf. Verwende ich Hackfleisch, nehme ich gemischtes, weil der höhere Fettanteil auch für mehr Geschmack sorgt. Mache ich ein Ragout, wähle ich ein nicht zu mageres, schön durchwachsenes Fleisch von Rind und Schwein, denn es bleibt saftiger. Für die Gemüseeinlage greife ich zu Möhren und Knollensellerie wegen ihrer Süße und etwas Stangensellerie wegen seiner herben Frische. Statt Rotwein setze ich auf Weißwein, weil er aus meiner Sicht mehr Fruchtigkeit und eine mildere Säure mit sich bringt. Außerdem gefällt mir das optische Ergebnis besser. Ich finde Sahne oder Crème fraîche nicht optimal, weil sie eine unerwünschte Abmilderung der Aromen bewirken würde. In der letzten halben Stunde der Garzeit gebe ich gerebeltes, getrocknetes Basilikum zur Sauce, das einen ganz eigenen, leicht süßlichen Geschmack mit sich bringt. Ähnlich wie bei Estragon, der getrocknet auch völlig anders schmeckt, als frisch. Vor dem Servieren jedoch bringe ich zusätzlich frisches Basilikum ins Spiel und dieses Zusammentreffen gibt dann den Kick!
Ein Rezept aus dem Wohnbuch
Auf die „Ragout-Methode“ kam ich auf einem kleinen Umweg. Da ich mich sehr für Innenarchitektur und das Thema Einrichten interessiere, liegt es auf der Hand, dass ich nicht nur eine stattliche Menge Kochbücher, sondern auch Bücher übers Einrichten und Wohnen besitze. So fand ich in einem Bildband des englischen Interieur-Designers und Restaurantbesitzers Sir Terence Conran – der ganz offensichtlich auch mehreren Leidenschaften frönt – ein Rezept zu „Ragout a la Bolognese“, das ich sofort studierte. Das Besondere an seinem Rezept war die Verwendung von „Chicken livers“, Hühnchenlebern, die seiner Meinung nach unabdingbar hineingehörten. Das las ich im Laufe der Zeit immer mal wieder, mir jedoch scheint es nicht zwingend zu sein, denn schöne Cremigkeit und leichte Süße bekomme ich auch durch die Beigabe eines kräftigen Schlucks Milch gleich zu Anfang. Bei Sir Terence kamen nicht Rinderhack, sondern Kalbs- und Schweinehack an den Start. Außerdem fügte er nicht etwa „einfache“ Crème fraîche, sondern Crème double hinzu. Ich zögerte nicht, und kochte seine Rezeptur nach. Das Ragout schmeckte sehr gut, aber ich fand, man könnte noch etwas Fantasie obwalten lassen, um das Zusammenspiel der Aromen zu heben.
Klassenaufstieg
Unter einem Ragù verstehe ich klein geschnittenes, geschmortes Fleisch, das vom Rind, vom Schwein aber auch von Wildtieren und gar der Ente oder einer Gans stammen kann. Fleisch, das bei relativ niedriger Temperatur so lange geschmort wird, bis es schließlich beinahe zerfällt und auf der Zunge zergeht. Aufgrund des langen Bratvorgangs entsteht zudem eine sehr intensive, köstliche Bratensauce. Nichts gegen eine leckere Bolognese auf Basis von Hackfleisch, jedoch würde ich jedem empfehlen, die „Ragout-Methode“ zumindest einmal auszuprobieren. Die Gemüse vorzubereiten, bedeutet bei beiden Herangehensweisen den gleichen Aufwand. Das Ragout braucht eben nur mehr Zeit. Hat man diese, zum Beispiel an einem verregneten Wochenende, schmort sich dieses köstliche Gericht gemütlich ganz selbstständig im Ofen, während man es sich bequem macht oder an der frischen Luft spazieren geht. Es lohnt sich auf jeden Fall, denn es handelt sich bei dem Ragout im Vergleich zu einer Bolo um eine höhere Liga. Starten wir also durch zu „The Next Level“!
- Fleischstücke salzen und kräftig anbraten.
- Zwiebeln leicht Farbe nehmen lassen.
- Knoblauch und fein gehackte Gemüse (mit Ausnahme der Paprika) hineingeben. Mit Tomatenmark und Zucker karamellisieren. Mit Weißwein ablöschen und reduzieren.
- Rinderfond und Tomaten sowie Lorbeerblätter, Wachholderbeeren und Petersilie in den Topf geben und Fleisch leise schmurgeln lassen.
- In der letzten Stunde Paprikawürfel und Rosmarinzweige sowie Ingwer mitgaren.
- Fleisch herausnehmen, zerzupfen oder fein würfeln. Zurück in die Sauce geben und abschmecken.
- Restlichen Rosmarin knusprig frittieren und darüber geben.
Die Fleischstücke salzen und in einem Bräter mit Butterschmalz kräftig anbraten (falls mit Hackfleisch gearbeitet wird, das Gleiche tun) und beiseitestellen. In dem Bräter die Zwiebeln leicht Farbe nehmen lassen. Knoblauch und die fein gehackten Gemüse (mit Ausnahme der Paprika) hineingeben. Mit dem Tomatenmark und dem Zucker karamellisieren lassen. Mit Weißwein ablöschen und reduzieren, bis noch ungefähr ein Drittel der Flüssigkeit übrig ist. Nun den Rinderfond und die Tomaten sowie die Lorbeerblätter, die Wacholderbeeren und die Petersilie in den Topf geben und das Fleisch darin für 2,5 bis 3 Stunden leise schmurgeln lassen. Dabei den Topfdeckel ein ganz klein wenig geöffnet lassen. Zwischenzeitlich einmal die Flüssigkeit kontrollieren und gegebenenfalls Brühe nachgeben.
In der letzten Stunde die Paprikawürfel und einen oder zwei Rosmarinzweige sowie den Ingwer mitgaren. Das Fleisch herausnehmen, zerzupfen oder fein würfeln. Zurück in die Sauce geben und mit Salz und Pfeffer abschmecken. Den restlichen Rosmarin abzupfen knusprig frittieren und darüber geben.
Zu dem Gericht passen natürlich am besten Nudeln. Traditionell gehören italienische Eiernudeln dazu. Und natürlich darf eine Portion Parmesan oder anderer Hartkäse vom Feinsten nicht fehlen. Manchmal spendiere ich noch einige karamellisierte Kirschtomaten, denn die sehen schön dazu aus und bringen noch etwas Frische in das Gericht.
(Für 6 bis 8 Portionen)
Menge | Zutat |
---|---|
ca. 700 bis 800 g | Schmorfleisch vom Rind |
ca. 700 bis 800 g |
Schmorfleisch vom Schwein |
3 bis 4 EL | Butterschmalz |
4 mittelgroße | Zwiebeln (fein gewürfelt) |
2 mittelgroße | Möhren (fein gewürfelt) |
2 fingerdicke Scheiben | Knollensellerie (fein gewürfelt) |
4 bis 6 Stauden |
Staudensellerie (entfädelt und fein gewürfelt) |
6 Stiele | Blattpetersilie (mit Küchengarn gebündelt) |
1 | rote Paprika (feine Würfel) |
1 | grüne Paprika (feine Würfel) |
1 | Bio-Zitrone |
2 Zehen | Knoblauch (mit Salz zerdrückt) |
2 EL | Tomatenmark |
1 Prise | Zucker |
350 ml | trockener Weißwein |
500 ml | Rinderfond |
1 Dose (ca. 400 g) | stückige Tomaten |
3 | frische Lorbeerblätter |
3 bis 4 Zweige | Rosmarin |
6 EL | Olivenöl |
1 Daumen großes Stück | Ingwer |
6 bis 8 | zerdrückte Wacholderbeeren |
Salz | |
Pfeffer |