Pannfisch mit Bratkartoffelsalat

18. Oktober 2019
Ein kleines Mädchen, sechs Jahre alt, ein Wonneproppen, von allen geliebt. Annemarie Braun hat zwei lustige blonde Haarschwänzchen über den Ohren, zusammengehalten von riesigen Seidenschleifen. Immerzu hüpft sie unternehmungslustig von einem Bein aufs andere. Sie ist warmherzig, wissbegierig und für Streiche mit den älteren Brüdern stets zu haben. Natürlich ist das „Nesthäkchen“ der Liebling des gütigen Vaters, der ihr Vieles schmunzelnd durchgehen lässt. Die Mutter umhegt sie mit angedeuteter, jedoch liebevoll zurückgenommener, erzieherischer Strenge. Die kleine Annemarie liegt mir sehr am Herzen. Ich war auch einmal so ein Mädchen, auf das die Beschreibung von Annemie sehr gut passt. Ein Kinderfräulein und ein Stubenmädchen hatten wir zwar nicht. Aber weil ich keine „höhere Tochter“ war, durfte ich, anders als Annemarie, mit den Kindern auf der Straße spielen und musste mir nicht mit meinen Puppen und dem Piepmatz die Tage vertreiben.
Blockbuster „Nesthäkchen“ – Donnerknispel
Das ZDF verfilmte die „Nesthäkchen“-Bücher von Else Ury und hat sie 1983 im Weihnachtsprogramm ausgestrahlt. Annemaries Vater, der Arzt Dr. Ernst Braun, wurde gespielt von dem liebenswerten und sanften Christian Wolf. Mit seiner wohl tönenden Stimme und den freundlichen braunen Augen gewann er mein Backfischherz im Fluge. Stets blickte er wohlwollend auf sein Töchterchen, auch wenn das des Öfteren dieses oder jenes Ereignis mit dem kraftvollen Ausruf „Donnerknispel!“ quittierte und dafür Kritik verdient hätte. Derart kernige Ausdrücke sollten nicht in das sprachliche Repertoire eines feinen Mädchens gehören.

Die schöne und stolze Doris Kunstmann stellte Annemaries Mutter Elsbeth dar. Ihre Stimme, von einem weichen, tiefen Timbre, habe ich immer schon bewundert. Dabei ihr Vortrag gesetzt, geleitet von einem Hauch Noblesse und Hochherzigkeit. Die Buchbände hatte ich damals lange schon gelesen. Dass das Kapitel „Nesthäkchen im Kinderheim“ für mich eine übergroße Bedeutung haben würde, konnte ich seinerzeit noch nicht wissen. Das offenbarte sich erst durch die Verfilmung. Und schon überhaupt nicht konnte das „Nesthäkchen“ wissen, dass es mir ein großartiges Geschenk machen würde, dass mich bis heute viele Male glücklich sein ließ. Der herzige Wildfang erkrankte an Scharlach und wurde zur Erholung in ein Kinderheim auf die Nordseeinsel Amrum geschickt. Die faszinierenden Bilder von Strand und Dünen haben mich wie ein Blitz getroffen: „Donnerknispel!“

Am plattdeutschen Strand
Also haben wir uns auf den Weg gemacht zur Nordseeküste und der tausend Kilometer entfernten Insel und sind ihr verfallen. Nie werde ich den Augenblick vergessen, als ich in Norddorf hinter den haushohen Dünen auf den Strand stieß. Solch einen prächtigen, weißen, kilometerlangen Strand hatte ich noch nie gesehen. Leuchtend lag er vor mir mit dem fast weißen „Kniepsand“, diesem besonders feinen Sand, von dem jährlich weitere Mengen angespült werden, so dass er immerzu wächst. Und dahinter blaues Meer und blauer Himmel, der Übergang vom einen ins andere Blau war kaum zu erkennen: „Donnerknispel!“. Ich hatte das Gefühl, in diesem gewaltigen Anblick regelrecht zu ertrinken! Er hat mir die Sprache verschlagen, Gänsehaut gemacht und mir die Tränen in die Augen getrieben. Das war einer von diesen besonderen Momenten, die lebensverändernd sind. Die etwas mit einem machen, ganz tief im Inneren. Die die Seele singen lassen. Amrum!
Insel im Wind
Auf kleinem Raum finde ich alles, was ich brauche, um glücklich zu sein, und staune fortwährend über so viel Schönheit. Die Wattseite mit den Salzwiesen und Tausender am Boden brütender Vögel. Eine klangliche Melange aus Piepen, Zwitschern, Pfeifen und krächzenden Möwenschreien. Ich setzte mich hin, schaue und höre. Sofort herrscht tiefster Frieden im Inneren. Die Strandseite und die lang gezogene Nordspitze sind besiedelt von weiteren Seevögelscharen, die hoch oben in den Dünen brüten. Die stundenlangen Spaziergänge sind ebenso großartig bei blauem als bei bewölktem Himmel. Bei Flaute, Wind oder Sturm. Bei Ebbe oder Flut. Mich beeindruckt am meisten die auflaufende Flut, weil es immer wieder faszinierend ist, wie das Wasser zunächst unmerklich doch dann immer schneller steigt. Ein kraftvolles Schauspiel, das mich demütig macht und erdet. Im Angesicht solcher Pracht und überdauernder Gewaltigkeit, verlieren die Gedanken des klein-kleinen Alltags schlagartig ihre Bedeutung. Wenn ich oben auf der Aussichtsdüne sitze, empfinde ich das aus herangespülten Planken gezimmerte Holzbänkchen als den Thron der Welt! Da oben ich, der Wind und die Möwen, ganz weit unten ein paar Menschen. Mit schwerem Schritt im weichen Sand bahnen sie sich den Weg durch die Hügellandschaft, die, gäbe es nicht den Strandhafer, an eine Mondlandschaft erinnerte. Wenn es gut läuft, nehme ich nächsten Frühsommer wieder Platz auf meinem Thron! 💗

Von der Küste in die Pfanne
Zuvor beziehe ich jedoch in meiner Küche Stellung, um zunächst in Erinnerung, dann beim Genuss eines köstlichen „Pannfisch“ zu schwelgen. Pannfisch ist ein traditionelles Fischgericht, das überall an der Küste und natürlich auch in Hamburg, wo die Elbe den Fisch beschert, gegessen wird. Früher war Pannfisch ein Fischer-, Seefahrer, und Arme-Leute-Essen. Es gibt unzählige Rezepturen dafür und heute nimmt man dafür nicht die Reste, sondern die edlen Teile vom Weißfisch. Ich habe den Kabeljau mit Haut verwendet, so wurde die Angelegenheit appetitlich kross. Statt der mehlgeschwitzten Senfsauce, die eigentlich dazugehört, habe ich mich für die elegante Speckmayonnaise entschieden. Der Kalt-Heiß-Kontrast ist charmant. Statt der üblichen Bratkartoffeln, gab es bei mir dazu einen knusprige Bratkartoffelsalat, der durch die Gürkchen und das Dressing Spritzigkeit und Frische auf den Teller bringt. Die gepickelten Radieschen sind schnell gemacht und der absolute Clou: Sie verlieren durch das Einlegen ihre Strenge, verändern ihre Konsistenz hin zum Weicheren und verfärben sich sexy Pink. Die wachsweichen Wachteleier verleihen Pfiff. Ein traditionelles Gericht bekommt ein Facelift: „Donnerknispel!“.
- Für die gepickelten RadieschenSud kochen.
- Radieschen in Segmente schneiden und hinzugeben. Köcheln, dann abkühlen. Ziehen lassen.
- Bacon fein würfeln, in Öl erhitzen, darin abkühlen und über Nacht stehen lassen. Durch ein Sieb geben.
- Ei, Eigelb, Dijonsenf, Knoblauch, Chilisalz, Pfeffer und Zitronenabrieb aufmixen, Speck-Öl langsam hinzugeben.
- Mit Zitronensaft abschmecken und Senf einrühren. Kalt stellen.
- Gekochte Kartoffeln pellen und in Scheiben schneiden. Knusprig golden anbraten.
- Kartoffeln auf Küchenkrepp legen und abtupfen.
- Aus Essig, Öl, Weißwein, Senf, Zucker, Salz und Pfeffer ein Dressing rühren.
- Schalotte und beide Gurkenarten unterheben.
- Vor dem Servieren Kartoffelscheiben unterheben.
- Bacon-Scheiben knusprig braten. Auf Küchenkrepp geben.
- Einen Teil des gewürfelten vom Specköl knusprig anbraten.
- Fischfilets knusprig braten. Salzen und pfeffern, wenden. Garen lassen.
Für die gepickelten Radieschen aus den angegebenen Zutaten einen Sud kochen, 10 Minuten köcheln lassen. Die Radieschen in Segmente schneiden und hinzugeben. 2 Minuten leise köcheln, dann im Sud abkühlen lassen. Mindestens 24 Stunden ziehen lassen. Die süßsauren Radieschen halten sich in sauberen Weckgläsern mehrere Wochen im Kühlschrank.
Für die Speckmayonnaise die 80 Gramm Bacon fein würfeln, in dem Öl auf 90 °C erhitzen (Thermometer verwenden), darin abkühlen und über Nacht stehen lassen. Dann durch ein Sieb geben. Ein Teil des Bacon wird später kross gebraten und kommt als Topping auf den Fisch. Ei, Eigelb, Dijonsenf, Knoblauch, Chilisalz, Pfeffer und Zitronenabrieb in einen Mixbecher geben. Kurz am Boden aufmixen, bis es zu emulgieren beginnt, dann das Speck-Öl langsam einlaufen lassen, bis die Mayonnaise die gewünschte Konsistenz hat. Mit etwas Zitronensaft abschmecken und den körnigen Senf einrühren. Kalt stellen.
Für den Bratkartoffelsalat die gekochten Kartoffeln pellen und in nicht zu dünne Scheiben schneiden. Von beiden Seiten im Butterschmalz langsam knusprig golden anbraten. Dabei darauf achten, dass die Scheiben den Pfannenboden berühren und keinesfalls übereinander gestapelt liegen. So werden sie ultimativ knusprig. Nötigenfalls in 2 Schichten arbeiten. Kartoffeln auf Küchenkrepp legen und mit Küchenkrepp von oben abtupfen, so bleiben sie knusprig. Aus Essig, Öl, Weißwein, Senf, Zucker, Salz und Pfeffer ein Dressing rühren. Schalotte und beide Gurkenarten unterheben. 10 Minuten vor dem Servieren die Kartoffelscheiben unterheben. Unmittelbar vor dem Servieren die Schnittlauchröllchen und Kresseblättchen dazugeben.
Die Bacon-Scheiben in eine mit Backpapier ausgelegte Bratpfanne geben. Mit Backpapier abdecken, mit einem Topf beschweren, damit sie plan bleiben. Bei mittlerer Hitze langsam knusprig braten. Bis zum Servieren auf Küchenkrepp geben.
Für den Fisch einen Teil des gewürfelten Bacon aus dem Specköl knusprig anbraten. Die portionierten Fischfilets mit der Hautseite nach unten in dem Olivenöl bei nicht zu hoher Hitze knusprig braten. Salzen und pfeffern, wenden. Einige Minuten bei mittlerer Hitze garen lassen. Sie sollen innen noch leicht glasig und saftig sein. Beim Servieren auf der Haut mit etwas von dem knusprigen Bacon bestreuen. Auf dem Bratkartoffelsalat anrichten, mit Eihälften und gepickelten Radieschen ausgarnieren. Mit den Bacon-Segeln toppen.
(Zutaten für 2 Personen)
Menge | Zutat |
---|---|
|
Fisch und Speckmayonnaise |
300 g |
Kabeljaufilet (vorzugsweise mit Haut) |
2 EL |
Olivenöl |
80 g |
Bacon |
4 Scheiben |
Bacon |
40 ml |
mildes Olivenöl |
40 ml |
Sonnenblumenöl |
1 |
Ei |
1 |
Eigelb |
1 |
Knoblauchzehe |
1 |
Bio-Zitrone |
2 TL |
Dijon-Senf |
1 EL |
süßer körniger Senf |
|
Chilisalz, Pfeffer |
|
Der Bratkartoffelsalat |
400 g |
Salatkartoffeln (am Vortag gekocht) |
2 – 3 EL |
Butterschmalz |
2 EL |
Senfgürkchen (fein gewürfelt) |
4 EL |
Bio-Salatgurke (mit Schale fein gewürfelt) |
1 |
Schalotte (fein gewürfelt) |
½ Bund |
Schnittlauch (feine Röllchen) |
1 Beet |
Kresse |
2 EL |
Sonnenblumenöl |
2 TL |
Dijonsenf |
4 EL |
milder Balsamico Bianco |
4 EL |
fruchtiger Weißwein |
|
Salz, Pfeffer, Zucker |
|
Gepickelte Radieschen und Wachtelei |
1 Bund |
Radieschen |
250 ml |
Wasser |
250 ml |
Weißweinessig |
4 EL |
Zucker |
1 Prise |
Salz |
2 |
frische Lorbeerblätter |
2 EL |
Senfkörner |
Einige |
Wacholderbeeren (angedrückt) |
Einige |
Pimentbeeren |
6 bis 8 |
Wachteleier (3 Minuten gekocht) |
1 EL |
Butter |
|
Salz, Pfeffer |