Leipziger „Allerlei“ mit krossem Hühnchen

Leipziger „Allerlei“ mit krossem Hühnchen

2. Juli 2023

Der Legende nach ist „Leipziger Allerlei“ eine zweckorientierte, wenngleich durchaus schmackhafte Erfindung. Die anfangs des 19. Jahrhunderts reiche Stadt Leipzig überlegte, wie man sich Bettler und Steuereintreiber vom Halse halten könne. Denn diese hatten Wind vom Wohlstand der Leipziger bekommen und pilgerten zuhauf in die Stadt, um sich ihren Teil davon zu holen.

Das neidverhindernde Motto war von höchster Stelle vorgegeben: Wochentags sollte überwiegend Gemüse auf die Teller kommen. Ein kleines Stück Mettwurst oder „ein Krebslein aus der Pleiße“ waren lediglich am Sonntag gestattet. Die Bettler und Steuereintreiber wollte man auf diese Weise verdrießen, und sie würden hoffentlich von Leipzig ablassen. Die Idee mag zunächst als wirksam erschienen sein. Die Geschichte um das Leipziger Allerlei ist in Gänze meines Wissens nicht belegt, geschichtlich betrachtet war sie im Grunde jedoch letztendlich eine traurige.

Krieg bringt Hunger

Die napoleonischen Truppen ließen die Region nach Ende der Völkerschlacht ausgeplündert und hungernd zurück. Sich gegenseitig zu bekriegen hat noch nie Wohlstand bedeutet (wie wir auch in unserer Zeit wieder erschreckend und nachdrücklich sehen)!

Nach den guten Zeiten herrschte Hungersnot im Land. Tier und Geflügel waren geraubt worden und für den Rückzug als Wegzehrung beschlagnahmt. Keine Zeit war in der Hast der Flucht – zum Segen der Leipziger – die saftigen Krebse im Leipziger Wasserknoten, auch „Pleiße-Delta“ bezeichnet, abzufischen. Diese waren den Leipzigern also geblieben, vermehrten sich unverdrossen weiter und spendeten Segen.

Zudem brachte das fruchtbare Ackerland im Delta „allerlei“ Gemüse hervor und in den umliegenden Wäldern schossen „allerlei“ Pilze aus dem Boden, insbesondere die Morcheln. Diese sind frisch geerntet eine Delikatesse, lassen sich jedoch auch gut in getrockneter Form konservieren. So waren sie ganzjährig verfügbar und bereicherten nicht nur das „Allerlei“, sondern auch allerlei andere Speisen.

Leipzig in Kreide

Die Guten ins Töpfchen

Die Sache mit dem Verstecken – die als angeblich notwendig angesehen wurde – kann kritisiert werden. Einem Bettler ein Töpfchen Gemüse abzugeben, hätte Niemandem geschadet – im Gegenteil. Die List für die Steuereintreiber lasse ich unkommentiert 😉. Die Zutaten für das Leipziger Allerlei muss man aus meiner Sicht nicht eng sehen. In allen Regionen gibt es letztendlich „Garten-Suppen“. Nimmt man frische Gemüse, im frühen Sommer natürlich Möhren, Spargel und Erbsen, badet sie in rahmiger Sauce und reichert sie mit Morcheln an, kann man nichts verkehrt machen. Andere Gemüse im Hochsommer wie Blumenkohl, Kohlrabi oder Artischocken passen auch. Die Stadt Leipzig war demnach ganzjährig gut versorgt. Ob die Gemüse des Winters gepasst haben, ob es während der kalten Jahreszeit Krebse in der Pleiße gab, sie der Kälte trotzten und sich gar mit Kohl vertrugen, das weiß ich nicht. Es wäre jedoch ein herzerwärmender Gedanke 😉.

Klassiker Renaissance

Seit Jahren schon befasst sich die Gastronomie, gerade die gehobene, mit Klassikern aus Omas Küche. Die Rezepturen werden selbstverständlich gepimpt und auf ein höheres Niveau gehoben. Als junger Mensch aß man Omas und Muttis Gerichte zwar gerne, doch sie selbst zu kochen und Freunden aufzutischen war uncool. Das hat sich mittlerweile geändert. Social Media lässt einen darüber staunen, wie eifrig man sich über die besten Kohl- und Rindsrouladen oder Königsberger Klopse austauscht und wie eine gute Sauce „gebraut“ wird. Ohne Sauce ist so manches Gericht nur die halbe Miete … Das weiß übrigens auch Sternekoch Jens Rittmeyer. Er kocht diverse Saucen, Fonds und weitere Delikatessen, die er in seinem Online-Shop erfolgreich vermarktet. Stolz ist der passionierte Saucenkoch über den Zuspruch, stolz sind die Preise.

Küchengötter wie Dieter Müller, Vincent Klink und allen voran Sven Elverfeld in seinem dreifach besternten „Aqua“ in Wolfsburg bieten zwischendurch aus dem Bodenständigen kommende Gerichte an, wenn auch auf „gehoben“ durchdacht. Der Kunde ist gerne bereit, für den Aufwand, der einst selbstverständlich war, zu zahlen. Der ambitionierte Hobbykoch darf also beruhigt und stolz ebenfalls auf „Hausmanns“-Küche zurückkommen.  Oma hat schweigend und selbstverständlich vor dem Herd gewerkelt. Könnte sie es noch: Sie würde schmunzeln 💕.

Krosses Hühnchen im Leipziger Allerlei

Alle Fakten auf den Teller

Das Leipziger Allerlei aus meiner Küche kann sich sehen lassen. Die Leipziger versteckten, wie erwähnt, in dem Allerlei Wurst oder Krebse. Diese wurden dennoch auch unter der Woche hineingemogelt. Wir verstecken nichts, lassen im Gegenteil Krebse und Krebssud weg und ersetzen sie durch superkrosses Hühnchen. Mein Leipziger Allerlei ist aus frischen Marktgemüsen entstanden: Möhren, Erbsen, Spargel und Artischocken. Die Sauce ist eine zitronige Béchamel und besticht anstelle des häufig genommenen Estragons mit eleganterem Kerbel. Beständiges vermählt sich mit intelligentem Wandel!

  1. Hühnchenkeulen portionieren und anbraten.
  2. Im Backofen garen.
  3. Gegen Ende die Haut grillen.
  4. Aus Mehl und Butter Béchamel herstellen.
  5. Mit Ingwer und Meerrettich würzen.
  6. Gemüse garen, evtl. kurz anbraten.
  7. Gemüse und Sauce auf Temperatur bringen.
  8. Hähnchenteile auf den Gemüsen und der Sauce platzieren.
  9. Mit Kräutern der Wahl garnieren.
Das Leipziger Allerlei überzeugt durch seine Wandelbarkeit. Im frühen Sommer kommt es klassisch daher, man kann es jedoch auch mitten im Sommer genießen, sowie an den Herbst anpassen. Die cremige Sauce verbindet alle Zutaten und umschmeichelt sie. Beherztes Vorgehen verleiht jeder Kombination ein unwiderstehliches Aroma.

Die ausgelösten und portionierten Hähnchenkeulen salzen, pfeffern und in der Mischung aus Nussbutter und Olivenöl mehrmals wenden, damit sie rundherum überzogen sind. Herausnehmen und mit einem Hauch Mehl bestäuben. In der Öl-Butter-Mischung anbraten, so dass sie Farbe nehmen. Auf einem Gitter im Ofen bei nicht zu hoher Hitze (ca. 160 °C) langsam garen. Ein Auffangblech darunter platzieren. Kurz vor dem Servieren mit kräftiger Oberhitze die Haut bräunen.

Für die Sauce Mehl und Butter ohne Farbe anschwitzen. Mit Milch und Sahne ablöschen. Lorbeerblätter hinzufügen und ca. 20 Minuten leise einköcheln lassen. Lorbeerblätter entnehmen. Ingwer und Sahnemeerrettich hinzufügen, mit Tabasco, Salz und Pfeffer würzen. Beiseitestellen, warmhalten.

Die Artischockenviertel separat in Öl etwas mehr bräunen. Nach Belieben den blanchierten Spargel in etwas Butter Farbe nahmen lassen. Die Radieschen ca. 30 Minuten marinieren. Alle Gemüse in die cremige Sauce geben und auf Temperatur bringen. Mit Gefühl vorgehen. Sie sollen letzten Endes nicht al dente, sondern samtig sein. Dabei dürfen sie jedoch nicht zu weich werden.

Gemüse und Sauce in tiefe Teller füllen. Die Hähnchenteile anmutig mit der braunen Hautseite nach oben darauf platzieren. Je nach Geschmack etwas Meerrettich darüber hobeln. Mit Kerbelblättchen ausgarnieren.

Zutaten für 2 Personen

Menge Zutat

2

Keulen vom Biohähnchen (entbeint, portioniert)

1 bis 2 EL

Nussbutter (flüssig)

Etwas

Olivenöl

1 Hand voll

frische Erbsen (blanchiert, abgeschreckt)

4 kleine

Artischocken (geputzt, geviertelt, blanchiert)

8 bis 10

dünne Möhren (geputzt, mit etwas Grün)

8 bis 10

Radieschen (in Essig und Zucker kurz eingelegt)

1 Bund

grüner Spargel (kurz in Salzwasser blanchiert)

2 EL

Butter

Einige Stiele

Kerbel

2 EL

Butter

1 bis 2 EL

Mehl

½ Tasse

Milch

½ Tasse

Sahne

1

Bio-Zitrone

2

frische Lorbeerblätter

½ TL

Ingwer (frisch gerieben)

1 TL

Sahnemeerrettich

Etwas

frisch geriebener Meerrettich

Einige Spritzer

grüner Tabasco

 

Salz, Pfeffer

Diese Seite wurde zuletzt am 02.07.2023 um 12:16 Uhr aktualisiert.

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