Kartoffel-Ragout
11. Januar 2020
Der Kartoffelbauer Karsten Ellenberg aus der Heide hat dich, liebe Linda, gerettet und aufgrund seiner Aktion „Rettet Linda“ hast du es am 26. August 2005 bis in die Tagesthemen geschafft. Ulrich Wickert zeigte sich stocksauer über das kulinarische Attentat, das in letzter Minute vereitelt wurde. Lang lebe Linda!
Inspirierende Kochformate unterhalten den Zuschauer. Sind sie sehr klug entwickelt worden, kann er zudem etwas lernen. Zum Beispiel über gute Lebensmittel und über verantwortungsvolle Landwirte, die sie produzieren. Ein solches Format wird vom NDR produziert. Tarik Rose, Koch und Kerl von der „Waterkant“ präsentiert in „Iss besser!“ seine „wilde Küche“. Besucht unter anderem Bauern auf ihren Äckern, ihren Weiden und in ihren Ställen. Lernt selbst auch noch was und kocht mit bescheidenem Equipment auf den Höfen unkomplizierte jedoch kulinarisch intelligente Gerichte, stets auf einer Art Kanonenöfchen, drall und bauchig.
Kanonenöfchen-Schnack
Gut gelaunt ist Rose derweil zu einem „Schnack“ aufgelegt, lässig und charmant. Für die Drehs macht er sich hoftauglich und tauscht die cleane Kochjacke gegen kernige Flanellhemden. In einer der Sendungen lernte ich den Bioland-Hof der Ellenbergs kennen und staunte in Übereinstimmung mit dem Koch von der Elbe über die unglaubliche Vielfalt von Kartoffeln, die auf dem Hof in Barum, in der Lüneburger Heide, angebaut werden. Weit über hundert Sorten werden vorgehalten, für Neuzucht aber auch zur Erhaltung. Unermüdlich werden neue Kreuzungen erprobt, Kartoffeln und Sortiment immer weiter optimiert. Karsten Ellenberg sagt schmunzelnd, dieser fortwährende Prozess sei keine Mühe, sondern reine Freude. Letzteres glaube ich sofort, Ersteres nicht so ganz 😉.
Vom Kartoffel-Ranking und einer Silbe „lie“
Ich teile die Liebe zu den Kartoffeln, wenn auch vom anderen Ende der Produktionskette her. Die kräftezehrende bäuerliche Arbeit ist eher nicht mein Ding. Dafür ist mir beinahe keine Arbeit zu viel, wenn es darum geht, den köstlichen Knollen in meiner Küche zu der ihnen gebührenden kulinarischen Anerkennung zu verhelfen. Suppe, Salat, Auflauf, Kloß, Rösti, Fritte: Das Aufzählen meines gesamten Kartoffel-Habitats wäre zu umfänglich. Ein Ranking halte ich zudem für ungerecht! Seine Kartoffeln in einer Art persönlicher Beliebtheitsskala einzuordnen, fiele Karsten Ellenberg sicher ebenfalls schwer, da er alle seine Sorten schätzt, sonst würde er sie schließlich nicht anbauen. Jede hat ihre eigene Persönlichkeit, vom Aussehen über Kocheigenschaften bis hin zum wichtigsten Merkmal, dem Geschmack. In dem WDR-Format „Planet Wissen – Kartoffelvielfalt“ sehe ich den umtriebigen Landwirt wieder. Mit Begeisterung und Strahlkraft spricht er über das Wesen der Kartoffel und bekennt dann doch, dass er die „Rote Emmalie“ besonders mag, nicht nur weil sie so gut schmeckt und so schön cremig ist, sondern auch, weil sie den Namen von Großmutter Emma trägt. Die „Rote Emma“ gab es im Sortenregister bereits, also hat man das flotte „lie“ an Omas Name gehängt!
Das Monopol auf die Saatgutkiste
Ärgerlich hingegen stimmen Karsten Ellenberg die Saatgutmonopolisten, und damit steht er weiß Gott nicht alleine da. Die alten Sorten zu erhalten und weiterzuentwickeln, das ist seine Antwort auf das krude Diktat der Konzerne. Als sie „Linda“ aussortiert hatten, nahm er sich – gemeinsam mit gleichgesinnten Bauern – ihrer an und unter Einsatz einer nicht unerheblichen Lizenz-Gebühr wurde der überaus beliebten Kartoffel das Weiterleben ermöglicht. Es ist schon erschütternd, dass nicht mehr als vier Konzerne über das weltweit ausgebrachte Saatgut entscheiden. Und nicht genug damit: Sie haben den Einsatz von unter dem Oberbegriff „Pflanzenschutzmittel“ laufenden glyphosathaltigen Totalherbiziden globalisiert. Das Knospen und Sprießen der „Blaue Anneliese“, der „Violetta“ und der „Heidemarie“ sind denen keine Herzensangelegenheit, den Ellenbergs aber schon. In den Konzernen dreht sich alles um Marktmacht, bei Familie Ellenberg dreht sich alles um die Kartoffel. Im bestens sortierten Hofladen finden die Kunden sie alle. Wenn sie Saison hat, auch „La Bonnotte“, die ihre Wiege auf der winzigen französischen „Île de Noirmoutier“ hat und die, wenn sie tatsächlich dort geerntet wurde, eine sündhaft teure Rarität ist. Ich denke, in der Heide wird sie nicht mit Atlantik-Algen gedüngt, aber köstlich schmecken wird sie dennoch. 500 Euro, die französische Spitzengastronomen gerne mal für das Kilo hinblättern, wird der ambitionierte Kartoffel-Lukulliker auf dem Heidehof sicher nicht lassen müssen.
Ich nehme meinen leicht anwachsenden „Fußabdruck“ in Kauf, denn diese Kartoffeln aus passionierter landwirtschaftlicher Arbeit will ich probieren. Ich bestelle mir ein schönes Sortiment der Knollen. Wer weiß, vielleicht miete ich mir nächstens einen Hänger und schaue einmal persönlich in der Heide vorbei!
Linda – das ist dein Auftritt!
Mein heutiges Kartoffelragout widme ich der guten alten Kartoffel, im wahren Sinn des Wortes. Ganz besonders bedanke ich mich bei „Linda“ dafür, dass es sie noch gibt. Ich zeige, dass man mit solch feinen Kartoffeln, auch wenn sie im Allgemeinen als „einfach“ eingestuft werden, etwas sehr Besonderes machen kann. Mein Ragout aus kleinen Exemplaren der „Linda“ vom Heidehof veredele ich mit geschmorten Artischocken, gebratenem Rosenkohl, geschmolzenen Tomaten und lasse sie in einer feurig-spritzigen Tomatensauce baden gehen. Die Sauce wiederum bekommt den besonderen Kick durch sanfte Prisen von Vanille und Zimt. Einige Tupfer Knoblauchmayonnaise und hauchdünne Brot-Sticks verleihen ihr Klasse. Eine hochköstliche Rezeptur, blitzsauber und bildschön aufgetischt. Man soll nicht nach den Sternen greifen? Doch! Ich hole sie mir einfach herunter und vergebe einen Stern an Landwirte wie Karsten Ellenberg sowie an „Linda“ und ihre zahlreichen Brüder und Schwestern. Und mein Ragout, das hat auch einen Stern verdient! Mindestens! 😳
- Schalotten, Knoblauch und Chili fein schneiden.
- In Olivenöl anschwitzen, Zucker, Paprika und Tomatenmark hinzufügen, kurz karamellisieren. Mit Wermut ablöschen, leicht einreduzieren.
- Beeren, Anis und Koriandersaat in einen Teefilter geben, zubinden.
- Tomatenstücke, Brühe, Lorbeerblätter und Gewürzsäckchen köcheln lassen. Zimt und Vanillestange einlegen und mit ziehen lassen.
- Gewürzsäckchen und –stangen herausnehmen. Sugo mit Stärke abbinden, mit Zitronenabrieb, geriebenem Ingwer, Salz und Pfeffer würzen. Warmhalten.
- Mayonnaise mit Rahm vermischen, mit Knoblauchabrieb, Zitronenabrieb, Salz und Pfeffer würzen, kalt stellen.
- Artischocken putzen, vierteln und in Zitronenwasser legen.
- Tomaten überbrühen und häuten. Vor dem Servieren in aufgeschäumter Butter durchschwenken, salzen.
- Kartoffeln und Möhren schälen und zurecht schnitzen. In Salzwasser blanchieren. Im Sugo garziehen lassen.
- Rosenkohl putzen, halbieren, blanchieren, kalt abschrecken, abtropfen lassen.
- In Olivenöl und Butterschmalz schmoren.
- Artischockenviertel in Olivenöl und Butterschmalz schmoren. Vor dem Anrichten in den Sugo geben.
- Entrindetes Brot in Olivenöl knusprig rösten.
Für das Tomatensugo Schalotten, Knoblauch und Chili fein schneiden. In 2 EL Olivenöl anschwitzen, 1 TL Zucker, Paprika und das Tomatenmark hinzufügen, kurz karamellisieren. Mit Wermut ablöschen, leicht einreduzieren. Beeren, Anis und Koriandersaat in einen Papier-Teefilter geben, zubinden. Tomatenstücke, Brühe, Lorbeerblätter und Gewürzsäckchen 30 Minuten bei geöffnetem Topfdeckel leise köcheln lassen. Nach 15 Minuten Zimt und Vanillestange (im Ganzen) einlegen und mit ziehen lassen. Gewürzsäckchen und –stangen herausnehmen, abspülen, weiterverwenden. Sugo mit Stärke abbinden, mit Zitronenabrieb, geriebenem Ingwer, Salz und Pfeffer würzen. Warmhalten. Mayonnaise mit Rahm vermischen, mit etwas Knoblauchabrieb, Zitronenabrieb, Salz und Pfeffer würzen, kalt stellen.
Artischocken putzen, vierteln und sofort in Zitronenwasser legen, damit sie nicht dunkel anlaufen. Tomaten überbrühen und häuten. Vor dem Servieren in aufgeschäumter Butter durchschwenken, salzen. Kartoffeln und Möhren schälen und zurecht schnitzen („tournieren“), damit sie eine gleichmäßige oval-kugelige Form bekommen. Reste aufheben. Später mit weiteren übrig gebliebenen Gemüseteilen oder Schalen einen Fond kochen. Kartoffeln und Möhren 6 bis 8 Minuten in Salzwasser blanchieren, in dem Sugo garziehen lassen. Rosenkohl putzen, halbieren, 4 Minuten blanchieren, kalt abschrecken, abtropfen lassen. In etwas Olivenöl und Butterschmalz mit der Schnittseite nach unten schmoren, bis er gar und schön gebräunt ist. Artischockenviertel in etwas Olivenöl und Butterschmalz schmoren, bis sie kräftige Bratspuren haben. Vor dem Anrichten ebenfalls mit in den Sugo geben. Währenddessen das entrindete Brot in restlichem Olivenöl knusprig rösten, dabei mit einem zweiten Topf beschweren, damit die Scheibe sich nicht wölbt. Kartoffel-Ragout in einen kleinen Suppenteller oder Schale füllen, mit Sauerrahm-Mayonnaise und einigen Brot-Sticks garnieren. Wer möchte, gibt noch ein paar Kräuterblättchen oder fein geschnittenen Schnittlauch darüber.
(Für 2 Portionen)
Menge | Zutat |
---|---|
400 g |
kleine Kartoffeln (festkochend) |
2 mitteldicke |
Möhren |
4 kleine |
Artischocken (z. B. Poweraden) |
10 |
Kirschtomaten (möglichst mit Stiel) |
1 Hand voll |
Rosenkohl |
8 EL |
Olivenöl |
1 EL |
Butterschmalz |
2 EL |
Butter |
2 |
Schalotten |
2 |
Knoblauchzehen |
1 |
Rote Chilischote |
2 TL |
Tomatenmark |
2 TL |
Paprika edelsüß |
6 bis 8 cl |
Noilly Prat |
1 Tasse |
stückige Tomaten |
1 Tasse |
Geflügelfond (ersatzweise Gemüsefond) |
2 |
frische Lorbeerblätter |
2 Zacken |
Sternanis |
Einige |
Wacholderbeeren (angedrückt) |
Einige |
Pimentbeeren (angedrückt) |
2 TL |
Koriandersaat |
1 walnussgroßes Stück |
Ingwer |
1 |
Zimtstange |
1 |
Vanilleschote |
1 |
Bio-Zitrone |
1 bis 2 TL |
Speisestärke (aufgelöst) |
2 EL |
Mayonnaise (beste Qualität) |
1 EL |
Sauerrahm |
1 Scheibe |
Bauernbrot |
|
Zucker, Pfeffer, Salz |