Hühnchenduett, Erbsenrahm, Süßkartoffelpüree

Hühnchenduett, Erbsenrahm, Süßkartoffelpüree

11. Juni 2021

Ich hoffte bereits am Anfang auf positive Erkenntnisse aus der „Coronakrise“. Nun blicke ich im Juni 2021 zurück und denke an März 2020. Kann sein, dachte ich damals, „danach“ ist tatsächlich alles besser, unaufgeregter, wir alle porentief geläutert. Nachdem im Sommer letzten Jahres zwischenzeitlich die ersehnten „Lockerungen“ ausgerufen waren, wurde im Herbst alles wieder geschlossen. Neuer Lockdown! Klappe wieder zu! Auf ein Neues!

Nachdem der Corona-Lockdown etwas gemildert worden war, fleuchten viele Ungeduldige mit Flieger oder Bahn in die Umgebung möglicher „risikobefreiter“ Urlaubsländer und haben uns zum Teil Mutanten eingeschleppt. Auch auf privaten Parties oder Massenevents hat man sich ungeniert ausgelassen. Andere wiederum übten und üben sich in Zurückhaltung und Gelassenheit, schätzen das Zuhause und kochen im besten Fall etwas Tröstliches. Gut so, denn es hilft uns allen weiter! Ich empfehle Hühnchen in zwei Aggregatszuständen, supersaftig und superkross. Rahmige Erbsen und kuscheliges Püree sind ein Statement für Geborgenheit in gefährlichen Viruszeiten!“

Am 18. März 2020 geschah etwas Unvorstellbares, zumindest für mich. Seit Jahrzehnten im Unternehmen und mit dem „Haus“ verbunden, werde ich mitten am Tag mir nichts, dir nichts nachhause geschickt. Freundliche, doch etwas befangene Ansage vom Chef! Zwar hatten wir alle uns vor einigen Wochen schon vorsorglich mit Papierhandtüchern und Desinfektionsmittel ausgestattet, weil wir immer weniger Lust verspürten, die allgemeinen Hygienemittel in Toiletten und Teeküchen zu nutzen. Türklinken wurden zunehmend mit über die Hände gezogenen Pullovern angefasst. Am Morgen sprühten wir vorsorglich Tastaturen und Telefon ein. Personal einer Reinigungsfirma kam aus dem Nachbarland. Dort tobte Corona gerade heftig und weil niemand Genaueres wusste, war Distanz zum Hotspot das Mittel der Stunde. Kollegen, die in Frankreich wohnen, wurden gebeten, bis auf weiteres Zuhause zu bleiben. Keine Freude über die unerwartete Auszeit, betrübt verabschiedeten sie sich, nicht einmal mehr mit dem Ellenbogen. Mit einem Winken zogen sie von dannen. Nun waren also wir anderen an der Reihe.

Am Anfang der Stille

Alle, die nicht unmittelbar am Kerngeschäft beteiligt waren, und aufgrund technischer Gegebenheiten gezwungen waren, vor Ort arbeiten zu müssen, wurden nachhause beordert. Gerade hatte ich mir noch einen Tee aufgebrüht, die Lunchbox für die Mittagspause war schon ausgepackt. Der Verstand ratterte, um zu verstehen, was es noch nie gegeben hatte. Das Einordnen wollte nicht so recht gelingen. Zwar schwante einem schon, dass die Lage ernst war, was genau aber ein „Lockdown“ bedeuten würde, hatten sich die wenigsten bis zum Äußersten ausgemalt. Ich bin von schneller Auffassungsgabe, hatte jedoch große Mühe, die Situation als Realität zu empfinden. Ich fühlte mich vor den Kopf gestoßen, gewissermaßen von dem Virus ausgeknockt, auch wenn es mich noch nicht erreicht hatte und hoffentlich auch nicht erreichen würde. Es hatte sich stärker in unserem Alltag manifestiert und an diesem Tag etwas Entscheidendes verändert, denn nun wiesen die ergriffenen Sicherheitsmaßnahmen die Situation als greifbar bedrohlich aus. Bislang hatten die gewohnten Abläufe ein Restgefühl von Normalität vermittelt.

Ast im Frühling (Hartriegel)

Aus den Angeln gehoben

Ein wenig benommen fuhr ich mit den persönlichen Utensilien bepackt zur ungewohnten Tageszeit nachhause. Nun saß ich dem Liebsten gegenüber, und wir verspeisten den Inhalt der Bentōbox, die er am Morgen liebevoll bestückt hatte. Meine Freude hielt sich, ebenso wie mein Appetit, in Grenzen, die Situation war mir im wahrsten Sinn des Wortes auf den Magen geschlagen. Ich beschloss, meine Laufschuhe anzuziehen und eine flotte Runde zu drehen. Eine Maßnahme, die meine Laune stets zuverlässig hebt. Die Runde führte mich auch Richtung Stadt und Fußgängerzone. Ich wollte dort einmal nach dem Rechten sehen. Noch lief niemand mit Mund-Nasenschutz herum, aber auf mich wirkte das Szenario doch schon etwas gespenstisch. Schienen einige Menschen noch recht unbekümmert, sprangen andere schon hastig auf die gegenüberliegende Straßenseite, wenn man ihnen entgegenkam.

Erste Risse

Ich war schließlich froh, wieder im schützenden Zuhause angekommen zu sein, und wusch mir, wie schon antrainiert, wie rasend die Hände. Von Aerosolen hörte man dauernd, die für Stunden in der Luft stehen und sich auf Oberflächen halten konnten. Angefasst hatte ich nichts, dennoch schien mir das unsichtbare Kügelchen allgegenwärtig und nicht einschätzbar. Verschwenderisch benutzte ich meine hautschützende „Arztseife“ aus dem Drogeriemarkt und hatte nicht auf dem Schirm, dass die wohl bald vergriffen sein würde. Spätestens als Hände begannen, sich in feinkörniges Schmirgelpapier zu verwandeln, war und blieb das Regal leergefegt. Das Wort „Arzt“ schien heilende Kräfte zu versprechen. Gottlob fand ich im Regal an der Kasse noch Miniaturen einer anderen pH-neutralen Handseife, pfiff auf Vorsätze und Preis und hamsterte überteuerte Ware. Als kleine Entschuldigung dafür können meine durch verschiedene Ursachen – nicht zuletzt stundenlanges Werkeln für die FoodLady – anhaltend strapazierten Hände ins Feld geführt werden. Sie bedürfen einer Sonderbehandlung, sonst werden sie äußerst undamenhaft rau und rissig.

Hühnchenduett, Erbsenrahm, Süßkartoffelpüree

Lockerer Sparren in der Tonne

Zwischenzeitlich bin ich des unentspannten Ausgehens überdrüssig geworden. Mit Ausnahme der täglichen Waldspaziergänge oder -läufe klebe ich am Haus, versuche aber dennoch, den Alltag weiterhin zu strukturieren. Ich lerne einen mentalen Zustand kennen, den ich als leichte Eintrübung bezeichnen möchte, und übe mich in Achtsamkeit. Wehret den Anfängen, denn schließlich jammern der Liebste und ich auf höchstem Niveau. Wir verbieten uns das Klagen, doch die soziale Distanz zermürbt auf Dauer die stabilste Seele. Ich weiß um die Legende von „Diogenes“, der in einer Tonne lebte. Die nicht nachgewiesene Geschichte seines Lebens erzählt, er habe sich selbst als „Hund“ bezeichnet und sich in der Öffentlichkeit höchst unschicklich benommen. Vielleicht hatte er nach Jahren der selbstgewählten Einsamkeit zuletzt Schaden genommen und das erlitten, was man als „einen Sparren locker haben“ bezeichnet.

Ich koche gegen die Eintrübung an und die gekochten, fotografierten, verspeisten, jedoch noch nicht geschriebenen Rezepte sprengen mittlerweile den eigens dafür angelegten Ordner „zu Bearbeiten“. Hühnchen als Frikassee in schaumiger Erbsencreme einerseits und mit kross gebratener Haut andererseits, gebettet auf ingwerscharfes Süßkartoffelpüree hat die Stimmung mindestens für den Tag der Entstehung gerettet. Im Moment des Schreibens hebt es die Stimmung erneut, und zwar erheblich, denn langsam, zaghaft regt sich im Sommer 2021 wieder das Leben. Wenn alle einen kühlen Kopf und Distanz bewahren, wird die restliche Strecke bis zum Ende des Tunnels zu bewältigen sein. Das Licht ist schon zu erkennen!

Das Hühnerfrikassee

  1. Hähnchenkeulen mit den angegebenen Zutaten garen.
  2. Im Sud abkühlen lassen.
  3. Haut möglichst unbeschädigt abziehen. Später kross braten.
  4. Fleisch in mundgerechte Stücke schneiden.
  5. Erbsen blanchieren. Abschrecken.
  6. Butter aufschäumen. Mehl darüber geben. Leicht Farbe nehmen lassen.
  7. Mit Hühnerfond, Noilly Prat und Sahne köcheln.
  8. Fleisch in Hälfte der Béchamel aufwärmen.
  9. In der zweiten Hälfte die Erbsen aufwärmen. Kurz pürieren.
  10. Halb steif geschlagene Sahne unterheben. Würzen.

Die Hähnchenbrust und das Süßkartoffel-Püree

  1. Hühnerbrüste mit angegebenen Zutaten marinieren.
  2. Auf der Hautseite anbraten. Im Backofen garziehen lassen.
  3. Zum Schluss gegebenenfalls grillen.
  4. Süßkartoffeln garen, ausdampfen lassen, mit Rahm und Butter mixen, abschmecken.
Cremig-kräutriges Ragout von saftiger Hühnerkeule und auf der Haut knusprig gebratene zarte Hähnchenbrust geben sich ein Stelldichein mit fluffig-buttrigem Süßkartoffelpüree. Sauerrahm ist willkommener Gegenspieler zur Süße der Kartoffel, Orangenabrieb bringt den fruchtigen Kick. Extra krosse Hühnerhaut on top macht glücklich.

Das Hühnerfrikassee

Hühnchenkeulen mit Lorbeerblättern, Gewürzen, Knoblauchzehe, Petersilienstielen in eine Kasserolle legen. Wein angießen und mit ca. 1 Liter Wasser auffüllen. Salzen, eine knappe Stunde leise simmern und Keulen anschießend im Sud abkühlen lassen. Sud passieren, Haut von den Keulen abziehen, darauf achten, dass sie möglichst nicht zerreißt, beiseitestellen. Fleisch vom Knochen lösen und in gefällige Stücke schneiden.

Tipp: Die Hühnchenhaut zwischen zwei Backblechen kross ausbacken und als Topping zu dem Gericht servieren!

Erbsen kurz blanchieren und kalt abschrecken. Butter in der Kasserolle aufschäumen, Mehl hinzufügen und leicht Farbe nehmen lassen. Mit 2 Tassen vom Hühnersud ablöschen und glatt rühren. Noilly Prat und Hälfte der Sahne hinzufügen und die Béchamel 30 Minuten lang offen leise köcheln lassen, immer einmal wieder umrühren. Restliche Sahne halbsteif schlagen und bis zum Verwenden kalt stellen. Die Béchamel in zwei Hälften teilen. In der einen Hälfte das Fleisch behutsam aufwärmen. In der anderen Hälfte die Erbsen aufwärmen.

Vor dem Servieren die halbsteif geschlagene Sahne unter die Béchamel mit den Erbsen heben und kurz mit Mixstab aufschäumen. Die Sauce soll luftig und leicht grün gefärbt, die Erbsen jedoch nicht alle zerstört sein. Mit Salz und Pfeffer abschmecken, mit etwas Limettensaft und -Abrieb würzen. Vor dem Servieren die Kräuter darüber streuen.

Die Hähnchenbrust und das Süßkartoffel-Püree

Olivenöl mit Curry, Paprika, Sojasauce, Teriyakisauce, Saft und Abrieb von Limette und Zitronengras vermengen. Zusammen mit den Hühnerbrüsten in einen Gefrierbeutel geben, durchkneten, verschließen und mindestens 2 Stunden im Kühlschrank marinieren lassen. Zwischendurch einmal wenden. Brüste aus der Marinade nehmen und etwas abtropfen lassen, bei mittlerer Hitze auf der Hautseite anbraten, bis die Haut kräftig gebräunt ist. Unterseite mit der restlichen Marinade bestreichen. Brüste mit der Hautseite nach oben im auf 120 °C vorgeheizten Backofen 15 Minuten gar ziehen lassen. Eventuell gegen Ende die Grillfunktion zuschalten.

Die Süßkartoffeln schälen und in Würfel schneiden. In wenig Salzwasser mit Lorbeerblättern und Sternanis weich dünsten. Abgießen, zurück in den Topf geben, auf der abgeschalteten Herdplatte 10 Minuten ausdampfen lassen. Mit Sauerrahm und Nussbutter in einen Mixbehälter füllen und cremig aufmixen. Mit Chilisalz, Orangenabrieb, Ingwer, einigen Spritzern Orangensaft, Pfeffer und Muskat abschmecken.

Ragout und Süßkartoffelpüree nebeneinander auf Teller verteilen. Hühnchenbrust in Tranchen schneiden und auf das Püree setzen. Teller mit einigen Kräuter- und Blütenblättchen sowie der Hühnchenhaut ausgarnieren.

Tipp: In zwei kleinen Portionsschälchen angerichtet kommt das Gericht als sehr eleganter Zwischengang infrage.

Für 4 Portionen

Das Hühnerfrikassee

Menge Zutat

2

Hühnchenkeulen

1 Bund

Suppengrün (grob geschnitten)

1

Sternanis

2

frische Lorbeerblätter

6

Wacholderbeeren (angedrückt)

6

Pimentbeeren (angedrückt)

2 Stiele

Petersilie

Einige

getrocknete Steinpilze

Einige

getrocknete Tomaten

1

Knoblauchzehe

200 ml

trockener Weißwein

2 Tassen

Erbsen (TK)

2 EL

Butter

1 EL

Mehl

8 cl

Noilly Prat

1 Becher

Sahne

2 EL

frische Kräuter (gehackt)

1

Bio-Limette

 

Chilisalz, Pfeffer

Die Hähnchenbrust und das Süßkartoffel-Püree

Menge Zutat

2

Hühnerbrüste mit Haut

2 EL

Olivenöl

½ TL

Curry

½ TL

Paprika edelsüß

2 EL

Sojasauce

1 EL

Teriyakisauce

1

Bio-Limette

2 Stangen

Zitronengras (mehrfach angedrückt)

3 mittelgroße

Süßkartoffeln

2

Frische Lorbeerblätter

1

Sternanis

2 EL

Sauerrahm

1 EL

Nussbutter

1

Bio-Orange

½ TL

geriebener Ingwer

 

Chilisalz, Pfeffer, Muskat

Diese Seite wurde zuletzt am 11.06.2021 um 16:58 Uhr aktualisiert.

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