Grünkernbratlinge und Portweinschalotten

Grünkernbratlinge und Portweinschalotten

1. Januar 2023

Viele kennen „Grünkern“ nicht mehr. Ich hatte auch keine Vorstellung von ihm, bis mir eine Kollegin vor Jahren ein „Vollwertkochbuch“ schenkte. Sie hatte wohl meine Bereitschaft erkannt, neue Wege zur gesunden Ernährung beschreiten zu wollen.

In den Achtzigern war man auf dem Vollkorn-Gesund-Trip, und ich nannte ein Kochbuch von Barbara Rütting mein Eigen. Zunächst war ich skeptisch, was mir wohl eine in die Jahre gekommene Schauspielerin über gesunde und dazu köstliche (!) Ernährung zu erzählen hätte. Die Schauspielerin, vielfach ausgezeichnet, war mir nicht sehr stark im Bewusstsein, dafür war ich noch zu jung. Doch wurde ich auf sie aufmerksam durch ihr Engagement für Umwelt und Tierschutz sowie gesunde Ernährung. Damals demonstrierte ich mit großem Einsatz für Tierwohl und war als Folge dessen mehrere Jahre vegetarisch unterwegs. Gegen Atomkraftwerke waren wir sowieso, zumal „Cattenom“ praktisch vor unserer Haustür erbaut wurde. Man suchte sich geistige Mitstreiter in Versammlungen und Aktionen (wir waren aktiv bei „Greenpeace“). Aber auch in abendlichen Talkshows fand man „seinesgleichen“. Barbara Rütting war für mich also der personifizierte Protest, jedoch nicht auf Krawall gebürstet, vielmehr zeichneten sie aus meiner Sicht Lauterkeit und Standhaftigkeit aus.

Zwischen Bühne und Backofen

Barbara Rütting wurde ein Symbol für viele unserer Werte und am Nächstliegenden war das Kochen nach ihren Rezepturen. Ich versuchte mich zunächst an dem „Barbara-Rütting-Brot“, einem Vollkornbrot auf Roggenbasis mit einer speziell von Rütting entwickelten Gewürzmischung aus Fenchel, Kümmel und Koriander. Der Liebste hat im Laufe der Jahre sein eigenes Brot danach entwickelt, das wir bis heute lieben. Wir haben vieles aus Rüttings Buch ausprobiert, nicht alles fand dauerhaften Einzug in unser kulinarisches Repertoire! Von einem speziellen Müsli, einem Frischkornbrei, der abends angesetzt und morgens roh verspeist wurde, bekamen wir einen übersäuerten Magen. Gesund hin oder her, nach einiger Zeit hatten wir den Brei satt 🤮! Einem weihnachtlichen Früchtebrot („Kletzenbrot“) blieben wir hingegen viele Jahre lang treu.

Grünkernfeld

Noch grün an den Körnern

Grünkern ist das halbreif geerntete Korn des Dinkels, das künstlich getrocknet wird. Früher hat man das Korn auf diese Weise vor Fäule bewahrt, wenn vor der Erntereife schlechtes Wetter angesagt war. Grünkern ist extrem gesund für Gehirn und Nerven, er schmeckt lecker und leicht räucherig, da die Körner über Holzfeuer gedarrt werden. Auch das Rösten auf dem Backblech verleiht ihm einen tiefen, nussigen Geschmack. Den Grünkern bekommt man im Ganzen oder bereits geschrotet, sowohl grob als auch fein. Je nachdem, was man zubereiten möchte, wählt man sich die gewünschte Konsistenz aus, oder man mischt sie. Für ein leichtes Süppchen nehme ich den feinen Mahlgrad, für Bratlinge mische ich beides. Durch gute Behandlung und geschickten Einsatz kommt das selten gewordene Getreide aus meiner Sicht elegant daher und nicht derb, wie manch einer denken könnte. Liest man, dass er im Reformhaus oder in Naturkostläden zu bekommen ist, kommt einem möglicherweise wieder die Vollwertküche der achtziger Jahre in den Sinn. Um es vorwegzuschicken, nachdem ich mich auf seine Fährte gemacht hatte, kam ich nicht mehr los von ihm 😍!

Derbes Korn – trocken und sperrig

Der Weg allerdings war bisweilen steinig. Der erste „Grünkernbraten“, den ich zubereitete, war ein trockenes, sperriges Ding, das bräunlich-grau aus der Kastenform purzelte. Geschmeckt hat er weder uns selbst, noch den Gästen, war er doch recht derb und widerspenstig. Ich dachte mir, das müsse besser gehen und „fuhrwerkte“ weiter am später geliebten Grünkern herum, zunächst noch leicht unbeholfen und beinahe fremdelnd. Allmählich wurde es besser und heute bin ich mit meinen Bratlingen mehr als zufrieden. Sie sind fluffig, saftig und kräutrig. Klein und golden sehen sie aus und schmecken frisch aus der Pfanne ganz knusprig am besten.

Grünkernbratling

Grünkern-Influencing

Ich möchte mit Ehrgeiz dem Grünkern nach vorne verhelfen und stelle daher heute ein Rezept für köstliche Grünkern-Bratlinge vor, das kein Geringerer als Johannes King entwickelt hat. Er hat dem Grünkern in die Sterneküche verholfen. Seine erlesene Gästeschar im „Söl’ringhof“ auf Sylt ist seit Jahren begeistert davon. Inzwischen wird sein Grünkern-Bratling in der Gourmetliteratur als „Klassiker“ bezeichnet. Im Söl’ringhof wurde er mit Sellerie-Senf serviert. Ich hoffe, dass es in dem exquisiten Hotel immer noch die Bratlinge gibt, obwohl Johannes King das Zepter als Küchenchef im Söl’ringhof weitergegeben hat.

Ein Teller der Superlative

Zu den Bratlingen gibt es bei mir Portweinzwiebeln, Rahmkohlrabi mit Petersilie und, in Anlehnung an die von King entwickelte Rezeptur, ein Sellerie-Kartoffelpüree mit Trüffelbutter. Dieser Teller ist vegetarisch, doch das allein beschreibt ihn bei weitem nicht in seiner Gänze. Er ist raffiniert, elegant und kulinarisch gesehen vom Feinsten. Ist „delikat“ zu altmodisch? Dann entscheide ich mich für „auserlesen“!

Die Grünkern-Bratlinge

  1. Grünkern schroten, aufkochen und quellen lassen.
  2. Brotwürfel goldbraun rösten.
  3. Abgekühlte Masse mit Eiern und übrigen Zutaten vermengen.
  4. Abschmecken.
  5. Goldbraun ausbacken.

Die Balsamico-Schalotten

  1. Schalotten langsam goldgelb braten.
  2. Pfannenansatz karamellisieren und Fond herstellen.
  3. Diesen mit Butter montieren.
  4. Schalotten zum Erwärmen einlegen.

Der Rahmkohlrabi

  1. Kohlrabi blanchieren.
  2. Béchamel herstellen.
  3. Kohlrabi bis zum Servieren warmhalten.

Das Sellerie-Kartoffel-Püree

  1. Sellerie und Kartoffeln weich garen.
  2. Mit Sahne und Sauerrahm pürieren.
  3. Mit Butterflöckchen belegen.
Die Grünkernbratlinge treten durch ihren nussigen Geschmack und die fluffige Konsistenz ungewohnt elegant in Erscheinung. Die Balsamico-Schalotten unterstützen durch herb-süße Kernigkeit. Rahmkohlrabi und Sellerie-Kartoffelpüree schenken Cremigkeit. Die Trüffelbutter treibt die Gaumenfreude auf die Spitze.

Die Grünkern-Bratlinge

Grünkern in Gemüsebrühe mit zwei frischen Lorbeerblättern kurz aufkochen und garziehen, dann abkühlen lassen. Käse, Tomatenmark, gedünstete Zwiebeln und Eier untermengen. Das Brot in der Butter langsam gemütlich golden rösten. Brotwürfel mit Pinienkernen leicht unter die Grünkernmasse heben. Kräuter fein schneiden, sofort hinzufügen. Mit Knoblauch, Ingwer, Paprika, Salz, Pfeffer und Muskat vermengen. Dabei nicht zu fest kneten, damit die Bratlinge nicht klebrig werden.

In Olivenöl und Butter kleine Küchlein, langsam ausbacken, bis sie goldbraun und knusprig geworden sind.

Tipp: Ein kleines Probeküchlein ausbraten und prüfen, ob der Geschmack passt.

Die Balsamico-Schalotten

Die Schalotten schälen und der Länge nach halbieren. Dann nochmals so halbieren, dass sie am Strunk zusammenhalten. Sie sollen beim Braten nicht auseinanderfallen. Schalotten in einer Mischung aus Olivenöl und Butter langsam mit aufgesetztem Deckel bräunen, dabei leicht salzen. Sie dürfen kräftig goldbraun, jedoch keineswegs zu dunkel werden, denn sonst besteht die Gefahr, dass sie bitter schmecken. Den Vorgang im Auge behalten. Schalotten entnehmen, beiseitestellen.

Den Pfannenansatz mit Tomatenmark und Zucker leicht karamellisieren. Mit Brühe ablöschen, ohne Deckel um ein Drittel Einreduzieren. Portwein angießen, nochmals um ein Drittel reduzieren. Mit Misopaste, Sojasauce, Ponzusauce, möglicherweise noch etwas Salz und Pfeffer abschmecken. Die Schalotten einlegen und warmhalten. Vor dem Servieren die Schalotten nochmals kurz entnehmen und die Sauce mit der kalten Butter montieren. Wenn sie schön glänzt, Schalotten wieder einlegen und servieren.

Der Rahmkohlrabi

Den Kohlrabi schälen, das harte Ende abschneiden. Kohlrabi in feine Würfel (ca. 1 cm) schneiden. In Salzwasser blanchieren, bis er al dente ist. Abgießen, abtropfen lassen. Für die Béchamel das Mehl in der Butter anschwitzen und ganz leicht Farbe nehmen lassen, bis es zu duften beginnt. Topf beiseiteziehen, Brühe unterrühren, mit dem Schneebesen rasch verrühren, so dass keine Klümpchen entstehen. Aufkochen, Milch und Lorbeerblatt hinzufügen. Ca. 15 Minuten köcheln, bis die Sauce andickt und der Mehlgeschmack verloren geht. Immer wieder umrühren, denn die Sauce setzt leicht an. Sauce mit Salz, Pfeffer und Muskat sowie Zitronensaft und Zitronenabrieb würzen. Kohlrabi hinzufügen und zum Durchwärmen auf kleiner Flamme ziehen lassen. Nicht mehr kochen! Vor dem Servieren die fein gehackten Kräuter (Petersilie und etwas Liebstöckel) unterheben.

Das Sellerie-Kartoffel-Püree

Für das Sellerie-Kartoffel-Püree Sellerie und Kartoffeln schälen, würfeln und in Salzwasser garen, bis sie weich sind. Abgießen. Mit Senf, Sahne und Sauerrahm pürieren. Dabei die Sahne vorsichtig dosieren, damit das Püree nicht zu flüssig wird. Mit Salz und Muskat würzen. Bis zum Servieren warmhalten, dann in Servierringe füllen und mit den Butterflöckchen bestücken. Mit den Ringen auf den Tellern platzieren, Ringe abziehen, sofort servieren.

Die Grünkern-Bratlinge

Zutaten für 4 bis 6 Portionen

Menge Zutat

100 g

Grünkern (grob geschrotet)

25 g

Grünkern (fein geschrotet)

300 ml

Gemüsebrühe

2 Blatt

frischer Lorbeer

45 g

mittelalter Gouda (gerieben)

25 g

Tomatenmark

30 g

Zwiebeln (fein geschnitten, gedünstet)

1 EL

Butter

1

Ei

1

Eigelb

25 g

sehr fein gewürfeltes Weißbrot

2 bis 3 EL

Butter (für das Weißbrot)

3 bis 4 EL

Pinienkerne (geröstet)

1 gute Hand voll

Kräuter der Wahl (Petersilie, Schnittlauch, Koriander, etwas Rosmarin)

1 Zehe

junger Knoblauch (fein gerieben)

1 Daumen großes Stück

Ingwer (fein gerieben)

1 Prise

Paprika edelsüß

 

Salz, Pfeffer, Muskat

2 EL

Olivenöl

2 EL

Butter

Der Rahmkohlrabi

Menge Zutat

2 kleine

Kohlrabi

1 EL

Mehl

2 EL

Butter

150 bis 200 ml

Geflügelbrühe (ersatzweise Gemüsebrühe)

150 bis 200 ml

Milch

1

frisches Lorbeerblatt

1

Bio-Zitrone

1 EL

Crème fraîche

4 Stiele

Blattpetersilie

Einige Blättchen

Liebstöckel

 

Salz, Pfeffer, Muskat

Das Sellerie-Kohlrabi-Püree

Menge Zutat

½ kleine

Sellerieknolle

2 mittelgroße

Kartoffeln (mehlig kochend)

100 ml

Sahne

2 EL

Sauerrahm

1 TL

Dijon-Senf

Einige Flocken

Trüffelbutter (gekühlt)

 

Salz, Pfeffer, Muskat

Diese Seite wurde zuletzt am 01.01.2023 um 13:51 Uhr aktualisiert.

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