Grünkern-Wirsing-Päckchen auf Schmandgurken

Grünkern-Wirsing-Päckchen auf Schmandgurken

19. Februar 2016

Vor vielen Jahren schenkte mir eine Kollegin, die aus gesundheitlichen Gründen auf vegetarische Vollwertkost umgestiegen war, ein kleines Kochbuch. Ein unscheinbares Taschenbuch aus umweltfreundlichem Papier: „Schlemmereien aus der Vollwertküche“ von Barbara Rütting. Einfach so. Danach wurde alles anders. Ich lernte in ihr eine Köchin, Umweltschützerin und Autorin kennen, die voll und ganz von dem überzeugt ist, was sie tut und schreibt. Die diese Welt und ganz sicherlich mein Leben mehr als nur ein bisschen besser gemacht hat. Das Buch hat mich sofort entflammt. So viele neue Anregungen stürmten auf mich ein. Spannende Impulse, die unbekannte Wege eröffneten. Nicht nur in der Küche.

Ich war 23 Jahre alt und hatte mich zu diesem Zeitpunkt zwar auch schon sehr für das Kochen interessiert. Aber eben eher im klassischen Bereich. Nun lernte ich unglaublich viel dazu. Lebensmittel und Zutaten, von denen ich bislang nur gehört, oder sogar noch nie etwas gehört hatte, kamen in meinen Fokus. Danach wurden zügig weitere Vollwertkochbücher angeschafft. Es kam eine Schnitzermühle ins Haus. Zunächst eine kleine, von Hand betriebene. Dann eine elektrische. Denn es waren größere Getreidemengen zu verarbeiten, weil wir – so im Vollwertfieber – natürlich auch anfingen, unser Brot selbst zu backen. Mit unserem eigenen Sauerteig.

Nun lebten wir also von da an – für uns selbst völlig überraschend – fleischlos. Für mindestens vier Jahre. „Vegetarisch“ kommt mir nur zögerlich über die Lippen. Dazu ließen wir uns zu positionslos auf diesen Selbstversuch ein. Neugier war der Antrieb. Einfach mal schauen, was ohne Fleisch so alles geht. Nicht dogmatisch. Wenn mir – was gelegentlich vorkam – nach einem Würstchen zumute war, dann habe ich eben eines gegessen. Aber nur Bio! Das war der Kompromiss, der gegen das schlechte Gewissen über die Schwachheit wirken sollte. Jedoch hatten wir von unserem Küchenplan Wurst und Fleisch verbannt. Damals war es noch weit verbreitet, dass Menschen, mit denen man auf dieses Thema zu sprechen kam, fragten: „Und ihr esst immer nur Beilagen?!“.

Es begann für uns eine spannende Phase mit vielen unglaublich leckeren Gerichten. Ich lernte, dass man rote Bete nicht nur als Salat verzehren kann. In Folie mit Lorbeer und Kümmel gebacken, eröffnete sich eine neue kulinarische Erfahrung. Ich lernte, mit Avocados und Artischocken zu hantieren, was damals noch nicht alltäglich war. Ich buk Gemüsepasteten aller Art. Lernte aus Cashewnüssen und Fond eine köstliche vegane Sahne herzustellen. Und ich lernte Grünkern kennen. Nun geht mein Gedankenfluss in die Zielgerade. Schade eigentlich, ich würde so gerne weiter erzählen!

Die ersten selbst hergestellten „Grünkernbratlinge“ – was für ein Wort! – waren noch recht sperrig, fast könnte man sagen spröde. Damals hing der Vollwertküche ohnehin noch ein recht freudloses Image an. Der nussige Geschmack des Grünkerns hat mich dermaßen fasziniert, dass ich pausenlos herumexperimentierte. Ich habe meine Rezepturen nach und nach verfeinert, bis ich schließlich zufrieden war.

Ich stelle euch heute ein Gericht vor, von dem ich vollends begeistert bin.

Grünkern wird zunächst in Rinderfond mit frischem Lorbeer gegart. Durch Zugabe von Einweichwasser der Steinpilze erhält die Masse eine unglaubliche Tiefe. Sie schmeckt schon zu diesem Zeitpunkt köstlich. Leider habe ich mir beim Probieren die Zunge verbrannt! Der strenge Vegetarier nimmt eine Gemüsebrühe. Das funktioniert auch, aber der Rinderfond ist perfekt dazu. Die Grünkernmasse wird mit Lauch, Steinpilzen, Manchegokäse, Walnüssen und vielen weiteren Bestandteilen zu einer saftigen Füllung verarbeitet und anschließend zu putzigen kleinen Wirsingpäckchen gefaltet. Dazu gibt es ein cremiges Gurkengemüse mit Schmand, süßem Senf, Kapern und Kräutern. Obendrauf als Topping kommt ein süß-saurer lauwarmer Salat aus bunten Paprikawürfelchen. Mit diesem Gericht schwingt man sich zu höchstem fleischlosem Glück auf. Versprochen!

Die Wirsingpäckchen

  1. Steinpilze einweichen.
  2. Grünkern schroten.
  3. Schrot mit dem Einweichwasser der Pilze und Rinderbrühe mit Lorbeerblättern ca. 25 bis 30 Minuten quellen lassen. Ausdampfen und abkühlen lassen.
  4. Äußere, feste Blätter vom Wirsing abnehmen. Wirsingkopf in kochendes Salzwasser tauchen. Blätter für die Röllchen ablösen. Blätter abschrecken und abtropfen lassen.
  5. Zwiebeln und Knoblauch fein hacken, Möhre, Lauch, ein Drittel Paprika und Zucchini fein würfeln.
  6. Zwiebeln und Knoblauch in Olivenöl anschwitzen und Möhrenwürfelchen hinzugeben. Mit Rinderbrühe garen.
  7. Paprika und Zucchiniwürfel dazu geben und kurz dünsten.
  8. Steinpilze hacken, Walnüsse anrösten und grob hacken, Petersilie fein schneiden, Manchegokäse fein reiben.
  9. Alle Zutaten mit Ei, Eigelb, Speisestärke und Semmelmehl vermengen. Mit Muskat, Chilisalz und Pfeffer abschmecken.
  10. Füllung auf ein Wirsingblatt geben, Seiten einschlagen und Päckchen daraus formen. In Butterschmalz anbraten. Schmurgeln lassen, bis der Wirsing Farbe genommen hat.
  11. Restliche Paprika würfeln. In Rinderbrühe dünsten. Mit Zucker, Salz und Pfeffer würzen. Senf und Essig zugeben, mischen und ziehen lassen.

Die Schmandgurken

  1. Gurken schälen, entkernen und quer in Streifen schneiden.
  2. Schalotte fein würfeln. In Butter glasig schwitzen. Gurken und Zucker hinzufügen und kurz mit schwitzen. Geflügelfond angießen und Gurkenscheiben garen. Mit Speisestärke leicht binden und aufkochen lassen. Schmand, Kapern, Senf, gehackten Koriander sowie Abrieb von Zitrone und Ingwer unterheben. Mit Salz und Pfeffer würzen.

Die Wirsingpäckchen

Die Steinpilze mit lauwarmem Wasser einweichen. Den Grünkern schroten. Die eine Hälfte grob, die zweite Hälfte etwas feiner. Das Schrot mit dem Einweichwasser der Pilze und zunächst 300 ml von der Rinderbrühe zusammen mit zwei frischen Lorbeerblättern und etwas Salz aufwallen und anschließend quellen lassen. Das dauert ca. 25 bis 30 Minuten. Gegebenenfalls noch etwas Brühe zugeben. Dann ausdampfen und abkühlen lassen.

Die äußeren, festen Blätter vom Wirsing abnehmen. Den verbleibenden Wirsingkopf auf eine stabile Fleischgabel spießen und in kochendes Salzwasser tauchen. So lassen sich die Blätter für die Röllchen komfortabel ablösen. Den Vorgang wiederholen, bis man genügend Blätter vor sich hat. Die Blätter abschrecken, abtropfen lassen und die Strünke flach schneiden, so dass man sie später leichter rollen kann. Dann zwischen zwei Küchenhandtüchern plan auslegen. Zwischen die Handtücher und die Wirsingscheiben jeweils eine Lage Küchenkrepp geben. Nun mit einem Nudelholz über die ausgelegten Blätter rollen. Sie sollen möglichst trocken sein und werden durch diesen Bearbeitungsschritt „gefügiger“.

Für die Füllung die Zwiebeln und den Knoblauch fein hacken, Möhre, Lauch, ein Drittel der Paprika (ca. 120 g) und Zucchini sehr fein würfeln. Zwiebeln und Knoblauch in 1 EL Olivenöl anschwitzen und die Möhrenwürfelchen hinzugeben. Ein wenig von der Rinderbrühe zufügen und die Möhrenwürfel zugedeckt ca. 3 Minuten garen. Nun Paprika und Zucchiniwürfel dazu geben und bei geöffnetem Topfdeckel kurz dünsten. Die Gemüse sollen noch einen leichten Biss haben. Steinpilze hacken, Walnüsse anrösten und grob hacken, Petersilie fein schneiden, Manchegokäse fein reiben.

Alle Zutaten in einer Schüssel mit einem Ei, zwei Eigelben, der Speisestärke und dem Semmelmehl geduldig vermengen. Kräftig mit Muskat, Chilisalz und Pfeffer abschmecken. Ich empfehle, wie immer, ein Probeklößchen zu machen. Nur so kann man die Füllung auf den Punkt abschmecken. Die Mühe lohnt sich!

Nun jeweils einen guten Esslöffel der Füllung auf ein Wirsingblatt geben, die Seiten einschlagen und gleichmäßige Päckchen daraus formen. In dem heißen Butterschmalz anbraten. Auf der Nahtseite beginnen, damit die Päckchen geschlossen bleiben. Gemütlich schmurgeln lassen, bis der Wirsing Farbe genommen hat. Etwas Zucker hinzugeben. Das ist für den Geschmack der Päckchen maßgeblich, denn Wirsing – wie alle Kohlarten – entwickelt ein besonderes Aroma durch bräunen, insbesondere in Verbindung mit Zucker.

Die restliche Paprika ebenfalls würfeln. Diesmal nicht ganz so fein. Mit etwas Rinderbrühe al dente dünsten. Mit Zucker, Salz und Pfeffer würzen. Senf und Essig zugeben, mischen und ziehen lassen. Beim Servieren über die aufgeschnittenen Wirsingpäckchen geben. Das sieht nicht nur bildhübsch aus, sondern bringt noch eine zusätzliche Frische in das Gericht.

Die Schmandgurken

Die Gurken schälen, entkernen und quer in Streifen schneiden. Nicht zu fein, damit sie Struktur behalten. Die Schalotte fein würfeln. In der Butter glasig schwitzen. Die Gurken und den Zucker hinzufügen und kurz mit schwitzen. Den Geflügelfond angießen und die Gurkenscheiben garen. Sie sollen noch ein wenig knuspern. Also nicht zu weich kochen. Einfach mal probieren, wie es genehm ist! Mit der Speisestärke leicht binden und nochmal aufkochen lassen. Schmand, Kapern, Senf, gehackten Koriander sowie etwas Abrieb von Zitrone und Ingwer unterheben. Mit Salz und Pfeffer würzen.

Die Schmandgurken zuunterst auf den Tellern anrichten. Dann die aufgeschnittenen Päckchen aufsetzen und diese dekorativ mit den marinierten Paprikawürfelchen garnieren. Ich verleihe meinem Überschwang für dieses Gericht Ausdruck, indem ich mich wiederhole: Zum Schwelgen köstlich!

(Für 4 Personen)

Die Wirsingpäckchen

Menge Zutat
140 g Grünkern (frisch geschrotet)
2 frische Lorbeerblätter
1 mittelgroßer Wirsing
2 mittelgroße Zwiebeln
2 Zehen Knoblauch
2 Paprika (rot und gelb)
80 g Möhren
80 g Zucchini
2 EL Olivenöl
2 EL Butterschmalz
400 ml Rinderbrühe
3 Eier
30 g getrocknete Steinpilze
½ Stange Lauch (die hellen Teile)
½ Bund Petersilie
80 g Manchego-Käse
50 g Walnüsse
40 bis 60 g Semmelmehl
2 EL Speisestärke
2 EL fruchtiger Essig (z.B. Mirabellenessig)
1 TL Dijon-Senf
  Muskat
  Chilisalz
  Pfeffer
  Zucker

Die Schmandgurken

Menge Zutat
3 Schmorgurken (à ca. 160 g)
1 Schalotte
1 EL Butter
6 Stiele Koriandergrün
½ Becher Schmand
½ Tasse Geflügelfond
2 TL Speisestärke (aufgelöst)
1 TL Zucker
2 EL kleine Kapern
1 Bio Zitrone
1 daumengroßes Stück Ingwer
2 EL süßer Senf
  Salz
  Pfeffer

Tipp

Eine etwas größere Menge von der Grünkernmasse zubereiten. Man kann auch köstliche kleine Buletten daraus backen. Dafür etwas mehr Semmelmehl an die Masse geben, damit sie etwas kompakter wird. Die Buletten – ich hatte diesmal 6 Stück à 75 Gramm – schön gleichmäßig formen und in feinem Grieß wenden. Dann vor dem Backen für ca. 1 Stunde in den Kühlschrank geben, damit sie besser „in Form“ bleiben. Die Buletten schmecken kalt sehr lecker und machen sich gut als Patties für Burger!

Diese Seite wurde zuletzt am 22.11.2019 um 15:50 Uhr aktualisiert.

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