Gratinierte Lauchrahmnudeln
24. Oktober 2021
Im Herbst und Winter ist meine Küche ein Ort gemütlichen Werkelns mit chilliger Lounge-Musik und oft auch einem Gläschen „Küchenwein“. Gemüse kommt bei uns fast täglich auf den Tisch und sämtliche Reste nach dem Putzen werden ebenfalls verwendet. Bei Bio-Gemüse auch die Schalen von Möhren oder Pastinaken, selbst Abschnitte von Zwiebeln wandern nach einigem Sammeln in einer Box im Froster schließlich in einen großen Topf und verwandeln sich mühelos in eine gesunde und köstliche Brühe. In diesem Topf finden sich weitere Zutaten, die man mit Blick auf eine klassische Brühe eher nicht dort vermuten würde. Getrocknete Pilze, getrocknete Tomaten und einige Abschnitte Algen geben Tiefe. Stiele von Kräutern, wie Petersilie, Basilikum oder Koriander spendieren Raffinesse. Eine Peperoni macht die Brühe „spicy“. An dieser Stelle kommt es, was die Dosierung betrifft, allerdings auf die geplante Weiterverwendung an. Ich gebe auch gerne einige Abschnitte von Kohl hinzu, was von vielen Zeitgenossen abgelehnt wird. Nimmt man nicht zu viel, und kocht die Abschnitte nur kurz gegen Ende mit, tragen sie zu ausgeklügeltem Wohlgeschmack bei.
Mehlschwitze – ein Revival
Im Falle der Brühe für die heutige Béchamel hatte ich eine kleine Menge frisches Sauerkraut zur Verfügung und verwendete es kurzerhand mit. Die pikante Säure des entstandenen Fonds war eine Überraschung und gleichzeitig eine willkommene Aromenvariante. Omas Mehlschwitze gilt als in die Jahre gekommen. Sie wird oftmals belächelt als behäbige und kalorische Variante einer Bindung. Ich belächele sie nicht, sondern setze sie gezielt dort ein, wo sie zum Gaumenschmeichler wird. Eine Béchamel ist die facettenreichere Verbindung von Butter und Mehl. Die sämige, buttrige Samtsauce kann viele Gerichte bereichern. Eine Lasagne „ohne“ ist für mich kulinarisch nicht denkbar. Ein Löffel davon im Linseneintopf oder im Rieslingkraut ist eine Wonne. Die Béchamel lässt sich im Kühler mindestens eine Woche auf Vorrat halten, ich bereite daher immer etwas mehr davon zu.
Schichten-Geplauder
Das Highlight einer Béchamel ist aus meiner Sicht eine Lauch-Béchamel, denn Lauch gibt ihr einen unaufdringlichen, sanften Kraftkick. Den Lauch kann man in der Béchamel belassen und pürieren, oder man gibt ihn, kurz blanchiert, dazu, so wie es in diesem Rezept geschehen ist. Außer reichlich Lauch-Béchamel werden in der Gratinform Fettuccine und charaktervoll gewürztes Hackfleisch aufgeschichtet, das neben den ansonsten zurückhaltenden Komponenten einen überraschenden Kick verursacht. Der eingesetzte Gratinkäse sollte nicht zu würzig sein. Ich mische dazu jeweils zu einem Drittel milden Bergkäse, Appenzeller und mittelalten Gouda. Ansonsten darf auch gerne jeder andere Hartkäse gerieben werden, der aufgebraucht werden muss. Auch die Beimengung eines Stückchens geriebenen Grana Padano verleiht dem Gratin ein schönes Aroma. Wer möchte, kann einen kleinen Teil der geriebenen Käse in die Béchamel einarbeiten, so verbreitet sich bereits in der Gratin-Grundlage leichter Käsegeschmack.
Standhafte Nester
Im Grunde besteht das Gratin aus einfachen Zutaten. Es wird jedoch recht filigran und doch knusprig durch einen handwerklichen Kniff! Die Nudeln sollten nach meiner Vorstellung Fettuccine sein. Sie werden nach dem Al-dente-Garen mit etwas Olivenöl vermengt und zum Einsetzen in die Gratin-Förmchen mit einer Gabel zu kleinen Nestern aufgedreht. Dazwischen werden Béchamel und Hack gegeben, und zwar so, dass keinesfalls eine kompakte Masse entsteht. Die Nester bleiben während des Backvorgangs luftig und sind schließlich herrlich golden und knusprig, weil der geriebene Käse nacheinander darüber gestreut wird. So beschwert er nicht die Nester, sondern gewährtleistet ihnen stattdessen Stand. Das Gratin macht seinem Namen alle Ehre, denn im Gegensatz zu einem gewichtigen Auflauf – den ich zuweilen ebenso liebe – ist es leicht und beflügelnd. Durch den Umstand, dass die Nudeln so locker gestapelt sind, und eine relativ große Oberfläche haben, ist dieses Gratin äußerst geschmackvoll. Es ist wichtig, als Bandnudeln die Fettuccine zu bevorzugen. Die Tagliatelle sind zu schmal und haben nicht genug Kraft zum „Stehen“. Die Pappardelle hingegen sind zu drall und neigen dazu, ihren Schwerpunkt auf den Boden der Form auszurichten. Sie machen sich bestens in einer kräftigen Barolo-Sauce, können sich jedoch, wenn es – wie in diesem Fall auf einen sportlichen Kraftakt ankommt – nicht „halten“ 😉.
Im Kopf genießen
Beim Schreiben beschleicht mich der Gedanke, dass nicht jeder es für notwendig hält, für eine Rezeptur so viele Worte zu verlieren. Ich aber schon, denn, indem ich meine Gerichte und ihre Besonderheiten verbal bebildere und schildere, erlebe ich den Genuss noch einmal und erfasse das Wesen der Speisen in aller Tiefe, spüre ihrem Charakter nach. Für diese Fähigkeit bin ich dankbar, denn sie macht mich glücklich! Dankbar bin ich auch dafür, dass wir jeden Sommer von einer großzügigen Nachbarin mit Biogurken versorgt werden. Das letzte Exemplar der diesjährigen Saison begleitet mein feines Gratin. Angemacht mit Sauerrahm und Dill darf der knackige, gut gekühlte Gurkensalat zum Essen tatsächlich auf den Teller oder in ein bereits leer gegessenes Eckchen der Gratinförmchen wandern. Das ist nicht gerade fein? Doch, ist es. Sehr fein, denn der erfrischende Dillrahm zu den Fettuccine mit dem krossen Käse ist das, was man als „füreinander geschaffen“ bezeichnet. Sie wollen zueinanderfinden, nichts soll sie trennen!
Das Gratin
- Nudeln garen.
- Lauch und Möhren blanchieren.
- Béchamel ansetzen und leise köcheln lassen.
- Hackfleisch scharf anbraten und kräftig würzen.
- Gemüse zur Béchamel geben.
- Einen Teil Béchamel in eine Gratinform füllen.
- Fettuccine zu Nestern aufdrehen. Auf die Sauce setzen.
- Restliche Sauce und Hack darüber verteilen.
- In zwei Schritten mit dem Käse gratinieren. Mit Butter bepinseln.
- Mit Schnittlauchröllchen bestreuen.
Der Gurkensalat
- Gurken in feine Scheiben hobeln.
- Dressing herstellen.
- Gurken und Dressing durchkühlen lassen.
- Dill unterheben.
Das Gratin
Die Fettuccine al dente garen. Abgießen, abtropfen lassen, bald auf einem Backblech mit 2 EL Olivenöl vermengen. Beiseitestellen. Darauf achten, dass die Nudeln nicht weiter als al dente garen, denn sie werden im Ofen ja nochmal der Hitze ausgesetzt.
Das dunkelgrüne Obere vom Lauch für eine Gemüsebrühe aufheben. Die restliche Stange halbieren und in feine, ca. 1 cm breite Streifen schneiden. Die Möhren schälen, die Schalen für eine Brühe aufheben. Zunächst den Lauch, danach die Möhren in Salzwasser blanchieren, abschrecken und auf ein Sieb geben.
Für die Béchamel die Butter in einem mittelgroßen Topf aufschäumen, das Mehl einrieseln lassen, schnell mit dem Schneebesen verrühren. Warten, bis die Mischung leicht gebräunt ist und gut duftet, Topf beiseiteziehen. Zunächst die Brühe, dann die Milch so lange unterrühren, bis alle Klümpchen verschwunden sind. Lorbeer und Wacholder hinzufügen, auf kleiner Flamme 20 Minuten im geöffneten Topf köcheln, dabei regelmäßig umrühren, damit nichts ansetzt. Wer noch nicht so geübt ist mit der Béchamel, gibt anfangs nicht die komplette Flüssigkeit hinzu. So kann man die Konsistenz der Sauce gut im Blick behalten und steuern.
Für das Hackfleisch Knoblauch und Schalotten fein würfeln. Chili entkernen und fein schneiden. Das Hackfleisch in einer ausreichend großen Pfanne im Öl scharf anbraten, bis es schön gebräunt ist. Hitze reduzieren. Zucker und Tomatenmark auf dem Pfannenboden karamellisieren. Knoblauch und Schalotten hinzufügen, kurz angehen lassen. Mit der Sojasauce und einem kleinen Schluck Noilly Prat ablöschen. Mit Chili (nach Geschmack), einer kleinen Prise geriebenem Zimt, gemörsertem Kreuzkümmel und frisch geriebenem Pfeffer würzen. Auf der ausgeschalteten Herdplatte ziehen lassen. Vor dem Weiterverwenden nochmals abschmecken.
Lorbeer und Wacholder aus der Béchamel entfernen. Mit Lauch und Möhren sowie einem Drittel des Hackfleischs vermengen und mit kräftig Zitronenabrieb und Muskat würzen. Zum Gratinieren entweder mehrere kleine oder eine größere flache Form verwenden. Etwa ein Drittel Béchamel auf dem Formboden verteilen. Mit einer Fleischgabel Nudelnester aufspulen und nebeneinander auf die Béchamel setzen. Restliche Sauce und dazu das restliche Hack locker zwischen und über die Nester verteilen. Die Hälfte des geriebenen Käses darüber streuen. Im auf 180 °C vorgeheizten Backofen auf der mittleren Schiene 15 Minuten backen, restlichen Käse locker darüber verteilen und nochmals 10 Minuten backen. Nun mit der flüssigen Butter bepinseln und für einige Minuten zurück in den Ofen schieben, bis auf den Nudeln goldbraune Käsekrüstchen entstanden sind. Unbedingt aufpassen, damit nichts zu dunkel wird.
Den Schnittlauch kurz vor dem Anrichten in feinste Röllchen schneiden. Gratin damit bestreuen.
Der Gurkensalat
Für den Gurkensalat die Gurken in feine Scheiben hobeln. Je nach Geschmack mit oder ohne Schale verwenden. Schalotten sehr fein schneiden. Dill abzupfen (Dosierung selbst bestimmen). Aus den weiteren Zutaten ein cremiges Dressing rühren. Bis zum Servieren Gurkenscheiben und Dressing getrennt durchkühlen lassen. Erst kurz vor dem Servieren vermengen. So ziehen die Gurken kein Wasser. Ganz zum Schluss Dillästchen unterheben.
Zutaten für 4 Portionen
Menge | Zutat |
---|---|
|
Das Gratin |
400 g |
Fettuccine |
2 EL |
Olivenöl |
1 Stange |
Lauch |
3 bis 4 |
dünne Bundmöhren |
60 g |
Butter |
60 g |
Mehl |
500 ml |
Gemüsebrühe |
500 ml |
Milch |
2 |
frische Lorbeerblätter |
4 |
Wacholderbeeren (leicht angedrückt) |
1 |
Bio-Zitrone |
400 g |
gemischtes Hackfleisch |
3 bis 4 EL |
Rapsöl (oder mildes Olivenöl) |
2 |
Schalotten |
2 Zehen |
Knoblauch |
1 gute Prise |
Zucker |
½ TL |
Tomatenmark |
2 EL |
helle Sojasauce |
Ein kleiner Schluck |
Noilly Prat |
1 |
rote Chilischote |
1 Stück |
Zimtstange |
½ TL |
Kreuzkümmel |
80 bis 100 g |
geriebener Käse (z. B. Bergkäse und Gouda) |
4 EL |
flüssige Butter |
½ Bund |
Schnittlauch |
|
Chilisalz, Pfeffer, Muskat |
|
Der Gurkensalat |
2 mittelgroße |
Bio-Gurken |
1 |
Schalotte |
Einige Stiele |
Dill |
2 EL |
Crème fraîche |
2 EL |
Sauerrahm |
2 EL |
milder Weißweinessig |
2 EL |
Sonnenblumenöl |
1 TL |
Zucker |
1 kleiner Spritzer |
heller Tabasco |
|
Salz, Pfeffer |