Frühlings-Fregola in der Artischocke

27. April 2025
„Fregola tostata“ werden seit Generationen von Hausfrauen auf Sardinien mit der Hand in eigens dafür vorgesehenen schweren Tonschüsseln gerollt. Sie ersetzten Pasta, die man auf dem Festland kannte, die jedoch nur beschwerlich den Weg übers Mittelmeer fand. Nachdem Hartweizengrieß und Wasser mit viel Geduld in kleine Kügelchen verwandelt worden waren, wurden sie im Ofen getrocknet. Da nicht alle Kügelchen exakt gleich dimensioniert waren, fiel die Röstung dementsprechend unterschiedlich aus.
Sich durch die Hitze entwickelnde beige bis hellbraune Farben ergeben optisch den unverkennbaren Reiz der Fregola. Der Gargrad ist ebenfalls nicht komplett identisch, und die Nudel-Kügelchen sind daher am Ende unterschiedlich „al dente“. Die Fregola haben somit gleich mehrere Alleinstellungsmerkmale, was sie sehr besonders und begehrt macht. Ihresgleichen sucht man vergeblich! Lange waren sie jenseits der Insel in den Küstenregionen unbekannt. Dann aber sind die Kügelchen ans Festland geschippert und haben einen Siegeszug angetreten, der nicht enden will.
Es ist meine Passion: Ich mache aus Besonderem Besonderes. Fregola sorgt auf dem sommerlichen Grillfest zunächst für Erstaunen, denn sie kommt als „Nudelsalat“ gewandet zu Gast. Nach dem Erstaunen und einem kleinen „Lehrstück“ sind die Gäste begeistert und klatschen Beifall!
Nudelsalat gehört auf einem Gartenfest ultimativ dazu, ist im wahren Sinne des Wortes nicht wegzudenken. Hätten es erwartungsvolle Gäste zu entscheiden, rangierte er auf Platz eins der Beliebtheitsskala. Ich bin mit ihm aufgewachsen, was durch Pasta-Genuss mit ansonsten von Vernunft basiertem Essverhalten und gerne ausgeübtem Sport rein äußerlich nicht zu erkennen ist. Innerlich jedoch hat er Spuren hinterlassen! Er besänftig meine Seele und ich liebe ihn 😍!

In meiner Familie haben sich Spaghetti im Nudelsalat etabliert, die „Schnürchen“ sind Tradition geworden. Soll ich es erklären, komme ich ins Straucheln, denn der Einsatz von Spaghetti in dieser Speise ist durch rationale Kriterien nicht zu erklären. Sie nehmen mangels Rillen oder anderweitiger Vertiefungen nicht genügend vom Mayonnaise-Dressing auf, machen sich al dente eher sperrig als Genuss steigernd und sind zum Aufgabeln eher eine Herausforderung. Keine weitere Zutat der Schüssel nehmen sie freiwillig mit auf die Reise, weder Erbsen noch Ei und Würfelchen von der Essiggurke, ganz zu schweigen von der geliebten Fleischwurst. Die Silberzwiebelchen, die schließlich verschmäht auf dem Teller zurückbleiben, beweine ich nicht, sondern picke sie genüsslich auf 😉.
Locke punktet bei Schnürchen
Durch ansonsten entzückende Nichten und Neffen, die Grill-Stimmung durch aufkommendes Quengeln auf Spannung brachten, kamen wir ins Überlegen. Schließlich schlug das Argument der verzweifelten Kleinen alle weiteren zu Grunde liegenden kulinarischen Beweggründe: „Ich habe Hunger!“ Aber: Die Spaghetti hindert zügiges, selbstständiges Essen. „Gabelspaghetti“ als Alternative bescheren nur teilweise Erfolg, denn auch sie flutschen gerne von dannen. Und letztlich sind die durch ein Gläschen Bier oder Crémant beschwingten erwachsenen Gäste ebenfalls nicht unfroh, wenn sie die Nudel im Salat zielsicher und verlässlich „gabeln“ können. Ich bin aus diesem Grund auf die gedrehte „Riccioli“, zu Deutsch „Lockenwickler“ gekommen. Die Familie wurde aus unterschiedlichen Gründen zum Fan. „Locke“ hatte gegen „Schnürchen“ gewonnen!

Freiraum für die Nudel
Bevor ich an dieser Weggabelung zur Fregola abbiege, will eine zu vermeidende Seitenstraße erwähnt sein. Welche Nudel auch immer eine Rolle spielt, sie soll gewürdigt werden. Ganz wichtig ist der Nudel, dass sie für ihren Auftritt den richtigen – von ihr benötigten – Feuchtigkeitsgrad hat. Wir sprechen nicht von individuellen Eitelkeiten, sondern von naturgegebener Notwendigkeit. Obwohl sich Nudeln mögen, dürfen sie auf keinen Fall aneinanderkleben. Sie brauchen Freiraum und müssen geschmeidig untereinander und zwischen den weiteren Zutaten hindurch glitschen. Zu oft trifft man auf trockenen und faden Nudelsalat 😞.
Ich empfehle als Feuchtigkeitsspender geschmackvolle Geflügelbrühe und das süßsaure Einlegewasser von Essiggürkchen. Sollten für Kindergeburtstage Champignons aus dem Glas – für Manche „igitt“ – oder Früchte aus der Konserve – wieder „igitt“ – zum Einsatz kommen, durchaus auch deren Flüssigkeit! Sehr beliebt sind übrigens in diesem Zusammenhang Mandarinen, nachweislich sogar bei Sterneköchen, die zu ihrer Kindheit stehen! Ich habe diverse Nudelsalat-Desaster erlebt und behaupte, dass all diese Flüssigkeiten Potenzial besitzen, im Nudelsalat Gutes zu bewirken!

Späte Liebe
Spät bin ich der „Fregola“ begegnet. In Form von cremigem Risotto oder Pasta al Ragù lernte ich, sie auf den ersten Blick zu lieben. Ein bleibender Eindruck hat sich manifestiert: Fregola-Pasta ist der Hammer! Die Idee, sie als Nudelsalat einzusetzen, kam mir, als ich anlässlich eines Brunchs eine Batterie von kleinen „Weck“-Gläschen damit befüllen wollte. Als bunter Schichtsalat präsentiert, waren die Gläschen appetitlich anzusehen und hielten sich unter den Glasdeckelchen wunderbar frisch. Sie waren der absolute Renner!
Gefüllt in Artischockenböden werden sie zur eleganten Vorspeise oder einem bildschönen schlanken Hauptgang. In schöner Gesellschaft zeigen sie sich gerne, und marinierte Ziegenkäse-Kügelchen, und Avocado-Erbsen-Crème sind spritzige und doch sanfte Begleiter. Einige Nocken aus Röstpaprika und Mandeln schließen den Kreis, denn sie unterstützen die „Fregola tostata“ durch „Rasse“ und verhelfen ihr zu weiterer „Klasse“.
Ein Hoch der Nudel-Kugel
Die Fregola, ursprünglich „Fregula“ leitet sich vermutlich aus dem lateinischen „Ferculum“, zu deutsch etwa „Krümel“ oder „Brösel“, ab. Ich empfinde sie jedoch keineswegs als „Brösel“. Sie sind meiner Meinung nach auch nicht vergleichbar mit Couscous, der ganz anders schmeckt und ein weicheres Mundgefühl mit sich bringt. In meinen Augen hat Fregola einen stolzen, eigenständigen Charakter. Ob „Fregola“ nun – Singular oder Plural – ist oder sind, spielt keine große Rolle. Wichtig ist mir festzuhalten: Die Tradition der handgerollten Nudel-Kugel lebe hoch! „Lunga vita alla Fregola“! Sagt es der Italiener so 🤔?
- Kräuteröl herstellen, Käsekugeln darin marinieren.
- Artischocken putzen, Böden blanchieren.
- Fregola, Erbsen, Möhren blanchieren. Marinieren.
- Paprika grillen und enthäuten. Zur Crème mixen.
- Avocado und Erbsen cremig pürieren.
- Artischockenböden mit Fregolamischung befüllen.
- Artischockenböden im Backofen leicht erwärmen.
- Paprikacrème zu Nocken formen.
- Avocadocrème auf dressieren.
Für die Ziegenkäsekugeln Koriander und Petersilie kurz in heißes Wasser geben, sofort kalt abschrecken, damit die grüne Farbe erhalten bleibt. Gut ausdrücken. Mit Öl, Zitronenabrieb, Salz und Pfeffer sehr fein pürieren. Durch ein feines Sieb laufen lassen. Käsekügelchen einlegen und über Nacht im Kühlschrank ziehen lassen. Zwischendurch ein- oder zweimal wenden.
Artischocken putzen und mit Zitrone einreiben, damit sie nicht anlaufen. Die geputzten Böden in gut gesalzenem Wasser etwas über al dente garen. Ein leichter Biss ist gewünscht, für meinen Geschmack sollen sie nicht zu knackig, jedoch auch nicht zu weich gegart werden. Mit Fingerspitzengefühl vorgehen und gegen Ende der Garzeit immer wieder hineinpiken, um den optimalen Zeitpunkt zu finden. Auf einem Sieb abtropfen und gut abkühlen lassen.
Fregola in Salzwasser al dente garen. Erbsen blanchieren. Möhren mit einem kleinen Kugelausstecher ausstechen, etwas über al dente blanchieren. Fregola, Erbsen (bis auf 2 EL) und Möhren in Balsamico, Honig, Knoblauch, Zitronensaft und Zitronenabrieb, Salz, Pfeffer und Piment d’Espelette mehrere Stunden (zunächst ohne Öl) marinieren, so kann die Marinade besser einziehen. Olivenöl erst vor dem Servieren hinzufügen.
Für die Paprikacrème Backofen auf 220 °C vorheizen. Die Paprika in Segmente schneiden. Mit der Haut nach oben auf ein mit Backpapier ausgelegtes Backblech legen. Auf der obersten Schiene unter den Backofengrill schieben und so lange grillen, bis die Haut schwarz wird und sich Blasen bilden. Herausnehmen und die Paprika mit einem nassen Geschirrhandtuch abdecken. Nach ca. 10 Minuten Tuch entfernen und die Haut abziehen.
Paprika mit Olivenöl, Zitronenzesten, Räucherpaprika, Mandeln und Rosmarin pürieren, bis eine noch leicht stückige Crème entstanden ist. Wer möchte, schärft die Crème mit einigen Spritzern Tabasco. Eventuell vor dem Pürieren einige fein geschnittene Paprikastreifen oder -würfelchen zur Deko zurückbehalten.
Für die Erbsen-Avocado-Crème die Avocado aushöhlen. Mit den restlichen 2 EL Erbsen, Schmand, Zitronensaft, Salz und Piment d’Espelette fein mixen. In einen Einwegspritzbeutel füllen, Avocadokern in das Püree stecken, damit es nicht grau anläuft. Abdecken, bis zur Verwendung kühl stellen.
Artischockenböden von außen und innen mit flüssiger Nussbutter bepinseln. Mit der Fregola-Gemüse-Mischung befüllen. Restliche Nussbutter darüber träufeln. Vor dem Servieren für 10 Minuten in den auf 100 °C vorgeheizten Backofen geben. Leicht gewärmt schmecken sie am besten.
Zum Servieren die lauwarmen Artischockenböden auf ein kleines Bett von Friséesalat setzen. Aus der Paprikacrème Nocken formen und mit Mandelcrunch bestreuen. Neben die gefüllten Böden setzen. Avocadocrème aufdressieren, mit Oliven garnieren. Die Zucchini-Kugeln als Garnitur verwenden.
(Für 2 Portionen)
Menge | Zutat |
---|---|
|
Der Fregola-Gemüsesalat |
1 Tasse |
Fregola |
1 Tasse |
Erbsen (TK) |
2 mitteldicke |
Möhren |
2 EL |
Condimento Bianco (oder milder Weinessig) |
2 EL |
helle Sojasauce |
1 EL |
Honig |
4 mittelgroße |
Artischocken |
1 |
Bio-Zitrone |
2 EL |
Nussbutter (zerlassen) |
|
Die Röstpaprika-Crème |
4 mittelgroße |
rote Paprikaschoten |
2 EL |
Olivenöl |
Ein Zweig |
Rosmarin (Nadeln fein gehackt) |
1 Handvoll |
geröstete Salzmandeln (grob gehackt) |
½ TL |
Räucherpaprika |
Einige |
Spritzer Tabasco |
|
Die Avocadocrème |
1 |
Avocado |
2 EL |
Schmand |
|
Der marinierte Ziegenkäse |
120 g |
Ziegenfrischkäse Mini-Kugeln |
½ Bund |
Koriander |
8 Stiele |
Petersilie |
50 ml |
mildes Olivenöl |
50 ml |
Sonnenblumenöl |
1 Zehe |
junger Knoblauch (fein gewürfelt) |
|
Salz, Pfeffer, Piment d’Espelette |
|
Deko |
1 kleine |
Zucchini (Kügelchen ausstechen, in etwas Olivenöl leicht schmoren) |
Einige |
Taggiasca-Oliven |
Einige Blättchen |
Friséesalat (kurz in Vinaigrette getaucht) |
Eine Handvoll |
geröstete Salzmandeln (grob zerkleinert) |