Cordon Bleu vom Sellerie

Cordon Bleu vom Sellerie

05. April 2017

Sternekoch Michael Hoffmann präsentierte vor Jahren schon den Gästen seines Berliner Restaurants „Margaux“ ein achtgängiges, fleischloses Menü. Die wortgewaltigen Kritiker der damaligen Zeit bejubelten seine „avantgardistische“ Herangehensweise an die „Gemüseküche“. Ausdrücklich von ihm so genannt, denn von vegetarischer Küche sprach er nie. Zu sperrig war ihm der Begriff, klang zu freudlos. Mein Cordon bleu vom Sellerie ist keinesfalls freudlos, denn doppelte Sellerie-Power trifft auf „Prosciutto“ und „Scamorza“. Ein Doppeldecker mit viel Umami!

Michael Hofmann, erzählte in einem Interview mit „Der Tagesspiegel“, dass er eines Tages nicht nur die Lust am Fleisch verloren hatte. Alle möglichen Skandale und die Art und Weise, wie mit den Tieren umgegangen würde, führten bei ihm dazu, dass er sich nicht nur vom Fleisch abwandte, sondern es ihn regelrecht angewidert habe. Also wandte er sich dem Gemüse zu und baute es auch gleich in Eigenregie an. Ebenso erging es dem französischen „Kochgott“ Alain Passard, der im Pariser Restaurant „Arpège“ seit 1996 in unablässiger Folge drei Sterne erkocht. Auch er hatte sich komplett vom Fleisch abgewandt, weil ihn der Ekel vor totem Tier in seiner Küche übermannt hatte. Eine Umorientierung auf Gemüseküche rettete sein weiteres Schaffen als Koch. Aus der Sicht vieler Geschockter war es ein Skandal, den französischen Gourmets das Fleisch vorzuenthalten. Sie kamen dennoch weiterhin, und seine Sterne blieben. Inzwischen gibt es auch wieder Fleisch und Fisch im Menü, jedoch deutlich weniger als vor der „Wende“. Auch Passard bewirtschaftet zusammen mit Gärtnern eigene Ländereien. Er baut seine Gemüse sogar in unterschiedlichen Regionen und Böden an, was zu einer großen Vielfalt und optimalen Qualität führt.

Leise auf den Teller

Nun präsentierte in Berlin Hoffmann seinen Gästen also ein achtgängiges Gemüsemenü, quasi „stiekum“. Sprach klugerweise nicht viel darüber und manch einer, so erzählt man es sich, habe ob der Raffinesse und Exklusivität des Menüs überhaupt nicht bemerkt, dass kein Fleisch serviert wurde. Im Unterschied zum Großteil der Spitzengastronomie verfolgte Hoffmann die Philosophie, keine „Kinder“ zu essen:

Ich meine damit Kalbfleisch, Milchlamm, Stubenküken, Zicklein, all diese kleinen, nicht ausgewachsenen Tiere, die kommen mir nie mehr in die Küche. Ich kann es moralisch nicht mehr verantworten. Sie sind auch nicht nötig, um gut zu kochen. Trotzdem kann ich mich ab und zu an einem tollen Sauerbraten erfreuen oder meinem geliebten Wiener Saftgulasch.

Das entspricht zu hundert Prozent meiner Haltung, denn ich finde es mehr als dekadent, ein Lebewesen zu töten, dass noch nicht einmal die Chance hatte ein ausgewachsenes Tier zu werden.

From Leaf to Root

Eine wahre Lobeshymne sang Hoffmann in dem Interview auf den Knollensellerie. Und schon wieder hatten wir eine Gemeinsamkeit, denn auch ich liebe die Wunderknolle:

Der Knollensellerie. Er ist superergiebig und vielfältig einsetzbar. Er hat Power, das ist der Bodybuilder unter den Gemüsen. Durch ihn brauche ich keine Kalbsknochen, um Kraft in einen Fond zu bekommen. Da geben wir die Schalen vom Sellerie rein, die Wurzeln, das Grün und die Blätter - wumm! Ich kann Sellerie kandieren und süß-würzig machen, ich kann daraus mit Butter und Sahne ein herrlich zartes Püree kochen, ich kann Scheiben der Knolle braten. Aus der Schale mache ich „Erde“, in Anführungszeichen, die wird gewaschen, getrocknet, gemörsert, diesen Crunch streue ich über Salat, das hat Wucht wie geröstete Speckwürfel. Ich verwende sogar die Wurzeln vom Sellerie, die sehen aus wie Rastalocken. Warum soll ich die wegschmeißen? Die Stiele vom Sellerie werden klein geschnitten, getrocknet und kommen ins Kräutersalz. Die Blätter werden blanchiert, püriert und eingefroren, als Basis für Sellerieeis. Von so einer Knolle bleibt nichts übrig.

Als ich das zum ersten Mal las, kam ich ins Grübeln. Der Gedanke des Ganzheitlichen treibt mich schon lange um, aber über das Verwerten von Gemüseschalen hatte ich bislang nicht wirklich nachgedacht. An Süppchen aus frischen Radieschen- oder Kohlrabiblättern hatte ich mich bereits mit Erfolg ausprobiert und auch aus frischem Möhrengrün köstliche Pesto hergestellt. Aber ich hatte den Ansatz nicht konsequent weiterentwickelt. Die Schalen des Sellerie werde ich also künftig für Brühe verwenden. Ich habe eine Tupperbox im Froster, in der ich zu diesem Zweck Gemüseabschnitte und eben auch Schalen sammele. Allerdings tut sich ein Problem auf. Sehr intensiv schmeckt Sellerie, der in der Schale im Ganzen im Ofen gegart wird. Er sieht danach zwar aus, wie ein Schrumpfkopf, ist jedoch herrlich aromatisch. Die Schale allerdings scheint mir ausgelaugt. Auch bestechend gelingt die Knolle im „Sous-vide-Beutel“.

Update Juli 2020: Hier ein Beispiel für ein mega-aromatisches Sellerie-Püree Reh mit Sellerie und sommerlichem Rotkohl.

Sellerie-Power aus dem Ofen

Meine bildschönen, im Ofen gegarten Sellerieschnitzel wurden mit einer Creme aus ebenfalls gebackenem Sellerie bestrichen, bekamen also doppelte Sellerie-Power. Zudem habe ich sie mit zartem italienischem Schinken und mild geräuchertem Scamorza gefüllt. Diese Variante ist leichter und edler als die sonst übliche mit Bauernschinken und dominantem Bergkäse. Paniert habe ich sie anstatt in Semmelbröseln in Sesam. Und als Beigaben gab es weißen und grünen Spargel, Radieschen-Apfel-Tatar und Chips von der Moor-Sieglinde. Was Michael Hoffmann mit den Schalen vom ofengegarten Sellerie noch anstellen würde, werde ich ihn fragen, sollte sich einmal die Gelegenheit ergeben! Ich tippe auf gnadenloses Dehydrieren und das Herstellen einer Sellerie-Erde!

Das Cordon Bleu

  1. Eine Sellerieknolle abschrubben. Mit Olivenöl einreiben, salzen und auf ein Blech geben. Backen.
  2. Abgekühlte Knolle zerteilen und das Innere herausschaben.
  3. Mit Crème Fraîche, Zitronenabrieb, Vanille, Chilisalz, Salz und Pfeffer pürieren. Beiseite stellen.
  4. Die beiden anderen Sellerieknollen schälen und in Scheiben hobeln. Rechtecke ausschneiden.
  5. Im Backofen al dente garen.
  6. Scheiben abkühlen lassen und in Mehl, Ei und Sesam panieren.
  7. Scheiben nochmals in den Backofen geben, bis der Sesam goldbraun ist.
  8. Unterteile mit Selleriecrème bestreichen.
  9. Scamorza in Scheiben schneiden und Unterteile damit belegen.
  10. Schinken obenauf setzen und die Deckel auflegen.
  11. Mit grünen Spargel sowie einigen Hobelspänen Käse toppen.

Die Kartoffelchips

  1. Kartoffeln mit oder ohne Schale fein hobeln und in kaltes Wasser geben.
  2. Ausgetretene Stärke auswaschen und erneut einweichen.
  3. Auf Küchenkrepp abtropfen und im heißen Öl frittieren, bis sie gerade Farbe nehmen.
  4. Abtropfen lassen und erneut frittieren.
  5. Kurz vor dem Servieren leicht salzen.

Die gefüllten Radieschen mit grünem Apfel

  1. Radieschen mit einem Kugelausstecher aushöhlen und kurz blanchieren.
  2. Kügelchen in mit Xanthan gebundenem Grenadine-Sirup einlegen.
  3. Für die Füllung der Radieschen einige weitere Radieschen in winzige Würfelchen schneiden.
  4. Granny-Smith auf die gleiche Weise in feine Würfelchen schneiden. Dabei nur die äußeren Teile mit der Schale verwenden.
  5. Mit Zitronensaft, Rapsöl, Zucker und Pfeffer marinieren und in die ausgehöhlten Radieschen füllen.

Der weiße Spargel mit Selleriepüree

  1. Das obere Drittel vom weißen Spargel der Länge nach halbieren, mit etwas Selleriepüree bestreichen und wieder zusammenlegen.
Dop­pel­te Sel­le­rie­power von oh­ne­hin schon durch Back­ofen­kraft ge­pimp­tem Sel­le­rie ver­eint sich mit zar­ten Schin­ken und leicht ge­räu­cher­tem Kä­se. Ra­dies­chen und Apfel ge­sel­len sich hin­zu und die fruch­ti­ge Li­ai­son knus­pert man mit Kar­tof­fel­chips!

Das Cordon Bleu

Eine Sellerieknolle gut abschrubben. Mit Olivenöl einreiben, salzen und auf ein mit Backpapier belegtes Blech geben. Bei ca. 160 °C Umluft auf der zweiten Schiene von unten mindestens 2 ½ Stunden backen. Je nach Größe der Knolle kann es auch länger dauern. Gegen Ende immer einmal wieder einpieken, um den Gargrad zu testen. Sie soll im Inneren wirklich (Butter)weich sein.

Die abgekühlte Knolle zerteilen und das weiche Innere herausschaben. In einen Mixbecher geben und mit Crème Fraîche, etwas Zitronenabrieb, ein wenig Vanille, Chilisalz, Salz und Pfeffer fein pürieren. Unter Umständen mit etwas Milch leicht verdünnen. Dann durch ein Haarsieb streichen. Beiseite stellen.

Die beiden anderen Sellerieknollen schälen und mit der Mandoline in etwas mehr als 1 cm dicke Stücke hobeln. Mit Hilfe einer Schablone 12 gleichmäßige Rechtecke ausschneiden. Bei 160 °C Ober- und Unterhitze ca. 10 bis 15 Minuten al dente garen. Auch hier den Zahnstocher-Test machen.

Die Scheiben abkühlen lassen und in Mehl, Ei und Sesam panieren. Dabei 6 Scheiben, die später das Oberteil werden, an den Kanten und auf einer Schnittfläche panieren. Die 6 Scheiben, die als Unterteile zum Einsatz kommen, nur an den Rändern panieren. Die Scheiben nochmals in den Backofen geben, bis der Sesam schön goldbraun ist. Den letzten Kick beim Bräunen kann man mit dem Flambierbrenner erreichen.

Die Unterteile mit Selleriecrème bestreichen. Der intensive Selleriegeschmack kommt auf diese Weise optimal zur Geltung. Den Scamorza in Scheiben schneiden und die Unterteile damit belegen. Erneut den Flammenwerfer einsetzen und den Käse leicht zum Schmelzen bringen. Schinken obenauf setzen und die Deckel auflegen.

Mit dem grünen Spargel sowie einigen Hobelspänen vom quietschgrünen Käse toppen.

Als weitere Dekoration möchte ich Folgendes empfehlen:

Die Kartoffelchips

Die Kartoffeln je nach Geschmack mit oder ohne Schale fein hobeln und in kaltes Wasser geben. Nach einer Weile die ausgetretene Stärke auswaschen und erneut einweichen. So lange, bis das Wasser klar bleibt. Auf Küchenkrepp gut abtropfen und im heißen Öl frittieren, bis sie gerade Farbe nehmen. Dann abtropfen lassen und erneut frittieren, bis sie schön knusprig geworden sind. Ganz kurz vor dem Servieren leicht salzen. Einige Chips auf den Tellern anrichten, die restlichen separat reichen.

Die gefüllten Radieschen mit grünem Apfel

Einige dickere Radieschen mit einem kleinen Kugelausstecher aushöhlen und kurz blanchieren. Sie verlieren dabei das kräftige Rot und werden wunderschön hell rosa. Die Kügelchen in mit Xanthan leicht gebundenem Grenadine-Sirup einlegen. Für die Füllung der Radieschen einige weitere Radieschen in feine Scheiben hobeln, dann in Stifte und schließlich in winzige Würfelchen schneiden. Den Granny-Smith auf die gleiche Weise in feine Würfelchen schneiden. Dabei nur die äußeren Teile mit der grünen Schale verwenden. Mit ein wenig Zitronensaft, Rapsöl, Zucker und Pfeffer kurz marinieren und in die ausgehöhlten Radieschen füllen.

Der weiße Spargel mit Selleriepüree

Das obere Drittel vom weißen Spargel wird der Länge nach halbiert, mit etwas von dem Selleriepüree bestrichen und wieder zusammengelegt. Wer es für Gäste besonders exakt machen möchte, benutzt einen Einweg-Dressiersack.

Alles schön anrichten und mit einigen inzwischen rot gefärbten Radieschen-Kügelchen garnieren. Das Xanthan in der Marinade bewirkt, dass sich diese quasi um die Kügelchen legt, anstatt wegzulaufen. Ein wirklich herrliches Gericht!

(Für 6 Portionen)

Menge Zutat
3 mittelgroße Knollensellerie
6 Scheiben italienischer Schinken
2 Kugeln Scamorza
4 EL Mehl
2 Eier
1 Tasse Sesam
1 Bund grüner Spargel (blanchiert)
12 dicke Stangen weißer Spargel (blanchiert)
1 Stück grüner Hartkäse (z.B. Pesto-Käse)
2 EL Crème Fraîche
1 Schluck Milch
1 Stückchen Vanilleschote
1 Bund Radieschen
1 grüner Apfel (z.B. Granny Smith)
1 Bio-Zitrone
2 EL Rapsöl
2 EL Olivenöl
2 EL Grenadine-Sirup
1 winzige Menge Xanthan
4 eher kleinere festkochende Kartoffeln (z. B. Moor-Sieglinde)
  Salz
  Pfeffer
  Chilisalz
  Zucker

Diese Seite wurde zuletzt am 02.04.2023 um 12:03 Uhr aktualisiert.

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