Cordon Bleu vom Sellerie

Cordon Bleu vom Sellerie

16. April 2025

Gemüse und pflanzliche Verwandte rücken in Spitzenrestaurants unaufhaltsam in den kulinarischen Fokus. Kein Sternerestaurant, das Gäste inzwischen nicht auch ohne Fleisch glücklich macht. Vor einem solch anspruchsvollen Hintergrund bin ich kein Freund des Begriffs „vegetarisch“, denn er agiert mir zu sehr in der Nähe freudloser Fleisch-Ersatzküche.

Ich bemühe für meinen heutigen „Star“ auf dem Teller die Kategorie „Gemüseküche“ und bepacke pfiffige Schnittchen aus Sellerie klassisch mit Schinken und Käse. Ein Doppeldecker mit viel Umami aus der Knolle.

Einer der Ersten, der mit Gemüseprodukten und einem fleischlosen Menü Furore machte, war Sternekoch Michael Hoffmann in seinem legendären Berliner Restaurant „Margaux“ (2000 bis 2014). Wortgewaltige Kritiker der damaligen Zeit bejubelten seine „avantgardistische“ Herangehensweise an „Gemüseküche“, ausdrücklich von ihm so genannt, denn von vegetarischer Küche sprach er – wohl aus den naheliegenden Gründen – nicht. Michael Hoffmann erzählte in einem Interview mit „Der Tagesspiegel“, dass er nach und nach die Lust am Fleisch verloren hatte. Alle möglichen Skandale und die oft unwürdige und inakzeptable Art und Weise, wie mit den Tieren umgegangen würde, hätten bei ihm dazu geführt. Hoffmann präsentierte seinen Gästen behutsam und „leise“ ein achtgängiges Gemüsemenü. Er sprach nicht viel darüber und der Erfolg gab ihm recht, denn statt in erster Linie den Verzicht auf Fleisch zu thematisieren, lobten Gäste und Presse Raffinesse und Exklusivität seines Menüs.

Hoffmans Küchen-Ethik

Er überzeugte in erster Linie durch sein Handeln und sein Handwerk auf höchstem Niveau. Dennoch hielt er mit seiner ethischen Haltung nicht hinter dem Berg. Im Unterschied zum Großteil der Spitzengastronomie verfolgte Hoffmann die Philosophie, keine „Baby-Tiere“ zu essen:

Ich meine damit Kalbfleisch, Milchlamm, Stubenküken, Zicklein, all diese kleinen, nicht ausgewachsenen Tiere, die kommen mir nie mehr in die Küche. Ich kann es moralisch nicht mehr verantworten. Sie sind auch nicht nötig, um gut zu kochen.

Was er damit persönlich nicht verteufelte, war der gelegentliche und bewusste Verzehr von Fleisch:

Trotzdem kann ich mich ab und zu an einem tollen Sauerbraten erfreuen oder meinem geliebten Wiener Saftgulasch.

Das entspricht meiner Haltung, denn ich finde es mehr als dekadent, ein Lebewesen zu töten, dass noch nicht einmal die Chance hatte einen Grashalm zu essen, geschweige denn je ein ausgewachsenes Tier zu werden. Ich empfehle bezüglich des Umgangs mit Fleisch: Weniger davon essen, dafür mehr darüber nachdenken. Denn das macht „satt“ und glücklich!

Knollenliebe

Michael Hoffmann hob darüber hinaus die „Wunderknolle“ Sellerie hervor, den auch ich sehr liebe.

Der Knollensellerie: Er ist superergiebig und vielfältig einsetzbar. Er hat Power, das ist der Bodybuilder unter den Gemüsen. Durch ihn brauche ich keine Kalbsknochen, um Kraft in einen Fond zu bekommen. Da geben wir die Schalen von Sellerie rein, die Wurzeln, das Grün und die Blätter - wumm! Ich kann Sellerie kandieren und süß-würzig machen, ich kann daraus mit Butter und Sahne ein herrlich zartes Püree kochen, ich kann Scheiben der Knolle braten. Aus der Schale mache ich »Erde«, in Anführungszeichen, die wird gewaschen, getrocknet, gemörsert, diesen Crunch streue ich über Salat, das hat Wucht wie geröstete Speckwürfel. Ich verwende sogar die Wurzeln vom Sellerie, die sehen aus wie Rastalocken. Warum soll ich die wegschmeißen? Die Stiele vom Sellerie werden klein geschnitten, getrocknet und kommen ins Kräutersalz. Die Blätter werden blanchiert, püriert und eingefroren, als Basis für Sellerieeis. Von so einer Knolle bleibt nichts übrig.

Alle Zitate aus einem Interview in

Der Tagesspiegel, 07.12.2012
Eine angeschnittene Sellerieknolle

From Leaf to Root

Der Gedanke des Ganzheitlichen treibt auch mich um, aber über das Verwerten von Gemüseschalen hatte ich bislang nicht wirklich nachgedacht. An Süppchen aus frischen Radieschen- oder Kohlrabiblättern habe ich mich bereits mit Erfolg ausprobiert und auch aus Möhrengrün köstliches Pesto hergestellt. Dieser Ansatz erscheint mir inzwischen wie ein Manifest. Es geht darum, nichts zu verschwenden, jedoch spielt auch das Veredeln des ganzen Produkts eine Rolle. Nicht nur bei Fleisch, sondern auch bei dem so genannten „Grünzeug“. Auch Schalen von jungem Sellerie und beispielsweise Möhren werden künftig für Brühe verwendet, ebenso wie auch die von Pilzen entfernten Stiele. Selbst Zwiebelschalen und das nicht geliebte Grün von Porree spielen eine Rolle. Im Froster lassen sich alle „Gemüsereste“ sammeln und weiter verwerten. Mit den Selleriewurzeln habe ich allerdings noch keinen Frieden geschlossen, denn die Reinigungsprozedur ist aufwendig und leider nicht immer von ungetrübtem Genuss gekrönt 😉.

Tipp: Sehr intensiv schmeckt Sellerie, der in der Schale im Ganzen im Ofen gegart wird. Er sieht danach zwar aus, wie ein Schrumpfkopf, ist jedoch herrlich aromatisch. Auch bestechend gelingt die Knolle im „Sous-vide-Beutel“.

Hier ein Beispiel für ein mega-aromatisches Sellerie-Püree:

Reh mit Sellerie und sommerlichem Rotkohl

Meine bildschöne, im Ofen gegarten Sellerieschnitzel werden mit einer Crème aus ebenfalls gebackenem Sellerie bestrichen, kommen also doppelte Sellerie-Power. Gefüllt sind sie mit zartem italienischem Schinken und mild geräuchertem Scamorza, die edlere Variante zu Räucherschinken und Bergkäse. Die Sesampanierung ist pfiffig. Weißer und grüner Spargel begleiten uns in den Frühsommer und die gefüllten Radieschen schenken Frische und knackigen Biss.

Was Michael Hoffmann zu meiner Rezeptur und der Würdigung der „Wunderknolle“ sagen würde, das werde ich ihn gegebenenfalls fragen. Wer weiß: Möglicherweise treffe ich ihn in einer Kochschule, in einem Brotladen, auf einem Luxusschiff oder in einem riesigen Gemüsegarten. Seine Fußstapfen sind groß und seine kulinarische Wanderung zu verfolgen benötigt Entschlossenheit und gute Kondition. Ob es sein hehres Ziel war, neue Maßstäbe zu setzen: Er hat es getan und somit Geschichte geschrieben.

Das Cordon Bleu und der Spargel

  1. Sellerieknolle abschrubben. Mit Olivenöl einreiben, salzen. Backen.
  2. Knolle abkühlen und in Scheiben schneiden.
  3. Sellerieabschnitte mit den Zutaten pürieren. Crème durch ein Sieb streichen.
  4. Selleriescheiben panieren und im Ofen goldbraun backen.
  5. Eine Hälfte der Scheiben mit Selleriecrème bestreichen, mit Scamorza und Schinken belegen. Mit den restlichen Scheiben abdecken.
  6. Backen, bis der Käse zu schmelzen beginnt.
  7. Währenddessen Spargel blanchieren. Weißen Spargel in aufgeschäumter Butter schwenken.
  8. Lauwarm servieren.

Die gefüllten Radieschen

  1. Radieschen mit einem Kugelausstecher aushöhlen und kurz blanchieren.
  2. Für die Füllung der Radieschen einige weitere Radieschen in winzige Würfelchen schneiden.
  3. Granny-Smith auf die gleiche Weise in feine Würfelchen schneiden. Nur die äußeren Teile mit der Schale verwenden.
  4. Mit Zitronensaft, Rapsöl, Zucker und Pfeffer marinieren und in die ausgehöhlten Radieschen füllen.
Doppelte Selleriepower von ohnehin schon durch Backofenkraft gepimptem Sellerie vereint sich mit zartem Kochschinken und zurückhaltend geräuchertem Käse. Radieschen und Apfel gesellen sich hinzu und zur fruchtigen Liaison knuspert man Chips aus Kartoffelschalen!

Das Cordon Bleu und der Spargel

Sellerieknollen unter fließendem Wasser abbürsten. Wurzelansatz glatt abschneiden. Knolle mit Olivenöl einreiben, salzen und mit der glatten Seite auf ein mit Backpapier belegtes Blech stellen. Bei 160 °C Umluft auf der mittleren Schiene 1 ½ Stunden backen. Je nach Größe der Knolle kann es auch länger dauern. Gegen Ende immer einmal wieder einstechen, um den Gargrad zu testen. Die Knolle soll al dente sein. Knolle abkühlen lassen und in 1 cm dicke Scheiben schneiden (am besten mit einer Brotmaschine). Danach Ränder begradigen, so dass rechteckige Scheiben entstehen. Diese abdecken und für 1 bis 2 Stunden im Kühler aufbewahren.

Sellerie-Abschnitte mit einem kleinen Schluck Wasser weiter weich dünsten und mit Crème fraîche Zitronensaft, Zitronenabrieb und etwas Vanille- sowie Chilisalz cremig pürieren. Crème durch ein Sieb streichen. Beiseitestellen.

Die Sellerie-Rechtecke mit Chilisalz bepudern, in Mehl, Ei und Sesam panieren. Die panierten Scheiben bei 180 °C im Backofen leicht golden backen. Nun die Hälfte der Rechtecke (Unterteile) mit Selleriecreme bestreichen. Den Scamorza in Scheiben schneiden, und die Unterteile damit belegen. Schinken obenauf setzen, die Deckel auflegen und die Cordon bleu erneut in den Backofen geben, bis der Käse zu schmelzen beginnt, und der Sesam noch etwas mehr Farbe genommen hat. Lauwarm servieren.

Währenddessen grünen Spargel blanchieren. Käse in Streifen hobeln. Käsespäne um den Spargel winden und eine Schleife bilden. Cordon-Bleu damit dekorieren.

Den weißen Spargel blanchieren, in aufgeschäumter Butter wenden und die restliche Selleriecrème dazu servieren.

Die gefüllten Radieschen

(Hinweis: Xanthan oder „Xanthan-Gum“ ist ein aus Maisstärke gewonnenes natürliches Verdickungsmittel, das geschmacksneutral ist.)

Einige große Radieschen mit einem kleinen Kugelausstecher aushöhlen und kurz in Salzwasser mit einer guten Prise Zucker blanchieren. Sie verlieren dabei das kräftige Rot und werden hellrosa. Abtropfen. Die Böden leicht begradigen, damit sie besser stehen können.

Marinade aus den angegebenen Zutaten anrühren. Achtung: Von dem in Wasser aufgelösten Xanthan benötigt man nur 2 Teelöffel. Für die Füllung einige weitere Radieschen in feine Scheiben hobeln, dann in Stifte und schließlich in feine Würfelchen („Brunoise“) schneiden. Den Granny Smith auf die gleiche Weise in feine Würfelchen schneiden. Dabei nur die äußeren Teile mit der grünen Schale verwenden (der Optik wegen, Rest verspeisen). Würfelchen in der Marinade wenden und in die ausgehöhlten Radieschen füllen.

Tipp: Den Rest der Xanthan-Wasser-Mischung in einem Glas verschlossen im Kühlschrank aufbewahren. Sie ist geschmacksneutral und jeder Art von Marinade zuträglich.

(Für 6 Portionen)

Das Cordon bleu und der Spargel

Menge Zutat

2 mittelgroße

Knollensellerie

3 Scheiben

italienischer milder Kochschinken

3 Scheiben

italienischer luftgetrockneter Schinken

2 Kugeln

Scamorza affumicata

4 EL

Mehl

2

Eier

1 Tasse

Sesamsaat

 

Topping

1 Bund

grüner Spargel

3 Scheiben

Hartkäse (z. B. Basilikum-Käse)

1 Bund

weißer Spargel

2 bis 3 EL

Nussbutter

2 EL

Crème fraîche

1

Bio-Zitrone

1 Prise

Vanillesalz, Chilisalz, Pfeffer

Die gefüllten Radieschen

Menge Zutat

1 Bund

Radieschen (möglichst groß)

1

grüner Apfel (z. B. Granny Smith)

2 EL

Rapsöl

1 EL

Grenadine-Sirup

1 winzige Menge

Xanthan (1 g in 200 ml kaltem Wasser lösen)

 

Salz, Pfeffer, Chilisalz, Zucker

Diese Seite wurde zuletzt am 16.04.2025 um 19:15 Uhr aktualisiert.

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