Waterzooi

Waterzooi

07. März 2017

„Waterzooi“ gilt als flämisches Nationalgericht. Je nachdem, ob man “sie“ als Suppe oder „ihn“ als Eintopf betrachtet, wird im Deutschen der passende Artikel verwendet und über die entsprechende Konsistenz entschieden. Übersetzt bedeutet der Name so viel wie „Wassersud“. Ein nüchtern-puristischer Begriff, der extrem untertrieben erfasst, welcher Genuss einen erwartet! In Anbetracht guter Zutaten kann nur Feinstes entstehen, lässt man den Topf nicht stundenlang kochen „wie Wäsche“! Fingerspitzengefühl garantiert Erfolg.

„Waterzooi“ wird auf Basis von Huhn-, gegebenenfalls Fischkarkassen, wahlweise auch Kalbsknochen zubereitet und mit allerlei Gemüsen und Aromaten verfeinert. Nur Bestes kommt in den Pott und zuletzt wird der Eintopf mit saftiger Hühnerbrust, kross gebratenem Fisch und fluffigen Fischklößchen angereichert. Oftmals wird der Eintopf zuletzt mit doppelt ausgebackenen belgischen Fritten serviert, dieselben natürlich nicht eingeweicht, sondern separat als knuspriges „Add on“ dazu angeboten 😉. Eine würzige Mayonnaise, je nach Gusto und Region, ähnlich wie bei den Fischsuppen des Mittelmeeres, fehlt auch nicht. Wie sollte einem ein solch genussreicher Teller nicht schmecken? „Die“ Originalrezeptur für Waterzooi gibt es nicht. Wie bei allen Klassikern sind viele individuelle Rezepturen entstanden. Also beschloss ich, meinen eigenen Vorstellungen zur Waterzooi zu folgen.

Zum ersten Mal gespeist habe ich die köstliche Suppe als Gast in einer mir im Laufe der Jahre sehr ans Herz gewachsenen flämischen Familie. Ich war damals knapp zwanzig und Mitglied in einem Orchester, das seit geraumer Zeit mit einem Orchester aus Flandern befreundet war. Ein Besuch stand an, und ich hatte das Glück, dass „Marianne“, ein älteres Saxophon-Mädel, sich den Fuß gebrochen hatte, und ich dafür – ein Frischling noch, jedoch begabt und ambitioniert – einspringen durfte. Wie sagt man so schön: Des einen Freud, des andern Leid! Ich übte mir die Finger und die Lippen wund und platzte beinahe ob der übergroßen Vorfreude.

Mit Saxophon auf der Dorpsstraat

Ich bekam also auf die Schnelle eine Uniform geschneidert, durfte mitreisen und erlebte wunderschöne Tage. Einen wild entschlossenen „Hochzeiter“ bescherte mir der Besuch außerdem, nur, dass ich nicht Willens war, seine Braut zu werden! Nebensache oder Drama? „Koen“ lebt noch und hat sich blendend entwickelt! Natürlich wurde musiziert, was das Zeug hielt. Beide Orchester gemeinsam oder jeder mit seinem ambitioniert einstudierten Programm. In der Kirche zur Besinnung und zur Freude der Einwohnerschaft entlang der „Dorpsstraat“ auch mit strammer Marschmusik! Anschließendes Durstlöschen schloss sich als Selbstverständlichkeit an!

Bar in Antwerpen
Antwerpen - Löschen ... auf verschiedene Art

Genever zum Auftakt

Ob geistliche oder weltliche Klänge: Nachdem die letzte Note verklungen war, wurde es feucht fröhlich. Und zwar nicht zu knapp. Gelegentlich auch schon davor, denn beliebt war ein „Kurzer“ nach dem Frühstück! Auch das Aufwärmen für eine geschmeidige Performance gehörte einfach dazu! Egal zu welcher Tageszeit, gab es Genever (Wacholderschnaps). Nichts für Weicheier und schon gar nichts für „Ungeübte“ wie mich. Denn der Genever wurde üppig ausgeschenkt und in kleinen Wassergläsern serviert. Man verlor rasch den Überblick! Dazu gab es reichlich belgisches Bier und – ja damals sündigte ich im jugendlichen Überschwang gleich in mehreren Disziplinen – belgische Zigaretten. Überwiegend welche der Kultmarke Belga. Spätestens nach dem dritten Tag waren Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand deutlich gelblich verfärbt.

Ich machte mir Sorgen, wie ich die verräterische Nachlassenschaft wegbekommen könnte, denn zuhause würde es ansonsten zu anhaltenden Wallungen kommen: „Kind, du rauchst doch nicht etwa?!“ Man verriet mir den Trick mit der Zahnpasta: Nicht nur die Beißer, sondern auch die Finger schrubben. Der Trick klappte! Also konnte unbeschwert die eine oder andere weitere Belga genossen werden. Man sehe mir das wilde Treiben nach, ich war jung. Und habe eine fantastische Zeit erlebt. Hoffentlich lesen Nichte und Neffen nie diesen Beitrag …

Heilsam: mehrmals täglich Waterzooi

Nun zur Waterzooi. Wir waren also alle die ganze Zeit über mehr oder minder „beschwingt“. Wir reden hier übrigens keineswegs von Komasaufen, denn wir wollten weder unser Bewusstsein verändern, noch uns aus dem Leben beamen. Wir feierten uns vielmehr durch Tage und Nächte, von denen wir uns wünschten, dass sie nicht aufhören möchten! Nun kam es bei diesem kräftezehrenden Spuk auf die nötige Stärkung zwischendurch und vor allen Dingen morgens an. Unsere fantastischen Gastleute, nicht nur „meine“ Familie, versorgten uns aus diesem Grunde flächendeckend mit „Waterzooi“. Eine kräftige Brühe ist bekanntlich vorbeugend und heilsam für so ziemlich alle Zipperlein. Zudem servierte man uns köstliche, nach Hefe schmeckende Rosinenbrötchen – auch Zucker kann nicht schaden – mit dicken Scheiben Gouda belegt.

Zusätzlich gab es kräftigende Fischsalate, entweder aus Hering oder aus Sardinen, also keine Schmalkost. Abgeschmeckt mit einer üppigen Portion Mayonnaise – man merke sich: Auch gesunde Fette helfen so gegen manches! Auf diese Weise wurde eine solide Grundlage für das anstrengende Treiben bereitgestellt. Wir überstanden so die Tage schadlos und konnten sogar auf der Rückreise im Bus noch das eine oder andere „Absacker-Bier“ genießen. Zum Runterkommen. Sonst wäre das Umgewöhnen zu krass gewesen und das ist schließlich auch nicht gesund 😉.

Gent
Gent

Meine große Liebe: Wassersud

So kam ich zur Waterzooi, und wir schlossen in großer Liebe einen Bund fürs Leben. Ungezählte Male habe ich sie seither selbst zubereitet oder aber in flämischen Lokalen gegessen. Denn wer sich, wie ich, einmal in Flandern verliebt hat, was nicht schwerfällt, kommt gerne zurück. Antwerpen, Brügge, Gent oder Ostende sind geschichtsträchtig, charmant und haben viel Atmosphäre. Zudem eine tolle Gastronomie mit köstlichem Essen und mit einer unfassbaren Auswahl an traditionellen belgischen Bieren, die mittlerweile in die „Liste des immateriellen UNESCO Kulturerbes“ aufgenommen wurden. Nunmehr gerate ich möglicherweise doch in ein schiefes Licht: Das Bier ist ein wichtiger, aber bei weitem nicht der erste Grund, Flandern und seine faszinierenden Orte zu bereisen. Die Waterzooi aber schon. 

Es gibt kaum ein Land auf diesem Erdball, das ohne einen Klassiker aus dem Suppentopf auskommt. Die Waterzooi, die eigentlich aus Gent stammt, und dort gerne auch gebunden serviert wird – mit Ei, Sahne, oder auch Paniermehl – ist durch ihre geschmacklichen Dimensionen ein „Unikum“ im Sinne der Vielfalt. Der Eintopf ist famos, die Fritten, die man anstelle von Salzkartöffelchen mit Glück dazu bekommt, sind Kulturgut und die Mayonnaise veredelt das Gericht zum Hochgenuss.

  1. Karkasse des Hühnchens anrösten.
  2. Den größten Teil des Wurzelgemüses und Champignons anrösten. Karamellisieren und mit Wermut ablöschen.
  3. Brühe, Weißwein, Fischkarkasse mit Aromaten hinzufügen und einreduzieren.
  4. Keulen anbraten, danach im Sud garziehen lassen, entnehmen und für weitere Verwendung aufbewahren.

Für die Einlage

  1. Gegebenenfalls Fischklößchen herstellen. Gecutterte Masse kühlen. Kurz vor dem Servieren in leicht siedendem Wasser garen.
  2. Brust anbraten und kurz ziehen lassen. Warm halten.
  3. Fischfilet auf der Haut anbraten. Ziehen lassen, bis das Fleisch noch glasig ist.
  4. Restliches Wurzelgemüse in feine Streifen schneiden, kurz blanchieren, als Einlage in die Suppe geben.
  5. Einlagen (Fischklößchen, Fischfilet und Huhn) auf einem Suppenteller anrichten, mit sehr heißer Brühe angießen. Bei Bedarf mit frischen Kräutern bestreuen.
  6. Weitere Brühe als Zugabe bereitstellen.
  7. Weitere Einlagen warm bereitstellen und nachreichen.
Die Waterzooi ist eine kräftige Suppe auf Basis von Huhn, Fisch und oftmals auch Kalbsknochen. Die fantastische Brühe wird nach Gusto mit Suppengemüsen und Kräutern gekocht, durchpassiert und mit feinsten Abschnitten von Süßwasserfisch, Hühnchen und Gemüseabschnitten serviert. Gerne serviere ich Klößchen von Fisch oder Hühnchen dazu, Fritten und Mayonnaise sind der krönende Abschluss.

Die Karkasse des Hühnchens kräftig in Butterschmalz anbraten. Auf ein Backblech setzen und bei 160 °C Ober-und Unterhitze im Backofen rösten, bis es verführerisch zu duften beginnt. Währenddessen die Hühnerkeulen in Butterschmalz nicht zimperlich bräunen und beiseitestellen.

Zwei Drittel der Wurzelgemüse putzen, mittelfein zerteilen. Champignons vierteln. Gemüse in etwas Butterschmalz anrösten. Das Tomatenmark hinzugeben und leicht karamellisieren. Mit Noilly Prat ablöschen, kurz aufzischen lassen. Riesling angießen und um ca. ein Drittel einkochen. Mit der Geflügelbrühe auffüllen und die Aromaten und Kräuter hinzugeben. Karkasse und Keulen einlegen und leise köcheln, bis die Keulen weich sind, darauf achten, dass sie nicht trocken werden. Keulen für eine spätere Verwendung beiseitenehmen und die Brühe durchsieben. Salzen, Muskat nach Geschmack hineinreiben und sehr warm halten.

Für die Garnitur das restliche Gemüse in feine Streifchen, „Julienne“, schneiden. Beiseitestellen. Kurz vor dem Servieren in etwas Butter anschwenken, salzen, pfeffern und mit ein wenig Brühe warm halten. Die Julienne sollen knackig sein.

Das Fischfilet aus der Mitte heraus in nicht zu große Portionen zerteilen. Die etwas dünneren Abschnitte enthäuten und für die Fischklößchen verwenden. Dafür fein würfeln und mit dem Eiweiß vermischen. Das Weißbrot fein würfeln und in der Sahne einweichen. Nicht gleich die komplette Sahne nehmen, damit es nicht zu flüssig wird. Beides kalt stellen. Nach einer Stunde alles in einen Cutter gegeben und mit Chilisalz, Pfeffer und Zitronenabrieb würzen. Dill abzupfen und fein hacken. Durchgekühlte Zutaten rasch zu einer feinen Masse pürieren. Gleichmäßig geformte runde Klößchen in etwa der Größe einer Walnuss wandern erneut für mindestens 30 Minuten in den Kühlschrank. Kurz vor dem Servieren in reichlich gesalzenem, siedendem Wasser blanchieren, bis sie aufsteigen. Schwimmen sie an der Oberfläche, benötigen sie höchstens noch 2 Minuten. Das Wasser darf keinesfalls mehr als sieden!

Die Hähnchenbrust währenddessen bei milder Hitze in etwas Butter anbraten. Dann mit ein wenig von der Brühe begießen und sanft garziehen lassen. Den Zander in wenig Butter und etwas Butterschmalz auf der Hautseite kross braten. Nicht zu heiß, damit die Haut nicht verbrennt. Dann die Pfanne beiseitenehmen, den Fisch wenden und noch einige Minuten nachziehen lassen. Die Kunst besteht darin, dass die Haut knusprig und der Fisch innen noch leicht glasig ist.

Nun die Einlagen mit einem Servierring in der Mitte eines Suppentellers in Position bringen. Zunächst Scheiben von der Hühnerbrust, dann etwas Gemüse. Die Brühe einfüllen und einige Zanderklößchen im Teller verteilen. Den Ring abziehen und den kross gebratenen Fisch obendrauf platzieren und etwas Fleur de Sel darüber streuen. Ruhig noch einige Gemüsestreifen auf der Brühe verteilen, denn es soll bei diesem traditionellen Gericht nicht zu akkurat zugehen. Wer möchte, gibt noch ein Blättchen Petersilie oder einen kleinen Zweig Dill als Dekoration obendrauf.

Tipp: Unbedingt eine Extraportion sehr heiße Brühe bereitstellen. Bei Bedarf den Teller nochmals damit auffüllen!

(Für 6 bis 8 Portionen, je nach Verwendung als Vorspeise oder Hauptgericht)

Menge Zutat

 

Hühnersuppe und Einlage

1

Bio-Hühnchen (zerlegt)

600 g

Knollensellerie

600 g

Möhren

2 Stangen

Lauch (nur das Weiße und Hellgrüne)

1 Hand voll

Champignons

2 Zehen

Knoblauch

1 EL

Tomatenmark

6

frische Lorbeerblätter

Einige Stiele

Thymian

½ Bund

glatte Petersilie

1 EL

schwarze Pfefferkörner

½ EL

Pimentbeeren

½ EL

Koriandersamen

2 bis 3

Nelken

2 bis 3 Zacken

Sternanis

2 EL

Butterschmalz

2 EL

Butter

8 cl

Noilly Prat

250 ml

trockener Riesling

750 ml

Geflügelbrühe

 

Salz

 

Muskat

 

Fischklößchen und Fisch

2 ganze

Zanderfilets

1 Scheibe

entrindetes Weißbrot

100 bis 150 ml

Sahne

6-8 Stiele

Dill

1

Bio-Zitrone

1

Ei

 

Chilisalz

 

Pfeffer

 

Fleur de Sel

1 EL

Butter

1 EL

Butterschmalz

Diese Seite wurde zuletzt am 24.06.2021 um 19:09 Uhr aktualisiert.

Zurück

Copyright 2015 - 2024 FoodLady Jutta Hehn. Alle Inhalte dieses Webangebots, insbesondere Texte, Fotografien und Grafiken, sind urheberrechtlich geschützt. Das Urheberrecht liegt, soweit nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet, bei Jutta Hehn. Bitte fragen Sie mich, falls Sie die Inhalte dieses Internetangebotes verwenden möchten.