Sauerbraten von der Schweineschulter

Sauerbraten von der Schweineschulter

09. Februar 2017

Gutes überdauert. Daran glaube ich fest! Vor allen Dingen überdauern gute Rezepturen und die Erinnerungen, die wir damit verbinden. Das ist mir ein Anliegen. Sauerbraten wird überdauern. Auch, wenn es häufig heißt, das Säuern sei Kokolores. Lass sie reden. Wir handeln!

Sauerbraten hat in der deutschen Küche beinahe den Rang einer Eminenz. Wenn auch nicht im religiösen Sinne ist auch er ein „Herausragender“, ein „Hochehrwürdiger Herr“. Alt schon und überaus angesehen. Sauerbraten ist ein Kulturgut, für mich zudem ein Lieblings-Kindheitsgericht, und er schmeckt immer wieder köstlich. Ich glaube, ich kenne keinen Menschen, der Sauerbraten nicht mag. Viele gute Gründe, die „Sauerbraten-Fahne“ hochzuhalten und sich des Öfteren mal ans Werk zu machen, um einen zuzubereiten.

Sauerbratenrezepte kannte man schon vor mehreren hundert Jahren. Auch wenn man damals aus anderen Gründen, nämlich denen der Haltbarmachung und Reifung des Fleisches, „gesäuert“ und eingelegt hat. Seit es Kühlmöglichkeiten gibt, würde dieser Grund nun schon einmal wegfallen. Trotzdem wird weiterhin und weit verbreitet sauer eingelegt und mariniert. Weil es schmeckt. Und vielleicht hat das auch etwas mit der Vorfreude auf den amtlichen Sonntagsbraten zu tun, so wie bei mir. Bei uns dauert diese Vorfreude exakt eine Woche an. Sonntags wird eingelegt, in der Woche wird immer einmal wieder gewendet und geschnuppert, am nächsten Sonntag wird geschmort.

Meist wird für Sauerbraten ein schönes Stück vom Rind hergenommen. Hervorragend geeignet ist auch Fleisch von Hirsch oder Wildschwein. Ich nehme, was nicht ganz so üblich ist, auch sehr gerne Schweinefleisch, zum Beispiel aus der Schulter. Dann jedoch mit Weißwein mariniert, damit die helle Farbe nicht verloren geht. Wir haben im Laufe der Zeit aus vielen Rezepturen eine persönliche Version zusammengebastelt, die wir köstlich finden. Wir geben einen Teil des Wurzelwerkes nebst vielen Aromaten schon vorab mit in den Essig-Wein-Sud, damit es bereits zu diesem Zeitpunkt Geschmacksstoffe an den Sud abgeben kann. Was es in der Tat auch tut, obwohl das immer wieder bezweifelt oder in Abrede gestellt wird. Statt sich um derlei Auslegungsunterschiede zu streiten, oder sich den Kopf zu zerbrechen, ob der vielen Möglichkeiten zu Sauerbraten-Rezepturen, sollte man lieber ausprobieren und herausfinden, was zum Erfolg führt. Um eine Balance zur Säure zu bekommen, setzen wir als süße Komponente beim Schweine-Sauerbraten getrocknete Datteln und Aprikosen ein. Genaueres folgt im Rezeptteil.

Ein festes Ritual, das man schon aus der Kindheit kennt, zu bewahren, hat für mich einen hohen Stellenwert. Es hat etwas damit zu tun, dass man immer mal wieder an seine Wurzeln denkt und sie pflegt. Es hat etwas damit zu tun, dass solche Rituale wertvolle Gefühle aus dem Inneren an die Oberfläche befördern. Und zwar spontan, verlässlich und mit allen Sinnen verbunden. Sie produzieren gewissermaßen ganzheitliche Wohlfühl-Pakete. Ich sehe noch heute deutlich die ovale Porzellanterrine vor mir, die meine Mutter stets für den Sauerbraten verwendet hat. Sie stand auf der Kommode im Schlafzimmer – Sauerbraten gab es nur in der kühlen Jahreszeit – und jedes Mal, wenn der Deckel gelüpft und der Braten gewendet wurde, wollte ich unbedingt dabei sein.

Bei uns zuhause wurde der Sauerbraten immer mit Rotkohl und Schneebällchen serviert. Viele Schneebällchen, die in der selben Terrine auf den Tisch kamen, in der zuvor der Sauerbraten gebettet worden war. Hätte es so etwas wie eine Schneebällchen-Essmeisterschaft gegeben, wäre mein Vater ganz weit vorne gewesen. Waren doch einmal einige übrig, wurden sie anderntags in Butter „gebäckelt“. Auch wieder ein Festessen! Außerdem gab es immer eine große Schüssel mit grünem Salat zu dem Braten und für uns Kinder noch selbstgemachtes Apfelmus. Es leben die Kontraste!

Marinade für Schweine-Sauerbraten

Vor einigen Jahren las ich zum ersten Mal darüber, dass die ganze saure Einlegerei reiner Kokolores sei. Wissenschaftlich hatte man sich des Themas genähert, und es regelrecht entzaubert. Die Säure nebst Aromaten könnte nicht viel weiter als ungefähr anderthalb Zentimeter tief in das Fleisch eindringen. Im Inneren passiere überhaupt nichts. Man könne also genauso gut einfaches Schmorfleisch mit einer säuerlichen Sauce zubereiten. Das war für mich nahezu ein Kulturschock!

Und hat mich so getroffen wie einstens eine – so mir nichts dir nichts - etwas unbedachte Feststellung am Mittagstisch, dass es doch überhaupt kein Christkind gäbe. Und schon gar keinen Osterhasen. Und wenn wir schon dabei waren, mit der „Erwachsenwerden-Tür“ ins Haus zu fallen: Der Weihnachtsmann und der Nikolaus nebst Knecht Ruprecht wurden ebenfalls frei erfunden. Peng! Uff!

Es gibt Dinge im Leben, an denen man hängt, an die man glaubt. Und von denen man sich wünscht, dass sie ihren Zauber nie verlieren mögen. Als ich den Artikel über den „Sauerbraten-Irrtum“ gelesen hatte, habe ich reflexhaft mit aller Entschiedenheit beschlossen, meinen geliebten Sauerbraten weiterhin zu zelebrieren. Sollen sich die Wissenschaftler doch ihrer Illusionen berauben und alles detailreich sezieren. Ich sage: es leben die Sinne und der Geschmack! Wer genießt, hat Recht! Ich wollte das Gelesene möglichst gleich wieder vergessen. Lieber dumm bleiben und mich weiterhin eine ganze Woche lang auf das Ergebnis im Bräter freuen!

Als Beilage für einen Sauerbraten vom Schwein würde ich vom obligatorischen Rotkohl abraten. Der ist zu kraftvoll für den filigranen Protagonisten. Ich habe mich stattdessen für Erbsen-Möhren-Gemüse entschieden. Auch ein Wohlfühlgericht, seit ich denken kann. Und statt der Schneebällchen kamen bei mir Kartoffelklöße „halb und halb“ auf den Teller, denn die passen wiederum hervorragend zum „Schweinsbraten“. Und so schließt sich der Kreis: Alles in allem eine runde Sache!

  1. Hälfte der Gemüse und Aromaten in Essig und Wein aufkochen. Vollständig abkühlen lassen. Andere Hälfte des Gemüses vakuumieren und aufbewahren oder einfrieren.
  2. Fleisch mit Sud übergießen. Im Kühlschrank aufbewahren. Jeden Tag wenden. Ca. eine Woche marinieren.
  3. Fleisch aus dem Sud nehmen und abtrocknen, salzen und mit Mehl bestäuben.
  4. In Butterschmalz scharf anbraten und beiseite stellen.
  5. Zweite Hälfte des Gemüses im selben Bräter anrösten und mit Marinade ablöschen.
  6. Fleisch zurück in den Bräter setzen. Mit Marinade sowie Datteln und Aprikosen im Backofen schmoren.
  7. Aus dem Schmorfond Sauce zubereiten.

Die Hälfte der Gemüse und die Aromaten in Essig und Wein aufkochen. Vollständig abkühlen lassen. Die andere Hälfte des Gemüses vakuumieren und – wenn man einen besitzt - im Gemüsefach des Sub-Zero aufbewahren. Oder einfrieren. Das Fleisch in einen ausreichend großen, jedoch nicht zu großen Edelstahltopf geben und mit dem Sud übergießen. Es muss komplett bedeckt sein. Den Deckel auflegen und im Kühlschrank aufbewahren. Jeden Tag wenden. Wir legen das Fleisch eine Woche lang ein. In anderen Rezepturen ist von 24 Stunden bis zu zwei oder drei Tagen die Rede. Vielleicht einfach einmal ausprobieren, was zum gewünschten Erfolg führt.

Das Fleisch später aus dem Sud nehmen und mit Küchenkrepp abtrocknen, salzen und leicht mit Mehl bestäuben. In dem Butterschmalz rundherum scharf anbraten und beiseite stellen. Nun die zweite Hälfte des Gemüses im selben Bräter anrösten und mit etwas Marinade ablöschen. Das Fleisch zurück in den Bräter setzen. Mit der kompletten Marinade sowie den Datteln, Aprikosen und den Sardellen bei 150 °C in den Backofen geben und 2,5 bis 3 Stunden gemütlich schmoren.

Für die Zubereitung der Sauce gibt es verschiedene Möglichkeiten. Man kann die Sauce mit einem Teil der Gemüse aufmixen, dann wird sie recht kräftig und – je nach Gemüsemenge – eher sämig. Da ich es mir in diesem Falle etwas eleganter wünschte, habe ich den Schmorfond durchgesiebt, etwas von dem Gemüse mit durchs Sieb gedrückt und die Sauce mit der Stärke leicht gebunden. Und für einen tollen Geschmack und einen schönen Glanz wurde noch Butter unter montiert.

(Für 6 bis 8 Portionen)

Menge Zutat
1,5 kg Schweineschulter (regional, beste Qualität)
1 Flasche trockener Weißwein (z.B. Riesling)
¼ l Weißweinessig
1 Gemüsezwiebel
2 Möhren
1 Stange Lauch
½ Knolle Sellerie
4 frische Lorbeerblätter
1 EL Wacholderbeeren

4 bis 5

Nelken
2 EL schwarze Pfefferkörner
1 EL Senfsaat
100 g Datteln (fein gewürfelt)
100 g getrocknete Aprikosen (fein gewürfelt)
2 Sardellenfilets
2 EL Butterschmalz
Etwas Mehl (zum Bestäuben)
1 TL aufgelöste Speisestärke
2 EL Butter
  Salz
  Chilisalz
  Pfeffer

Diese Seite wurde zuletzt am 08.12.2019 um 16:05 Uhr aktualisiert.

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